Der arabische Herbst

hannes 6Kommt nach dem arabischen Frühling ein arabischer Herbst bzw. ein islamistischer Frühling? Diese Frage stellten wir uns bei einer Diskussion im Renner Institut im Rahmen der von mir initiierten Diskussionsserie „futurezone europe“.
Die Veranstaltung fand wenige Tage nach den Wahlen in Tunesien statt. Dort hatte ja die islamische bzw. moderat islamistische Partei Ennahda die Parlamentswahlen gewonnen. Dieser Wahlsieg kam nicht unerwartet, war diese Partei doch über Jahrzehnte verboten und deren Vorsitzender Gannouchie musste im Exil leben. So galt diese Partei als einzig wahrhaft oppositionelle Kraft gegenüber dem früheren Staatspräsident Ben Ali und seinem Regime. Ein wirklicher Wechsel wurde mit der Wahl dieser Partei verbunden. Es bleibt zu hoffen, dass sich nun die Demokratie in Tunesien entfalten kann, und dazu gehört auch die Toleranz gegenüber anderen Religionen als dem Islam und vor allem auch gegenüber verschiedenen Formen, den Islam zu leben.
Wurde in Tunesien schon gewählt, ist man in Ägypten keineswegs so weit. Das Militär hat die Situation nach wie vor „fest im Griff“. Wie eine Teilnehmerin unserer Diskussion meinte, war ja das Militär durchaus interessiert an der Revolution, sah sie doch das Ende von Mubarak herankommen. Es wollte seine eigene Haut retten und seine Macht absichern. Diese Rolle und Einstellung des Militärs machte die Revolution leichter, aber den Übergang zur Demokratie schwieriger.
In beiden Fällen – und natürlich auch in Libyen – stellt sich die Frage, was Europa tun kann, um die Transition friedlich und bestimmt in Richtung Demokratie zu unterstützen. Dabei dürfen wir nicht von einem überheblichen Standpunkt der perfekten europäischen Demokratie ausgehen. Denn die gleichzeitig in Bulgarien und Tunesien stattgefundenen Wahlen zeigen einen korrekteren und transparenteren Wahlverlauf in Tunesien. Aber Demokratie besteht nicht nur aus Wahlen, sondern setzt eine Grundeinstellung von Toleranz, Offenheit und Mitwirkung der Bevölkerung voraus.
So meinte der diesjährige Friedenspreisträger Boualem Sansal in seiner Frankfurter Rede: „Man braucht (…) ein wenig Toleranz bei den Gläubigen, ein wenig Demut bei den Intellektuellen, ein wenig Redlichkeit bei den staatlichen Institutionen, ein wenig Aufmerksamkeit von Seiten der internationalen Gemeinschaft“. Und man sollte vor allem die vielen kulturellen Einflüsse, die den Mittelmeerraum über Jahrhunderte geprägt haben, nicht verleugnen. Entscheidend ist aber eine neue Rolle für die Frauen, die oftmals „eine bevorzugte Zielscheibe der islamistischen Horden“ gewesen sind. „Die Frauen aber haben großartigen Widerstand geleistet, und mit ihrem Bemühen, einen permanenten schwierigen Alltag zu bewältigen, bauen sie unsere Zukunft auf. Und überhaupt sind sie wie stets unsere letzte Zuflucht“.