Drei freie Sitze in Rom!

In den nächsten Wochen gibt es drei Sitze, drei wichtige Posten zu besetzen. Erstens den des Papstes, für den der Ausdruck Sedisvakanz geprägt wurde. Fraglich ist ob die Kardinäle jemand wählen werden, der zu wichtigen Reformen bereit ist. Denn dieser würde auch vielen von ihnen auf die Füße steigen. Denn es ist ja kein Geheimnis, dass sich die Katholische Kirche in einer tiefen Krise befindet und nicht nur die Kurie im Vatikan. Reform und Veränderungen sind also dringend angesagt.

Grundsätzlich gilt dasselbe auch für die italienische Politik und die Ernennung eines neuen Ministerpräsidenten. Pier Luigi Bersani, der eine „Siegniederlage“ erfahren hatte, sucht nach einem Ausweg. Ich halte seine Entscheidung, keine Koalition mit Berlusconi einzugehen für absolut richtig. Das wäre das Gegenteil eines Weges der Reformen. So bleibt ihm nur die Annäherung an die Abgeordneten und Senatoren von Beppe Grillo. Dabei gibt es natürlich einige Hürden zu überwinden.

Erstens betrachtet Grillo Bersani als Relikt einer überkommenen Politik. Ich glaube, Bersani hat das Zeug und den Willen zur Veränderung. Die Frage ist aber, ob er Grillo davon überzeugen kann. Und daher rufen schon einige nach dem Bürgermeister von Florenz Matteo Renzi, einem der Gegenkandidaten von Bersani bei der Vorwahl zum Kandidaten, für das Amt des Ministerpräsidenten.

Dann gibt es auch inhaltliche Probleme. Wenn die „Grilli“, also die gewählten Vertreter von Grillo, Reformen und zwar grundlegende Änderungen verlangen dann kann das für Italien sehr positiv sein. Aber sie lehnen auch viele wichtige Projekte ab, so wie die Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Lyon und Turin und ähnliche Projekte. Und auch die Idee, Demokratie vornehmlich als direkte Demokratie zu definieren und übers Internet zu praktizieren ist kein Fortschritt im Richtung mehr und lebendige Demokratie. Dass sie über Europa und den Euro allzu simple Vorstellungen haben, kommt hinzu. Aber dies sind alles Vorstellungen über die man diskutieren kann und die abgewandelt und verfeinert zu einem politischen Kompromiss führen können.

Und da kommt dann auch eine europäische Komponente zum Vorschein. Denn wir müssen uns klar sein, welche Vorstellungen wir gerade auch als SozialdemokratInnen von unseren Gesellschaften haben. Und wie wir das Verhältnis zwischen lokaler, regionalen, nationaler und europäischer Ebener und den Institutionen gestalten wollen. Gerade als begeisterter Europäer meine ich, dass wir nicht einfach so weiter machen können wie bisher.

Wir müssen Europa und die europäischen Politiken, Maßnahmen und Instrumente viel mehr erklären und begründen. Und wir müssen sie mit den nationalen, regionalen und lokalen Ebenen und Anstrengungen viel mehr verknüpfen. Weder ein Diktat aus Brüssel noch aus Berlin kann eine wohl durchdachte und erklärte Politik ersetzen! Das sollten uns die Proteste bei den Italienischen Wahlen und auf den Straßen in Sofia lehren. In beiden Fällen gilt was der Schriftsteller Mario Fortunato für Italien feststellte: “ In Italien hat nicht die Unregierbarkeit gesiegt, sondern der Wunsch nach etwas Neuem.“

Man darf auch nicht vergessen, dass mancher Protest auch noch heute seine Wurzeln in der Ablehnung und im Kampf gegen die langjährige Fremdherrschaft in diesem Land hat. Dieser Protest hatte oftmals etwas clownhaftes und theatralisches. So ist es auch noch heute. Nichts desto trotz sollte man diesen Protest ernst nehmen. Und wenngleich Merkel sanftere und diplomatischere Aussagen tätigt und vorsichtigere Beurteilungen zum Ausdruck bringt als ihr Gegenkandidat Steinbrück, so ist doch sie und ihre sture Forderung nach eiserner Budgetdisziplin mitverantwortlich für den Wahlausgang in Italien und für die krisenhafte Entwicklung in anderen Ländern. Jedenfalls hat Mario Monti sein besonders schlechtes Abschneiden auch der deutschen Bundeskanzlerin zu verdanken.

Der dritte Posten, der zu besetzen ist, ist vielleicht nicht der wichtigste, aber dennoch nicht unbedeutend. Staatspräsident Giorgio Napolitano, verlässt in den nächsten Wochen sein Amt. Ich kenne ihn noch als Kollegen aus unserer Fraktion im EU- Parlament. Er ist ein nobler, selbstbewusster Herr, in dem man kaum einen ehemaligen Kommunisten vermutet. In der Zeit eines Berlusconis, hat er eine wichtige mäßigende Rolle gespielt. Und insbesondere im Übergang von Berlusconi zu Monti. Auch jetzt spielt er eine Schlüsselrolle. Auf seinem Nachfolger kann eine ähnliche Bedeutung zukommen.

Schließen möchte ich diesen Kommentar mit den Worten eines Leitartikels in der Neuen Zürcher Zeitung: „Mit einigem Optimismus kann man auf einen Neubeginn hoffen: Junge Leute vertreiben die Dinosaurier, eine neue Generation übernimmt die Macht, auch in den etablierten Parteien. Die Kraft des Tsunami könnte der ganzen Gesellschaft neuen Schwung geben. Es wäre gut für Italien.“ Und ich möchte hinzufügen, es wäre auch gut für Europa.