Europa, Nationalismus, Regionalismus und Separatismus

Es ist nicht leicht, ein einiges Europa aufzubauen, wenn immer wieder versucht wird, diesen Einigungsprozess zu konterkarieren. Die Nation bzw. die Bedeutung der Mitgliedstaaten wird oftmals gegen Europa ausgespielt und nun kommt auch ein verstärkter Regionalismus und Separatismus hinzu. Die beiden letzten Phänomene müssten nicht unbedingt gegen Europa gewandt werden. Sie könnten Europa sogar stärken, wenden sie sich sogar gegen einen nationalen Zentralismus und hoffen auf Hilfe von Europa. Aber nach einer eventuellen Unabhängigkeit würden dann Schottland, Katalonien oder Flandern nicht ebenso ihre Einwände gegen „Brüssel“ haben und denselben Nationalismus vertreten.

Daher scheint mir der Separatismus keine Lösung zu sein. Ich bin sehr für die stärkere Berücksichtigung regionaler Besonderheiten. Aber die gibt es ja nicht nur in den momentan vom „Trennungsfieber“ erfassten Regionen (und manchmal könnte man auch Bayern dazu zählen), sondern in vielen anderen Regionen Europas. Dennoch ist der Nationalismus und die besondere Betonung der nationalen „Bedürfnisse“ die größere Gefahr bzw. das gewichtigere Hindernis für die europäische Einigung.

Dabei geht es nicht nur um die generelle nationalistische Einstellung, sondern auch um viele kleine, national begründete Einwände und Vorhaltungen. Als wir im EU-Parlament kürzlich einen luxemburgischen Kandidaten für das Direktorium der EZB ablehnten, bekamen wir viel Kritik seitens luxemburgischer Politiker, dass wir einen Luxemburger ablehnten. Auf die eigentlichen Ablehnungsgründe, nämlich die sehr konservativen wirtschaftspolitischen Vorstellungen und die Tatsache, dass trotz Aufforderungen keine Kandidatin zur Auswahl stand, gingen die Luxemburger Vertreter gar nicht ein.

Und als ich mich kürzlich zur Nachnominierung für den zurückgetretenen Kommissar Dalli aus Malta meldete, gab es ebenfalls einige Stimmen, die mich aufforderten, sich nicht um Maltesische Angelegenheiten zu kümmern. Aber es geht ja um einen europäischen Kommissar und nicht um einen Verterter Malatas bei der EU.

Dass der britische Premierminister David Cameron seine von ihm definierten nationalen Besonderheiten bis zum Exzess vorträgt, ist ja ziemlich offensichtlich. Dabei bleiben viele Interessen der BürgerInnen auf der Strecke. Sogar die „City of London“, also der Finanzplatz London, ist von dieser separatistischen Haltung nicht begeistert. Sind doch die meisten Aktivitäten der Finanzdienstleister der City an der Eurozone orientiert.

Und ich merke, wenn ich solche nationale Einstellungen und Engstirnigkeiten kritisiere, dass selbst manche Fraktions-KollegInnen aus den betreffenden Ländern nicht immer ganz zufrieden sind. Denn letztendlich glauben auch sie oft daran, dass sich zu nationalen Fragen nur PolitikerInnen aus den entsprechenden Ländern melden sollen. Aber ich glaube, dass viele dieser Entwicklungen und Personalentscheidungen ja ganz Europa betreffen. Wenn wir ein gemeinsames Europa aufbauen wollen, dann müssen wir uns alle gemeinsam darum kümmern. Sicher sollen wir dabei auf nationale Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen, aber das kann nicht bedeuten, dass wir zu Fehlentwicklungen einfach schweigen.