Damals und Heute….

Es ist der 12. August und ich schreibe in Berlin diese Zeilen. Morgen vor 50 Jahren wurde diese Stadt durch die Errichtung einer Mauer in zwei Hälften getrennt. Aber eine so widernatürliche und unmenschliche Trennung konnte nicht von Bestand sein. Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus und der sowjetischen Herrschaft hat nicht nur Berlin sondern ganz Europa diese Trennung überwunden. Aber ist heute alles okay, hat alles wieder seine „Ordnung“?

Noch ist nicht alles wieder zusammengewachsen wie es Willy Brandt in einer unvergesslichen Rede angesprochen hat. In den letzten Tagen habe ich auf der Insel Rügen und dann auf der Fahrt Richtung Berlin noch viele „Reste“ der DDR gesehen und die Sehnsucht mancher Menschen nach den „alten“ Zeiten erfahren. Am eindrucksvollsten waren die langen Häuserblocks in Prora entlang der Ostsee östlich von Binz. Die Nationalsozialisten errichteten diese sich über mehrere Kilometer erstreckenden Blocks im Rahmen des Projekts Kraft durch Freude. Der zweite Weltkrieg verhinderte den Erholungsaufenthalt der Deutschen Bevölkerung in diesen gigantischen Gebäuden  und die kilometerlange Häuserzeile diente als Lazarett. Nach dem Krieg diente Prora als Unterkunft der Nationalen Volksarmee der DDR.

Heute stehen die Gebäude leer und sind dem Verfall preisgegeben. Vielleicht sind sie ein Sinnbild für so manches aus den DDR Zeiten. Jedenfalls gibt es nicht wenige Menschen die sich eines Sinnes und Zweckes im neuen, zusammengewachsenen Deutschland beraubt sehen. Sie fühlen sich wie die Gebäude von Prora dem Verfall preisgegeben. Auch weil sie nicht sehen, dass die DDR und ihre Wirtschaft auf Sand gebaut war, Sand wie am Ostseestrand von Prora. Es war eine Frage der Zeit bis die Verhältnisse in den Ostblockstaaten untragbar werden würden. Und dennoch kann man den Menschen ihre Enttäuschung über die Verhältnisse heute nicht übel nehmen. Und es wurde auch viel mehr versprochen als heute geboten wird. Denn die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Einkommen im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten zu niedrig und manche Sozialleistung ist verschwunden.

Das gilt aber nicht nur für die Regionen und Menschen aus der ehemaligen DDR. Viele Menschen sind enttäuscht vom neuen Europa. Die Wirtschafts- und Finanzkrise sowie -notwendige und unnotwendige aber ideologisch begründete- Budgetkürzungen nerven die Menschen. Was aber besonders erschreckend ist, ist die Kälte die manche, ja viele PolitikerInnen den Nöten und Sorgen der BürgerInnen entgegen bringen. In einer alternden Gesellschaft sind dabei die Jungen ohne Jobs besonders betroffen. Denn der älteren Mehrheit muss schon aus wahltaktischen Überlegungen Verständnis und Rücksicht entgegengebracht werden. Und das birgt die Gefahr, dass auf die Interessen und  Bedürfnisse  der Jüngeren zu wenige Rücksicht  genommen wird weil auch, und besonders wenn es um Ausbildung und Arbeitsplätze geht. Die Demonstrationen in Spanien (und übrigens auch in den arabischen Ländern und Israel) aber auch die von Hooligans und Chaoten ausgenützte Unzufriedenheit im Vereinigten Königreich haben nicht zuletzt in dieser Entwicklung ihre tieferen Ursachen.

Nun es ist nicht zu leugnen, Europa und die einzelnen Mitgliedstaaten stehen unter enormen Wettbewerbsdruck. Reformen und Anpassungen auch des Wohlfahrtsstaates sind notwendig. Aber nicht notwendig ist die Akzeptanz einer immer ungleicheren Verteilung von Einkommen und Vermögen. Nicht notwendig ist die Unterwerfung unter das Diktat der Märkte vor allem der Finanzmärkte. Nicht notwendig ist der Widerstand vieler gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Und damit wäre ein Abbau an sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit nicht notwendig. Notwendig hingegen ist der Jugend eine Chance zu geben, denn wie sollen wir ohne diese Chance den Jungen die Bedeutung und Notwendigkeit eines gemeinsamen Europas vermitteln?