Eindrücke aus Marokko

IMG_9221Ich hatte einen ausgezeichneten und eindrucksvollen  Besuch in Marokko. Im Gegensatz zu den früheren Besuchen kommen mir das Land und seine politischen Vertreter heute viel offener und gesprächsbereiter vor. Der „neue“ König Mohammed VI hat schon angesichts der ersten Luftzüge des Arabischen Frühling einige Reformen angekündigt, die in einem Referendum von der überwiegenden Mehrheit abgesegnet wurden. Und die jüngsten Wahlen haben dann den moderaten Islamisten den ersten Platz gegeben. Diese brauchen aber mehrere Partner, um eine funktionsfähige  Regierung zu bilden.

Von den Islamisten traf ich zwei prominente Persönlichkeiten: den Premierminister und den Minister für Justiz und Freiheit. Der Premierminister ist ein sehr jovialer, sympathischer und umgänglicher Politiker. Nach seinem Hauptanliegen gefragt, antwortete er: der Kampf gegen die Korruption. Und der Justizminister hat auch schon einige Schritte in diese Richtung gesetzt, unter anderem einen korrupten Richter aus Tanger einfach abgesetzt. Zumindest bisher und gerade auch bei meinen Gesprächen mit ihnen, zeigte sich ihre Stärke. Sie wollen die größten Übel in der Gesellschaft beheben und auf die größten Sorgen der Bevölkerung eingehen.

Das ist die Stärke der Islamisten, nicht nur in Marokko: sie werden nicht mit der -korrupten- Macht identifiziert. Sie sind – noch(?)- nicht mit dem Establishment eng verknüpft. Man traut ihnen korrekte Vorgangsweisen und nicht persönliche Bereicherungen zu. Sie wirkten in den Gesprächen und auch in ihrer Kleidung als Vertreter des einfachen Volkes und nicht als Funktionäre einer Oberschicht und auch nicht als ideologische Hardliner.

Natürlicher traf ich auch andere Minister und Politiker, die „laizistischen“ Parteien angehören oder ihnen vorsitzen, so die Minister für Wohnungsbau und für Landwirtschaft und Fischerei sowie den Parlamentspräsidenten und führende Politiker der Sozialdemokraten. Auch sie bestätigten meine Einschätzung der Islamisten und zumindest bisher gibt es keine Klagen über Machtmissbrauch und offene oder schleichende Islamisierung.

Einig werden sich auch alle in der Frage der Westsahara. Allerdings können sie sich für dieses umstrittene Gebiet im Süden eine weitgehende Autonomie vorstellen. Diese ist vor allem nach der Reformrede des Königs, die im Fernsehen übertragen wurde, konkreter definiert und könnte und sollte Gegenstand von Verhandlungen mit der Polisario sein, die jedenfalls die aus der Westsahara geflohenen Saharouis vertritt. Ich glaube nicht, dass eine Unabhängigkeit diese Gebiets heute noch durchsetzbar ist, eine weitgehende Selbstverwaltung aber schon.