Die Krise in der Ukraine

Arseni Jazenjuk, der Übergangspremier der Ukraine, meinte kürzlich, dass die Krise im Verhältnis Ukraine-Russland in Wirklichkeit eine europäische Krise ist. Er hat damit nicht ganz Unrecht. Aber er macht es sich auch zu einfach. Er muss sich überlegen, was zu tun ist, um die Spannungen abzubauen. Die ersten Schritte, die die neue Regierung bzw. das alte Parlament gemacht haben, waren diesbezüglich keineswegs positiv. Die Aussetzung des Gesetzes zur Anerkennung der Minderheitensprachen war nicht vom europäischen Geist geprägt. Es wurde dann zurückgezogen und eine Neubearbeitung der Gesetzeslage für die Minderheitensprachen soll mit Hilfe europäischer Experten erfolgen. Wenn man die Geschichte des Landes kennt, dann ist vor allem das Russische nicht nur irgendeine Minderheitensprache, sondern die Sprache eines wichtigen Teils der Bevölkerung, den man mit mehreren anerkennenden Gesten gewinnen wird müssen. Aber davon merke ich nicht viel.

Eine besondere Situation ergibt sich für die Krim. Sie hat eine lange zum Teil tragische Geschichte, insbesondere was die Krimtataren betrifft. Diese muslimische Gemeinschaft wurde unter Stalin deportiert und konnte erst spät wieder in ihre Heimat zurückkehren. Die Krim wurde überhaupt erst 1954 von Chruschtschow der Ukraine „geschenkt“, was in der Sowjetunion nicht allzu viel bedeutete. Jetzt allerdings entstand daraus ein Problem. Insbesondere nach dem sich das, in dieser autonomen Region befindliche Regionalparlament, für eine Trennung von der Ukraine aussprach und ein Referendum für den 16. März angesetzt wurde. Der russische Präsident Putin unterstützt diese Lostrennung aktiv. Das allerdings widerspricht dem Abkommen von Budapest, in dem auch Russland die territoriale Integrität des Landes anerkennt.

Das Völkerrecht ist also klar. Aber wie sieht die Lage politisch aus? Die Abtrennung des Kosovo hat der Westen aktiv unterstützt. Und es gab auch Gründe dafür. Immerhin wurde sogar Serbien bombardiert zur Unterstützung der albanischen Kosovaren. Und jetzt meinen einige, man sollte militärische Aktionen planen, um eine Abtrennung zu verhindern! So einfach darf man es sich nicht machen. Auch wenn hier Russland gegen das Völkerrecht verstößt, wie übrigens die USA und ihre europäischen Verbündeten im Falle der Irak Invasion – so sollte man dennoch einen kühlen Kopf bewahren und versuchen eine politische Lösung anzupeilen.

Das wird allerdings nicht leicht sein. Denn die russischen Aktionen folgen einer bestimmten putinschen Logik. Putin und seine Gefolgsleute scheinen ein Interesse daran zu haben, an der Grenze zum „Westen“ eine Kette von verbündeten Regionen und vielleicht sogar möglichen Unruhestiftern zu haben. Südossetien, Abchasien, Transnistrien und jetzt auch die Krim. Wenn man sich die politische Landkarte ansieht, dann erkennt man eine solche Perlenkette von „abtrünnigen“ Regionen, abtrünnig von Georgien, Moldawien und jetzt auch der Ukraine. Insofern ist Wachsamkeit geboten. Da verstehe ich auch manche Sorge in ehemaligen Ländern des Ostblocks oder gar der Sowjetunion, wie die der baltischen Staaten. Allerdings wird auch dort nicht genug getan, um die russischsprachige Bevölkerung zu integrieren.

Wie sollen wir uns nun gegenüber Russland verhalten? Russland ist und bleibt ein wichtiger meist korrekter Handelspartner, aber oft ein schwieriger politischer Partner. Da weiß ich nicht, ob Sanktionen helfen. Insbesondere angesichts der Abhängigkeit vieler Länder von russischen Gaslieferungen. Auch Russland ist davon abhängig, uns das Gas zu liefern, allerdings kann Russland auch andere Abnehmer finden und leichter einen Winter ohne Gaslieferungen an Europa überstehen, als viele von uns ohne Gas Bezug. Und leider haben auch einige europäische Länder Projekte alternativer Gaslieferungen wie die Nabucco Pipeline torpediert und lieber auf Gaslieferungen durch den russischen South Stream gesetzt. Und einige, so wie Ungarn und Bulgarien, setzen auch auf verstärkte Zusammenarbeit mit Russland hinsichtlich der Nukleartechnologie!

Wenn eine Großmacht gegen das Völkerrecht verstößt, und die Opfer kleinere Länder sind, dann ist es schwer diese Verletzungen zu ahnden. Das ist äußerst unbefriedigend. Aber vielleicht  müssen wir uns eine langfristige Strategie überlegen, wie wir Russland, trotz der autoritären Politik Putins im Inneren, sowie auch gegenüber seinen Nachbarn, in eine europäische Sicherheitsstrategie einbauen können. Sicher geht das nur, wenn wir uns,  was die Energielieferungen betrifft, stärker von Russland unabhängig machen. Nur eine klare und langfristige europäische Strategie kann uns helfen, um der Strategie von Putin, seinen Einflussbereich zu vergrößern und dabei die territoriale Integrität und Souveränität bestehender Staaten zu zerstören, etwas Überzeugendes entgegen zu setzen.