Wie weiter in Bulgarien?

In den letzten Wochen haben sich zehntausende Menschen von der Türkei bis nach Brasilien versammelt, um zu demonstrieren. Ihre Unzufriedenheit hat verschiedene Ursachen. Aber generell ist Politik heute in Verruf geraten. Dennoch sollte man als Reaktion auf die Protesten nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Das trifft auch auf die Proteste in Bulgarien zu.

Zugegeben die heutigen Demonstrationen sind kleiner als die gegen die Regierung von Ministerpräsident Borrisow. Aber wenn man die Stimmung im Lande betrachtet, wie sie in Meinungsumfragen zum Ausdruck kommt, dann sehe ich kaum einen Unterschied. Die bulgarischen Sozialisten haben versprochen mit dem korrupten System von Borrissow Schluss zu machen. Und das hat Bulgarien bitter notwendig.

Daher bleibt es für mich unverständlich und inakzeptabel, dass die neue Minderheits-Koalitionsregierung als obersten Korruptionsbekämpfer einen Oligarchen bestellt hat. Nach heftiger Kritik im Inland, aber auch im Ausland, musste sie diese Ernennung wieder zurücknehmen. Die problematische Machterweiterung dieser Behörde war aber schon beschlossen. Und warum man den Chef von Ataka, einer rechtsextremen Partei, als Vorsitzenden des Ethik – und Korruptionsbekämpfungs – Ausschusses im Parlament bestellt, kann ich auch nicht nachvollziehen.

Ich hab von Anfang an klar gestellt, dass es nicht nur darum gehen kann andere Personen zu bestellen, sondern es auch um einen Systemwechsel geht. In diesem Fall wurde sogar als Chef des Nationalen Sicherheitsrates jemand vorgeschlagen, der sich abwechselnd an die verschiedenen Parteien angedient hat, bzw. über seine Medien die verschiedenen Parteien hochgejubelt hat, um sie dann bei den nächsten Wahlen mit üblen Methoden zu verleumden.

Ich weiß, dass es für die bulgarischen Sozialisten schwierig ist nach Borissow eine linke Alternative anzubieten. Aber eine Regierung die mit der „türkischen“ Partei, der auch der besagte Oligarch Peevski angehört, und von der rechtsradikalen Partei Ataka abhängig ist, muss umso mehr die unverzichtbaren Werte unterstreichen. Und durch einen Dialog mit der Bevölkerung Vertrauen gewinnen und nicht verspielen.

Bulgarien muss vor allem den Kampf gegen jegliche Form der Korruption führen. Dieser Kampf muss stark, konsequent und unabhängig geführt werden. Sonst kommt Bulgarien nie in die erste Liga der Länder was Investitionen und Demokratie betrifft. Und im Übrigen braucht Bulgarien ( und Rumänien) bald den Beitritt zur Schengenzone!

Die neue Regierung unter Ministerpräsident Oresharski ist angetreten, um eine Alternative zur Vorgängerregierung zu bieten. Was die wichtigste Aufgabe der Korruptionsbekämpfung betrifft gab es vorerst keine Alternative, sondern das Gegenteil. Die Bevölkerung des Landes erzwang einen Rückzieher. Nun muss die Regierung die Konsequenzen aus diesem Irrweg ziehen und einen wirklichen Systemwechsel durchführen.

Ich will die angekündigten Sozialmaßnahmen der Regierung nicht gering schätzen. Sie sind notwendig, gerade aus sozialdemokratischer Sicht. Aber nur ein transparentes und demokratisches Land kann den Weg ins einundzwanzigste Jahrhundert dauerhaft finden!