Der Wert der Moderation

Swoboda Die französische Zeitung Le Monde hat am Freitag immer eine Literaturbeilage. Zwei Beiträge schienen mir letzte Woche besonders interessant, einer des Philosphen Alain Finkielkraut und einer der Schriftstellerin Anne-Marie Garat.

Fienkelkraut beschäftigt sich mit dem Verhältnis Roman zur Realität einerseits und zur Politik andererseits. Dabei bezieht er sich vor allem auf Kundera, der über die 1968er Revolution in Prag von einer „Volksrevolution der Moderaten“ gesprochen hat. Finkielkraut verweist auf die heute oft abfällige Definition des Moderaten. Es wird oft mit Mittelmäßigkeit und Kompromißlertum gleichgesetzt. Aber in Wirklichkeit ist die Demokratie moderat. Sie absolutiert keine Haltung und lehnt das Totalitäre, Einseitige ab. Alle Ideen und Ideologien haben auch ihre Schattenseiten. Von China zurückkehrend, erinnert mich diese Einstellung auch ein Wenig an Ying/Yang. Jede Richtung hat auch ein Wenig von ihrem Gegenteil. Ich sehe darin keine unentschlossene, laue Haltung, sondern eine gewisse Vorsicht und Bescheidenheit bei der Verfolgung seiner Ideen und Pläne. Und gerade angesichts des neu aufkeimenden Nationalismus in Europa sollte man den radikalen, einseitigen Forderungen Skepsis gegenüber zeigen und sich zum Moderaten, zum Kompromiss bekennen.

Der zweite interessante Beitrag in Le Monde bezieht sich auf ein Photo mit Hochhäusern im Hintergrund, alten Siedlungen in der Mitte und spielende Kinder in ungepflegter Umgebung im Vordergrund. Dieses Bild könnte aus vielen Regionen unserer Welt stammen, nicht zuletzt aus China. Es ist ein Symbol der heute allseits anzutreffenden Globalisierung. Das Bevölkerungswachstum und die wirtschaftlichen Umstrukturierungen, nicht zuletzt in der Landwirtschaft, machen solche in diesem Photo abgebildeten „Landschaften“ immer häufiger zur Realität. Aber dennoch sollten wir mit viel mehr Sensibilität und Vorsicht an die Entwicklung von Stadt und Land herangehen. Nicht zuletzt, um humane Gesellschaftsbeziehungen zu ermöglichen. Auch diesbezüglich ist also Moderation angesagt.