USA Frühjahr 2015

The American Dream

Anlässlich jedes -auch privaten – Besuches in den USA versuche ich mir auch Gedanken über die politische, wirtschaftliche und soziale Situation dieses immer wieder faszinierenden Landes zu machen. Über Ostern besuchte ich ( bzw. besuchten wir) neben dem kanadischen Vancouver die zwei weit auseinander liegenden amerikanischen Städte New York und Seattle. Beide Städte haben sich trotz wirtschaftlicher Krisen gut entwickelt und sind attraktiver geworden, jedenfalls für die obere Mittelschicht und auch für Touristen. So unterschiedlich sie sind, jedenfalls was die Größe und die Lage betrifft, sind sie beide eine Reise wert. Natürlich faszinieret New York besonders, ist es doch ein Agglomeration von vielen Städten, Nationalitäten, Sprachen etc. die sich zu einem faszinierenden Ganzen vermischen ohne aber ihre eigene Identitäten zu verlieren.

freiheitsstatue

Die in Europa viel kritisierten Parallelgesellschaften werden in den USA durch die gemeinsame Sprache ( allerdings kommt jetzt mehr und mehr das Spanische hinzu ) vor allem aber durch den „American Dream“ zusammengehalten. Ein “ European Dream “ hat sich allerdings nicht einmal innerhalb d EU eingestellt. Insofern hat der amerikanische Politologe und Analytiker Robert D Kaplan Recht wen er kürzlich in einem Beitrag in der Financial Time gemeint hat: “ Europe has been reduced over the decades to a regulatory regime.. Yet a rules-based order, however much it protects the rights of the individual, is not a replacement for conviction: rather, it must evolve out of a healthy and determined national purpose. A supranational purpose might exist in Brussels but not on the European street.“ Insofern hat Kaplan sicher Recht und zuviel an Raum wurde den extremen, anti – europäischen Kräften gegeben oder durch einen Mangel an europäischen Visionen ihnen faktisch eingeräumt.

Wenn Kaplan allerdings seinen Beitrag mit “ A continent of appeasers has abandoned its own defence“ übertitelt, dann wird klar wo er hinaus will. Angesichts der Politik eines Putins sollte Europa keine Politik des Appeasements betreiben und seine Verteidigungsanstrengungen erhöhen. Nur dann kann übrigens auch Europa eine eigenständige Politik betreiben. Darauf will ich in diesem Zusammenhang nicht näher eingehen, aber es zeigt natürlich auch inwieweit das militärische Engagement der USA im Rahmen der Rolle als Weltpolizist einen integrativen Faktor darstellt. Präsident Obama hat in einem hörenswerten und lesenswerten Interview, das er Thomas Friedman von der New York Times gegeben hat, im Zusammenhang mit den erfreulichen Vereinbarungen mit dem Iran und Kuba auch argumentiert ( argumentieren müssen ), dass die Rolle der USA in Verteidigung seiner Interessen nicht geschmälert werden wird. Wobei das selbstverständlich auch die Interessen Israels und der anderen Verbündeten in dieser Region betrifft.

Dennoch werden viele Republikaner und sogar manche Demokraten nicht müde, Obama selbst eine Appeasement Politik vorzuwerfen. Ich finde das was Obama schon gegen Ende seiner Amtszeit an außenpolitischen Ideen umsetzen möchte nicht nur absolut richtig sondern auch ein Beweis dafür, dass ein Präsident gerade gegen Ende seiner Amtszeit wichtige Akzente setzen kann – und er nicht unbedingt eine “ lame duck “ darstellen muss. Und ich hoffe, dass die Freunde von Premierminister Netanyahu nicht die Vereinbarungen mit dem Iran und die Freunde der alten Generation der Exil Kubaner nicht die Entspannung mit Kuba unterlaufen und torpedieren können. Besonders ärgerlich und dumm war in diesem Zusammenhang ein Beitrag des bekannt berüchtigten ehemaligen US Botschafters bei der UNO John R. Bolton mit der Forderung: „Bomb Iran to stop the bomb“. Primitiver geht es schon nicht. Aber es zeigt was wir erwarten müssen angesichts mancher möglicher Präsidentschaftskandiddaten seitens der Republikaner.

Natürlich gibt es nach wie vor viele Punkte der US – amerikanischen Aussen- und Sicherheitspolitik die ich kritisch sehe. Auch die Unterstützung für das militärische Engagement Saudi-Arabiens und einiger anderer  arabischer Länder im Jemen sehe nicht nur ich problematisch. Nach wie vor gibt es zu viel an Glauben an militärischen Lösungen, noch dazu in weit von den USA gelegenen Regionen, von denen auch viele – unter anderem historische und soziale – Detailkenntnisse in Washington nicht vorhanden sind. Jedenfalls nicht bei dem entscheidenden PolitikerInnen, wenn auch bei vielen Think-Tanks.

The Economy

Viele Amerikaner interessieren wahrscheinlich nicht so sehr die außenpolitischen Themen und Aktionen als die wirtschaftliche Lage und insbesondere die Situation am Arbeitsmarkt und hinsichtlich der Löhne und Gehälter. Nun, schon seit langem haben sich die USA besser aus der Wirtschaftskrise heraus entwickelt. Die Arbeitslosigkeit ist weitaus geringer als im europäischen Durchschnitt. Allerdings hat sich die Erholung am Arbeitsmarkt etwas verlangsamt. Nach wie vor ist aber auch in den USA die Arbeitslosigkeit der Menschen mit geringerer Ausbildung höher, die Arbeitslosigkeit korreliert also klar mit der Bildung: je besser die Ausbildung desto höher die Chance auf einen Job.

Was aber ein in der letzten Zeit stärker diskutiertes Thema darstellt ist die Bezahlung der Arbeitskräfte insbesondere der Mindestlohn. Hier zeigt sich die Schwäche der amerikanischen Gewerkschaften. Und so war es auch eine im letzten Jahr gewählte Stadträtin, namens Kshama Sawant, die in Seattle auf einem Ticket der “ Sozialistischen Alternative “ gewählt wurde, die einen Mindestlohn von 15 Dollar durchsetzte. Und das hat auch viele andere Gruppierungen und Gewerkschaften auf den Plan gerufen bzw. In ihren Forderungen bestärkt. Denn insbesondere bei den vielen unterqualifizerten Dienstleistungsjobs gab es bzw. gibt es noch immer skandalös niedrige Löhne. Schon 2012 haben ArbeiterInnen von Fast Food Ketten in New York begonnen für höhere Löhne zu kämpfen. Und Präsident Obama hat vorgeschlagen den Mindestlohn von derzeit 7,25 Dollar auf 10,10 Dollar zu erhöhen. Angesichts eines von den Republikanern beherrschten Kongresses wird aber die Zustimmung des Kongresses dazu für nicht sehr wahrscheinlich gehalten.

Hinzu kommt, das der Organisationsgrad der Gewerkschaften in den USA ( und nicht nur dort )  gesunken ist. Waren in den Fünfziger Jahren noch fast 35 % der Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert so waren es letztes Jahr ca 11%! Und nur 6,6 Prozent der im Privat Sektor arbeitenden gehören einer Gewerkschaft an. Angesichts dieser politischen und gewerkschaftlichen Verhältnissen wird es trotz einiger Zugeständnisse bei McDonald und Walmart keine großen Anpassungen bei den Mindestlöhnen geben. Und wahrscheinlich wird sich daran auch nichts in Folge der Wahlauseinandersetzungen auf Grund des Charakters der Wahlkämpfe ändern.

Alternative Ansätze

Gibt es überhaupt Hoffnung auf radikale Änderungen im politischen System – jenseits des Rechtsruckes der Tea Party und ähnlich reaktionärer Kräfte? Damit beschäftigt sich unter anderem die Jubiläumsausgabe der Zeitschrift “ The Nation “ anlässlich des 150. Jahrestags des Bestehens dieses Magazins. Darin begründet die schon erwähnte Stadträtin aus Seattle ihren Wahlsieg – nach einer Niederlage bei der Kandidatur für den Kongress des Staates Washington – folgendermaßen: „The city has increasingly become a playground for the wealthy, with the nations fastest-rising rents and a rapidly gentrifying urban core. My campaign was a referendum on corporate, neoliberal politics: I flatly rejected cuts to education, mass transit and social services, while calling for taxes on the rich and a $15 minimum wage.“ For her the victory at the municipal election was a victory of the grassroots movements.

Kshama Sawant mischt Ansätze der basisdemokratischen Bewegungen mit sozialistischen Ansprüchen. Andere wieder wollen eine “ produktive Demokratie “ im Gegensatz zum Neo-Liberalismus und zur Sozialdemokratie verwirklicht sehen. Sie wollen nicht zuletzt den „überflüssigen“ Konsum besteuern. Jedenfalls gibt es eine Reihe von Initiativen und Bewegungen, die versuchen die herrschenden zwei Parteien herauszufordern. Bisher allerdings waren solche Versuche das Zweiparteiensystem herauszufordern zum Scheitern verurteilt. Man wird sehen, wie erfolgreich die verschiedenen, anti-kapitalistischen  „grass-root movements “ sind.

P.S. Zum Verhältnis EU und USA findet am 7.5. um 10 Uhr 30 im Presseclub Concordia in Wien eine Diskussion satt. Prof. Gassert wird zu den Vorurteilen im Verhältnis EU und USA referieren und anschließend werde ich eine Diskussion mit ihm und der ehemaligen österreichischen Botschafterin in den USA, Eva Novotny moderieren: anmeldung@ustinov.at