Die globalen Verhältnisse haben sich verschoben

Swob_WienTag_040601_Zinner-235Die letzten Wochen haben für jeden und jede, die ein wenig die Nachrichten verfolgt haben, deutlich gemacht, wie sich die globalen Verhältnisse verschoben haben. Und das sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Bereits seit einiger Zeit hat sich abgezeichnet, dass sich die drei neu entwickelten Industrienationen aus der Dritten Welt, Indien, Brasilien und Südafrika, im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gemeinsam und oftmals gegen die EU und USA aufgetreten sind. Zum Beispiel gegen eine militärische Intervention in Syrien. Wenn sie, wie auch in diesem Fall, die Unterstützung der zwei Vetomächte Russland und China haben, dann kann aus dieser Opposition eine echte Blockade werden. Jedenfalls hat sich auch bei dieser Gelegenheit gezeigt, dass eine einmal gewährte Intervention wie im Falle Libyens keine Garantie für eine weitere Genehmigung ist. Vor allem dann nicht, wenn sie von den intervenierenden Mächten so extensiv ausgelegt wird wie im Falle Libyen.
Aber auch das jüngste G20-Treffen in Südfrankreich hat gezeigt, dass ohne die oben genannten Länder vor allem aus der Dritten Welt nichts läuft. Dabei sind sie bereit, Europa aus der Patsche zu helfen und in unseren Rettungsfonds zu investieren bzw. den globalen Finanzinstitutionen mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Aber dann wollen sie auch mehr Mitsprache haben und gemäß ihrer zuletzt gewonnenen Stärke berücksichtigt werden. Allein, dass der Chef des Stabilitätsfonds in China um Geld „gebettelt“ hat, wäre vor einiger Zeit undenkbar gewesen. Ich hoffe, jetzt wird einigen klar, wie es um Europa steht. Und wir sollten daraus den Schluss ziehen, Europa zu stärken, um nicht ganz von den anderen alten und neuen Mächten abhängig zu sein.

PS.: Was in der jetzigen Lage bedenklich ist, ist die Tatsache, dass einige versuchen, ihre noch vorhandene militärische Stärke auszuspielen. Und dabei bin ich besonders besorgt über die Planungen – gemeinsam mit Israel – den Iran anzugreifen, um dort wirkliche oder vermeintliche Atomanlagen anzugreifen. Ich hege keine Sympathie für das iranische Regime und dabei auch nicht für ihre Politik der Atomrüstung. Aber eine solche militärische Aktion in diesem heiklen Raum halte ich für besonders gefährlich. Und übrigens, auch dadurch kann man den westlichen Machtverlust nicht wettmachen!
Auch die „Bestrafung“ der Unesco durch Israel und die USA, weil diese die Palästinenser als Vollmitglied aufgenommen haben, ist ein hilfloser, aber nichts desto weniger skandalöser Versuch, Macht zu zeigen. Es ist auch ein besonders krasser Mangel des Respekts für demokratische Entscheidungen. Ich kann wirklich nicht verstehen, warum Präsident Obama all seinen außenpolitischen Kredit, jedenfalls den gegenüber der arabischen Welt, so verspielt.

Wien, 5.11.2011