Bruno Kreisky Verleihung für das politische Buch

Eine Laudatio auf Anton PELINKA zu halten ist angesichts seines umfangreichen publizistischen Werkes äußerst schwierig. Wo fängt man an und was lässt man aus? Ich möchte mich auf seine besonders aktuellen Äußerungen beziehen, sind sie doch ohnedies beispielgebend für seine Art zu denken und zu publizieren.

Hannes Swoboda Politisches Buch

Es könnte keinen besseren Zeitpunkt geben, Anton PELINKA für sein – bisheriges – Lebenswerk zu ehren. Und es ist ebenso der richtige Zeitpunkt ihm den Bruno Kreisky Preis für das politische Buch zu überreichen.

Allerdings manche werden das anders sehen, hat doch Anton PELINKA gerade in jüngster Zeit die SPÖ scharf kritisiert, oder besser auch (!) die SPÖ. Und hat er ebenso kürzlich im Zusammenhang mit dem Jahrestag der Waldheim Affäre vom Sündenfall Bruno Kreisky’s bei der Verteidigung Friedrich Peters gesprochen.

Aber in beiden Fällen übte Anton PELINKA Kritik nicht aus einer Gegnerschaft heraus, sondern aus Angst vor einem Verrat von Werten und Grundsätzen.

So zum Beispiel wenn er bezüglich der jüngsten SPÖ Haltung meint: „Natürlich kann, ja muss man verstehen, dass die Sozialdemokratie nicht auf Dauer gegen den Strom der öffentlichen Meinung schwimmen kann. Doch diese entfaltet sich ja nicht wie ein Naturereignis“!

Und mit Recht warnt PELINKA: „Die SPÖ verhält sich in dieser Konstellation so, wie dies einst Kurt Tucholsky für das Verhältnis von Kirche und Zeitgeist beschrieben hat: Sie läuft dem freiheitlichen Zeitgeist mit heraushängender Zunge hinterher, aber ohne ihn jemals einholen zu können.“

Für mich ist das ist eine Kritik, die jede politische Bewegung und auch jede Führungspersönlichkeit aushalten muss, ja notwendig hat, auch wenn man das selbst nicht so sieht, wenn man mitten im Geschehen der politischen Umsetzung steht und das Objekt der Kritik ist.

Aber dennoch, politische Parteien und auch deren VertreterInnen brauchen neben Unterstützung auch (!) Kritik, die zur Selbstreflexion führen sollte.

Wenn Anton PELINKA bei seinen Analysen und kritischen Bewertungen von Werten und Grundsätzen ausgeht, so missachtet er nicht die Realität und die politischen Zwänge. Aber für ihn sind das keine unverrückbaren und unbeeinflussbaren Fakten sondern müssen gerade in der Politik auch zur Disposition stehen. Politik muss gestalten.

Dabei gilt es auch, aus der Geschichte die entsprechenden Lehren zu ziehen. Das gilt insbesondere auch beim Aufbau des neuen Europas, also des Europas nach den bitteren Erfahrungen nach zwei Weltkriegen.

In einem Beitrag zu dem von ihm herausgegeben Tagungsband des Ustinov Instituts mit dem Titel „Europa – Feindbild oder Hoffnung“ zitiert PELINKA einen anderen Bruno Kreisky Preisträger, nämlich Christopher Clark mit seinem Buch „Die Schlafwandler“.

Hannes Swoboda Politisches Buch

Schon bei der damaligen Preisverleihung habe ich Parallelen zu den jüngeren Entwicklungen in Europa gezogen, heute ist – leider – die Parallelität noch aktueller und erschreckender.

Dabei bin ich mir nicht immer ganz sicher inwieweit wir Opfer von Schlafwandlern oder von Brandstiftern sind. Wahrscheinlich sind beide am Werk und beide sind gefährlich. In besagtem Beitrag meint Anton PELINKA: „Europa heute definiert sich durch sein Anderssein gegenüber dem Europa von gestern“!

Aber es sind auch Kräfte am Werk, die lieber am alten Europa anschließen wollen, die dem übersteigerten, absoluten Nationalismus den Vorrang vor Kompromissen in einem gemeinsamen Europa den Vorzug geben.

In diesem Zusammenhang kritisiert Anton PELINKA die neue Tendenz des Isolationismus und der Alleingänge, die auch innerhalb der SPÖ zu bemerken sind. Es sind durchaus scharfe Worte, die er dabei benützt:

Ich habe in meinen Worten diese Tendenz ebenfalls kritisiert und zwar nicht nur aus der Sicht der noch vor wenigen Wochen vertretenen Grundsätze heraus, sondern auch aus pragmatischer Sicht.

Gerade wenn Österreich innerhalb der EU Änderungen herbeiführen möchte, zum Bespiel eine Verschärfung der Entsenderichtlinie, um soziales Dumping zu vermeiden, so sollte man es sich nicht unbedingt mit einem potentiellen Bündnispartner, nämlich dem stärksten Mitgliedsland und dessen Regierung verscherzen.

Aber natürlich sind die grundsätzlichen Überlegungen, welches Europa wir wollen, die ausschlaggebenden. Und es wäre nicht Anton PELINKA würde er nicht auch die aktuelle, Flüchtlingsproblematik zum Anlass nehmen, solche wegweisenden Antworten zu geben.

Und da zeigt sich wieder die ihm übliche Verbindung von Pragmatik und Grundsätzen:

Es muss eine bessere Sicherung der Außengrenze geben bei Garantie der Offenheit der Binnengrenzen.

Und es muss eine für die gesamte EU verbindliche Ordnung und auch gemeinsame Flüchtlingsstandards geben sowie eine die Wirtschaftskraft der einzelnen Staaten berücksichtigende Lastverteilung bzw. Kostenverteilung.

Das ist die Antwort, die für PELINKA auf der Hand liegt und in der Tat, würde man sich auf diese Grundsätze einigen, könnten wesentliche Schritte nach vorne gemacht werden. Aber sie können nur gemeinsam in Europa gegangen werden, sollen sie erfolgreich werden.

Aber welches Europa hat Anton PELINKA vor Augen? Ich zitiere: „Dieses Europa sollte Werten entsprechen, die anhand der Wirklichkeit überprüfbar sind…..Diese Werte sind das Produkt der Vernunft und der Aufklärung, wie sie sich in den universellen Menschenrechten manifestieren, diese Werte sind die einer liberalen Demokratie, die individuelle Freiheit mit sozialer Sicherheit optimal zu verknüpfen sucht.

Aber: Die Europäische Union ist eine Ordnung und die braucht auch Autorität und diese muss an den Außengrenzen der Union in Erscheinung treten.

Diese Ordnung muss den Flüchtenden ebenso Rechte und Pflichten vermitteln wie den BürgerInnen der Union wie auch den derzeit 28 Staaten, die aus freien Stücken der Union beigetreten sind“!

Diese Worte, die im Rahmen der Wiener Vorlesung gesprochen und in der „Zeit“ abgedruckt wurden, zeigen deutlich die Haltung von Anton PELINKA.

Der Respekt gegenüber den Werten steht nicht im Widerspruch zu den Anforderungen einer geordneten gesellschaftlichen Entwicklung. Gerade wenn man einem überspitzten Nationalismus Paroli bieten möchte, müssen die Menschen das Gefühl haben, dass die neu hergestellte Ordnung auch geschützt wird.

Aber eben nicht durch nationale Alleingänge sondern durch eine gemeinsame europäische Vorgangsweise.

Das neue Europa ist für Anton PELINKA immer auch mit einer Verteidigung der Demokratie verbunden. In der Tat steht die Analyse und die Bewertung der Demokratie, sei es in einzelnen Nationalstaaten wie Österreich bzw. in Europa insgesamt, im Mittelpunkt seiner umfangreichen Lehrtätigkeit aber auch seiner publizistischen Arbeit.

Aber auch hier empfiehlt er, die nationale und die europäische Entwicklung kongruent zu gestalten. Dabei ist die Demokratie kein festes Konzept sondern muss auf unterschiedliche Entwicklungen Rücksicht nehmen und sie produktiv verarbeiten.

Direkte Demokratie und das Wirken von NGOs können die indirekte Demokratie nicht ersetzen, aber sind Ergänzungen, die die demokratische Entwicklung fördern und bereichern können.

Im Gegensatz zum Populismus, der „das Volk“ als Einheit sieht und ein „Gesamtinteresse“ fingiert, das aber die vielfältigen Minderheiten, aus denen die Bevölkerung besteht, verleugnet und missachtet. Und Meinungsumfragen, wie das Volk denkt, können und dürfen politisches Handeln auf Grund von Überzeugungen nicht ersetzen.

Und für die Demokratie auf europäischer Ebene fordert PELINKA eine „Emanzipation der Politik“ vom Nationalstaat und demgemäß fordert er mit Recht eine Aufwertung des Europäischen Parlaments, ein effektives europäisches Parteiensystem sowie eine europäische Sozialpartnerschaft.

Auch was die Demokratie betrifft bleibt PELINKA seinen Intellektuellen Grundsätzen treu. Werte in der Politik machen vor allem dann Sinn, wenn sie auch institutionell verankert werden und auf diese Weise das tägliche Geschehen mitgestalten.

Europa ist, darauf verweist PELINKA immer wieder, kein fertiges Produkt aber es ist „das Beste was Europa ins 21. Jahrhundert mitnehmen konnte“ und „eine Chance, wie die Union wird Europa vermutlich kein zweites Mal bekommen wird“.

Deshalb sollte man natürlich dem Europa, wie es sich heute darstellt, keineswegs unkritisch gegenüber sein, aber ein wenig Selbstreflexion und Objektivität sollte man bei seinen Äußerungen schon an den Tag legen. Vor allem, wenn man selbst nichts zur Stärkung der EU beiträgt.

Ich komme aber – bei der Verleihung eines Preises der nach Bruno Kreisky benannt wird – nicht umhin zumindest zu erwähnen, dass sich Anton PELINKA auch mit Israel und dem Konflikt zwischen Israel und Palästina ausführlich beschäftigt hat.

Dabei respektiert er einerseits diejenigen, die zu Israel eine uneingeschränkt positive Einstellung haben, weil sie den Staat Israel als einen Staat sehen, der von den „Opfern antisemitischer Gewalt und den Überlebenden des Holocaust“ aufgebaut wurde.

Andere wieder begründen ihre feindselige Einstellung mit dem Hinweis, dass Israel das „Produkt einer Landnahme und einer Vertreibung“ ist also „ein Staat, der auf einer quasi rassistischsten Segregation der Gesellschaft errichtet ist“.

Dazu meint unser Preisträger: „Jede dieser Wahrnehmungen ist nicht falsch – jedenfalls nicht zur Gänze. Aber jede ist einseitig auf ihre Art“!

Und einseitig möchte PELINKA nicht sein und er ist es auch nicht. Aber er bleibt auch nicht nebulos in irgendeiner Mitte stehen. Immer wieder versucht er den Dingen auf den Grund zu gehen und die Wurzeln der Fehlentwicklungen und der Fehlbeurteilungen zu sehen.

Und weil er weder die Demokratie, noch Europa – oder auch Israel – als fertige Produkte versteht, denkt er nach, in welche Richtung sich die Dinge bewegen sollten: lernend aus der Geschichte sollte es jedenfalls ein Weg nach vorne sein.

Und in diesem Sinn erhoffen wir uns noch ein umfangreiches publizistisches Werk, um sein bisheriges Lebenswerk zu ergänzen.