Ein widersprüchlicher Besuch in Serbien

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Serbien

 

Gemeinsam mit dem  sozialdemokratisch orientiertem Forum für Demokratie und Solidarität veranstaltete die S&D Fraktion im EU Parlament eine Tagung zur Lage der Roma in Serbien. Vor der Beschäftigung mit dem Roma Thema allerdings absolvierte ich ein umfangreiches Besuchsprogramm zur generellen Lage in Serbien und speziell in der Vojvodina.

 

Also ging es zuerst nach Novi Sad der Hauptstadt  der Vojvodina. Lange hat die Regierungsmehrheit die auch Regionalparteien aus dieser Region umfasst um ein Autonomiestatut gerungen. Vor einiger Zeit ist dies gelungen, wobei vor allem die „Ungarische Partei“ ein großes Interesse an der Autonomie hat. Sie ist zwar auch in der Vojvodina eine Minderheit, allerdings hat sie naturgegeben dort eine stärkere Stellung als in Serbien insgesamt. So waren auch die politischen Vertreter der Ungarn, die ich zuvor schon in Belgrad und Brüssel getroffen habe wie Istvan Pastor zufrieden mit der gesetzlichen Neuregelung. Allerdings bestand er genauso wie der Präsident des Regionalparlaments Sandor Egeresi auf einer zügigen Umsetzung mit entsprechender finanzieller Untermauerung des Autonomiestatuts. Bei einem Gespräch mit der Demokratischen Partei, die bei den letzten Parlamentswahlen einen besonderen Erfolg in dieser Region errungen hat, zeigte sich allerdings, dass die Vojvodina weitaus vielfältiger ist und neben der ungarischen Minderheit viele Kroaten, Slowaken, Rumänen etc in der Region wohnen. Jedenfalls kann Serbien mit Stolz auf  das neue Statut für diese durch und durch europäische Region  blicken.

 

Nach den Gesprächen in Novi Sad ging es nach Sremska Mitrovica. Dieses Ziel hatte einen Grund, nämlich den Besuch des Denkmals für die Opfer der kroatischen Ustascha die im zweiten Weltkrieg ihr Unwesen trieb. Das Mahnmal stammt von Bogdan Bogdanovich einem ehemaligen Bürgermeister von Belgrad der von Milosevich und seinen Anhängern drangsaliert wurde. Ich hatte die Chance als Stadtrat ihn nach Wien zu holen und ihm auch einige Aufträge zu geben. Und so hatte ich die Gelegenheit diesen großen Humanisten und seine Frau kennenzulernen und ihnen zu helfen.

 

Am nächsten Tag führte die Delegation unter meinem Vorsitz noch mehrere Gespräche in Belgrad. Den Reigen begannen wir mit dem Arbeitsminister Ljajic der auch in der Suche nach dem vermutlichen Kriegsverbrecher Mladic eine Rolle spielt und darüber hinaus eine kleine Sozialdemokratische Partei neu gegründet hat. Dann besuchten wir einen alten Freund den Umweltminister Oliver Dulic und einen ebenso gut Bekannten den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Europaminister Bozidar Djelic. Beide gehören zu den Demokraten, die ebenfalls zur Europäischen Sozialdemokratie zählen. So wie viele andere Abgeordnete des Serbischen Parlaments die wir im Laufe des Tages sahen und mit denen wir eine engere Kooperation vereinbarten.

 

 Die Demokraten mit ihrem Vorsitzenden Boris Tadic, dem Staatspräsidenten spielen die tragende Rolle in der Regierungskoalition und bei der Europaorientierung Serbiens. Auch wenn diese Orientierung manchen in der EU aber auch in Serbien zu gering ausfällt. So zum Beispiel Zarko Korac, den ich ebenfalls noch aus der Zeit kenne, als er unter dem später ermordeten Premierminister Djincic stellvertretender Ministerpräsident war. Heute ist er der einzige Vertreter der kleinen Sozialdemokratischen Union im Parlament. Aber es ist gut, dass es solche Sozialdemokraten gibt, die die Demokraten zu  Reformen drängen, denn es gibt genug politische Kräfte denen die Europaorientierung zu weit geht. Auch wenn sich der Führer der Radikalen, Nikolic an manche europäische Botschafter anbiedert.

 

Auch in Belgrad trafen wir Vertreter der Vojvodina so der Ungarischen Partei und der Sozialdemokratischen Liga aus der Vojvodina. Wie erwähnt unterstützen sie die Demokraten in der serbischen Regierung und sind wichtiger Bestandteil der pro-europäischen Koalition. Aber noch andere sind in die Regierung eingebunden und sind groteskerweise auch Träger der pro – europäischen Mehrheit, nämlich die Sozialistische Partei Serbiens, die einst Milosevich als Vorsitzenden hatten. Sein Nachfolger  Ivica Dacic ist auch stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister. Objektiv gesehen macht er seine Sache gut. Er wiederholte bei unserem Gespräch das, was er schon einmal in Brüssel zu uns sagte: „Ich kann nur erfolgreich sein, da ich als Nachfolger von Milosevich nur positiv auffallen kann.“ Auch er bemüht sich um eine Mitgliedschaft bei der Sozialistischen Internationale und um eine Annäherung an Europas Sozialdemokratie. Allerdings muss er erst beweisen, dass auch seine Anhängerschaft die pro-europäische Wende ernst nimmt.

 

Herzlich und gleichzeitig ein wenig konfliktreich war das Gespräch mit Außenminister Vuk Jeremic. Aber mit ihm ist das immer so und das macht das Gespräch mit ihm auch interessant. Natürlich war der Kosovo ein Gesprächgegenstand. Wir stimmten dabei überein, dass man vorerst das Erkenntnis des Internationalen Gerichtshofs hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung abwarten soll. Dann allerdings meinte ich, sollten neue Initiativen ergriffen werden, um eine einvernehmliche Lösung zumindest zu versuchen. Allerdings wird das nicht leicht sein, denn nicht nur Serbien und Kosovo sind Verhandlungspartner sondern de facto auch viele Länder die Schlussfolgerungen für sich selbst befürchten. Das gilt vor allem für die Staaten, die den Kosovo nicht anerkannt haben, weil sie selbst regionale Abspaltungen befürchten wie Spanien, Slowakei etc. Aber unabhängig von der rechtlichen Frage sind die konkreten Lebensbedingungen der Menschen im Kosovo, nicht zuletzt der Serben zu verbessern  Und auch die Umweltprobleme und der Ausbau der Infrastruktur sollte gemeinsam angegangen werden.

 

Am Abend gab es dann noch Gespräche mit einigen JournalistInnen z.B. von der Fernsehstation B92 die wesentlich am Sturz von Milosevich beteiligt war und von Daily DANAS. Erstaunt war ich, wie auch sie den Kosovo als das zentrale Problem definierten und kein „Nachgeben“ der serbischen Seite befürworteten.

 

Der dritte Tag war den Problemen der Roma gewidmet. Zuerst besuchten wir eine Roma Siedlung in Neu-Belgrad und dann hatten wir eine Konferenz zur Integration der Roma. Was wir in der Siedlung sahen war wirklich erschütternd. Die Menschen, die meist schon mehrere Male umgesiedelt wurden, lebten in dermaßen unmenschlichen und desolaten Verhältnissen, dass man nur von einer Schande für Serbien und Europa sprechen kann. Der ganze Teufelskreis von schlechten Wohnverhältnissen, mangelhafter Gesundheit, geringer bis keiner Ausbildung und Arbeitslosigkeit war hier allzu deutlich sichtbar. Ob es sich um Kinder handelte, denen die Ratten Finger abgebissen hatten oder Bretterverschläge ohne jegliche Isolation oder die Abfallhaufen mitten zwischen den Hütten nicht einmal an einem sonnigen Tag konnte das Elend übersehen werden.

 

Was wir hier sahen bestärkte mich in meiner Meinung, dass sowohl die lokale als auch die europäischen Ebene mithelfen muss die existierenden nationalen Pläne umzusetzen. Gerade in Serbien gibt es gute Pläne der Regierung aber Europa muss mithelfen, dass sie auch von den regionalen und lokalen Behörden umgesetzt werden.