Angst beherrscht die EuropäerInnen

Laut einer jüngsten Umfrage in mehreren europäischen Ländern herrscht oftmals Angst vor der Zukunft. Generell ist die Gemütslage nicht gut. Deutschland schneidet dabei noch relativ gut ab. In den übrigen befragten Ländern ist die Stimmung eindeutig negativer: vor allem in Frankreich, Spanien und Italien. In Großbritannien und Polen ist sie leicht besser, aber keineswegs gut.

Interessant ist, dass sich die Menschen vor allem um das würdige Altern Sorgen machen, also ein unwürdiges Altern befürchten. Dabei liegen Deutschland, Italien und Frankreich bei diesen Ängsten vorne. Dann kommt schon die Angst, dass die Kinder keine Hochschulbildung bekommen werden. Hier führen Spanien und Italien.

Was nun die Einschätzung der Vor- und Nachteile der EU-Mitgliedschaft betrifft, so liegt Großbritannien klar bei den Skeptikern vorne. Die positivste Einschätzung haben die Polen, gefolgt von den Spaniern und den Franzosen. Die einst sehr europafreundlichen Italiener sehen in der EU-Mitgliedschaft bereits – knapp, aber doch – die Nachteile überwiegen.

Angesichts dieser Einstellungen verwundert mich, wie PolitikerInnen einfach so weiter machen wollen wie bisher. Bei der kürzlich veranstalteten „State of the Union“- Debatte, die die Europäische Universität von Florenz veranstaltete, waren es vor allem Barroso, aber auch Monti und andere, die ihre ohnedies farblosen Reden ohne Bezug auf diese Stimmungslage abhielten. Und das bei einer Tagung, wo es vor allem um die europäischen Bürger ging.

Wir dürfen diese Stimmungslage und vor allem auch die zunehmende Abstinenz der BürgerInnen nicht so einfach hinnehmen. In einer Analyse des Wahlverhaltens meinte der deutsche Demokratietheoretiker Professor Wolfgang Merkel, dass vor allem die unteren Schichten der Bevölkerung immer weniger durch die Parteien angesprochen werden und immer weniger an Wahlen teilnehmen. Der durchschnittliche Wähleranteil der Volksparteien in Europa sank von 65 auf 40 Prozent. Damit ist auch ihre Integrationsfunktion zurückgegangen.

Auch  verschiedene Elemente der direkten Demokratie wie Vorwahlen helfen nicht immer. Bei den letzten Wahlen zum Bürgermeister von Los Angeles wurde der Spitzenkandidat der Demokraten mit 2,6 % der Wahlberechtigten ausgewählt. Nun das gilt nicht nur für die USA, auch die Direktwahl deutscher Bürgermeister zeichnet sich nicht durch eine hohe Wahlbeteiligung aus.

So bleibt die groteske Situation bestehen, dass die Menschen Ängste haben, unzufrieden sind, aber immer weniger die Möglichkeit des Wählens in Anspruch nehmen. Die Politik ist aufgerufen, etwas dagegen zu unternehmen. Das wird uns noch einige Zeit beschäftigen.

Entscheidend ist, dass die Politik zeigt, dass sie nicht von externen Kräften wie den Märkten abhängig ist. Wir brauchen also nicht wie Frau Merkel kürzlich meinte, eine marktkonforme Demokratie, sondern eine Demokratie, die Märkte und deren Einfluss auch begrenzen kann. In diesem Zusammenhang bekommt auch der Kampf gegen die Steueroasen seine demokratiepolitische Bedeutung.