Das „gemeinsame“ Europa

p-010367-00-19hIn den letzten Tagen hatte ich mehrere Diskussionen über den Zustand der EU insbesondere nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon. Selbstverständlich spielte die Krise in Griechenland, die Reaktion bzw. die zögerliche Reaktion mancher EU Staaten eine zentrale Rolle. Interessant war die Diskussion, die ich bei einer live Übertragung einer Europa-Tagung des WDR in Berlin hatte. Nach einem ausführlichen Interview mit Bundeskanzlerin Merkel diskutierte ich mit der Grünen Ex Ministerin Renate Künast, Gregor Gysi von der PDS und meinem CDU Kollegen Elmar Brock. Niemand verteidigte die zögerliche Haltung der deutschen Regierung. Am meisten stimmte ich mit Renate Künast in einer offensiven pro-europäischen Haltung überein. In Berlin sowie am Abend in Wien wie auch bei den Diskussionen mit SchülerInnen in der Steiermark betonte ich immer wieder, dass sicher manche Detailregelung an die nationalen bzw. regionalen Entscheidungsträger abgegeben werden können, aber zentrale Aufgaben, die unsere globale Einflussmöglichkeiten stärken können, müssen von der EU als ganzes gelöst werden. Dafür ist jetzt die Gelegenheit. In Berlin wurde ich dabei auch gefragt, inwiefern Sozialpolitik und insbesondere die Lohnpolitik einer gewissen Harmonisierung bedarf. Und ein Schüler bei der Diskussion, die die Antenne Steiermark organisierte fragte, wie wir gemeinsame Sozialstandards erreichen könnten ohne Angleichung nach unten. Nun ich meine, dass ist eher eine Frage der globalen Entwicklung mit dem gestiegenen Wettbewerb durch China, Indien etc. Aber natürlich ist das auch ein europäisches Thema. Insbesondere in der Slowakei und in Slowenien wird gegen die Griechenland Hilfe argumentiert. Und zwar mit dem Hinweis auf die sozial- und insbesondere pensionsrechtliche Besserstellung in Griechenland gegenüber den helfenden Ländern Slowenien und Slowakei. Und das wird nicht ganz zu Unrecht als unfair gesehen.

 

 Mattthias Krupa meinte dazu in der Zeitung „Die Zeit“: „Die Debatte über einheitliche europäische Sozialstandards war bislang ein Ladenhüter linker europäischer Thinktanks. Nun wird sie auf der Strasse geführt, in Essen genauso wie in Athen oder Paris. Mit einem Mal werden in Europa nicht nur die Staatsdefizite verglichen, sondern auch das Rentenalter und die Sozialleistungen. Und aus Europa, dem Projekt der Eliten, ist über Nacht ein Thema für alle geworden – Vorurteile inklusive.“ Nun ich glaube, dass diese Debatte Europa gut tut. Ich bezweifle allerdings, dass die Linke in Europa darauf gut vorbereitet ist. Denn so sehr ich für eine stärkeres, „gemeinsameres“ Europa eintrete, so sehr darf das nicht das neo-liberale, konservative Europa sein, ein Europa, das sich im Sinne der Fragestellung des oben zitierten Schülers nach unten harmonisiert. Allerdings die globalen Auswirkungen einer erhöhten Konkurrenz dürfen auch nicht weggeleugnet werden. Weder geht es um einen generellen Abbau des Wohlfahrtsstaates noch um einen „vorzeitigen Wohlfahrtstaat“ ohne wirtschaftliche Grundlage wie ihn zum Teil Griechenland hatte und jetzt unter Schmerzen abbauen muss. Die Debatte darüber muss Europa und vor allem die europäische Sozialdemokratie führen. Der europäische Wohlfahrtsstaat braucht einerseits eine tragfähige wirtschaftliche Grundlage und anderseits darf er sich nicht das zerstörerische Agieren durch spekulative Marktkräfte gefallen lassen. Dagegen muss er sich mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen. Durch finanzielle Hilfspakete für den Notfall und durch gesetzliche Verbote.