ENGLAND OUT – SCOTLAND (AND NORTHERN IRELAND ?) IN ?

Ein Urlaub in Schottland mit Besuchen in Edinburgh, Glasgow, St- Andrews, Isle of Skye etc. haben mir neben Erholung und Sightseeing auch einen kurzen Eindruck über die Hintergründe und die aktuelle Stimmung in diesem Land verschafft. Betrachtet man die Geschichte von der Einwanderung der gälischen Iren über die verschiedenen Versuche, sich gegen die vom Süden einfallenden Engländer zu verteidigen, so sieht man einen starken Willen der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit. Und oftmals hatte man sich Verbündete am Kontinent, vor allem in Frankreich gesucht und auch gefunden. Vor allem daher stammt die starke Beziehung zum europäischen Kontinent. Wie immer haben auch innere Streitigkeiten um Macht und Vormacht dem Feind von Außen, also England, geholfen Schottland mit England staatsrechtlich zu verbinden, was man durchaus auch aus schottischer Sicht als Beherrschung darstellen kann.

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Schottischer Nationalismus

Das Erstarken des schottischen Nationalismus geht schon auf einige Jahre zurück und liegt in einem allgemeinen „Trend“. Durch die anwachsende anti-EU Stimmung in England hat er Zulauf bekommen und sicher hat auch der Brexit klare Unterschiede in der schottischen und britischen Haltung zu Tage gebracht. Natürlich gibt es auch in Schottland Befürworter des EU Austritts, wie es auch in England viele Menschen gibt, die ihr Land in der EU behalten wollen. Aber die klare Mehrheit der EU Befürworter in einem klar abgegrenzten Land hat eine andere Chance als die zum Teil in Städten konzentriert aber doch über England verstreuten Anhänger des Verbleibens. Selbst die neue Premierministerin May musste das anerkennen und reiste als erstes nach Schottland, wobei das Ziel ist, das Vereinigte Königreich zu erhalten. Aber dabei hatte sie doch Wünsche der schottischen Regierung nach einem Sonderverhältnis zur EU anerkennen müssen.

An und für sich wäre ein solches Sonderverhältnis nicht etwas ganz Neues. In unterschiedlicher Form haben Grönland als spezieller Teil Dänemarks und Nordzypern als Teil Zyperns, für die nicht die EU Gesetze angewandt werden, eine Sonderstellung. Nun Schottland eine Sonderstellung zu geben würde eine Reihe Schwierigkeiten schaffen, insbesondere bezüglich des freien Personenverkehrs – außer man würde eine Grenze zwischen England und Schottland einziehen. Und bezüglich Nordirland muss man in allen Fällen sowohl das Verhältnis zu England als auch zur Republik Irland neu gestalten. Wenn man also die internen Probleme des Vereinigten Königreichs betrachtet und die unterschiedlichen regionalen Wünsche mit einbezieht, dann ist der Brexit noch viel schwieriger zu organisieren als ohne diese Sonderfaktoren.

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Vom Einzelfall zu neuen Grundsätzen?

Die grundsätzliche Frage, die sich im Zusammenhang mit dem Sonderfall Schottland stellt, ist natürlich wie man solche Abspaltungen und den damit zusammenhängenden Nationalismus bewertet. Derzeit müssen wir den Fall Katalonien mitbedenken, in Hinkunft kann es natürlich noch andere Fälle geben. Vor allem diejenigen EU Mitglieder die die Unabhängigkeit des Kosovo –noch nicht anerkannt haben, wie Spanien, Slowakei, Rumänien, Griechenland und Zypern manchen sich Sorgen um ihre eigene staatliche Kohäsion und entsprechende Abspaltungstendenzen.

Auf der anderen Seite kann man auch überlegen, ob nicht die EU insgesamt locker und mehr als Verbund mit wechselnden Zugehörigkeiten zu einzelnen EU Bestandteilen auf- bzw. umgebaut werden sollte. So etwa auf dem Vorbild der Schengen- und der Eurozone, nur noch mit viel mehr Variationen. Das würde die EU sicher noch undurchsichtiger und verwirrender machen und auch die Schlagkraft schwächen. Aber man könnte dann parallel zu dieser Dezentralisierung und Vervielfältigung einige Sektoren und Bereiche definieren, wo der Zusammenhang hergestellt und  „vergemeinschaftet „wird. Das müsste dann sicher die Eurozone sein, für die die höchste Stufe der – vor allem wirtschaftlichen – Integration gilt. Das wäre gewissermaßen die Kernzone. Um die herum könnte dann ein Kranz unterschiedlich integrierter Länder geflochten werden, bzw. mehrere Kränze. Das klingt natürlich viel einfacher als es dann auszuhandeln wäre. Aber die BürgerInnen der einzelnen Länder könnten dann mitreden, ob sie die jeweils angesprochene Stufe der weiteren Integration mitmachen wollen oder nicht. Aufhören müsste sich dann, dass ein Veto in einem Land alle anderen blockiert, das ist nämlich eine „Diktatur“ der Minderheit.

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So wie es in Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Spanien unterschiedliche regionale Zuständigkeiten und der, der zentralen Regierung vorgehaltenen Kompetenzen gibt, könnte das auch in der EU erfolgen. Selbstverständlich kann es nicht eine beliebige Anzahl von diversen Kompetenzregelungen geben. Aber es wäre möglich die allen Mitgliedern gemeinsamen, vergemeinschafteteten Kompetenzen zu definieren. Auf der anderen Seite gibt es die, den einzelnen Mitgliedsstaaten zustehenden und gegenüber jetzt erweiterten Kompetenzen und dann noch verstärkte Möglichkeiten zur freiwilligen Zusammenarbeit innerhalb der EU, der sich aber auch nicht-EU Mitglieder anschließen können. Es könnte sein, dass sich über diesen sicher komplizierten Umweg eine starke EU aufbaut, wenn die Menschen merken wie wichtig eine solche ist und dass sie aktiv an der Ausgestaltung mitwirken können. Aber auch in diesem Fall braucht es PolitikerInnen, die Führungspersönlichkeiten sind, und die auch für schwierige und nicht immer populäre Politiken werben können.

Zurück zu Schottland

Unabhängig davon ist Schottland auf jeden Fall eine Reise wert. Es bietet eine herrliche und interessante Natur, sehr freundliche Leute und oftmals auch gutes Essen. Es ist sehr stolz auf seine Vergangenheit/Geschichte, die nicht immer leicht zu durchschauen ist. Aber wie gesagt, sie erklärt das Wiedererstarken der Trennungsgelüste gegenüber/von England. Die Gefahr besteht immer, dass das heutige starke europäische Bekenntnis letztendlich in einen engstirnigen Nationalismus endet. Aber es besteht auch die Möglichkeit durch eine neu gestaltetete EU den Nationalismus abzufangen und in einen Patriotismus zu verwandeln, der mit einem eindeutigen europäischen Bekenntnis vereinbar ist. Da kommt eine schwere Aufgabe auf die EU und das heißt auf uns alle zu.

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