Griechenland: Krisenland und EU-Präsidentschaft

Bei meinen jüngsten Besuch in Athen informierte ich mich – gemeinsam mit dem Präsidium der S&D Fraktion im EU Parlament – über die wirtschaftliche, soziale und politische Lage des von einer schweren Krise geschüttelten Landes, aber auch über die Vorbereitung auf die EU-Präsidentschaft im nächsten Halbjahr. Manche fragen, ob es sinnvoll und machbar ist, dass Griechenland am 1. Jänner den Vorsitz im EU-Rat übernimmt. Nun einerseits glaube ich, dass Griechenland genügend Erfahrung besitzt, um eine Präsidentschaft gut abzuwickeln. Anderseits gehe ich davon aus, dass Griechenland, das durch eine Reihe von gravierenden Problemen selbst betroffen ist, diese auch glaubwürdig und mit Vehemenz auf den Verhandlungstisch der EU bringen kann.

Natürlich ist das Land auf Grund der Krise nicht in der stärksten Position und hat auch mit vielen Vorurteilen im „befreundeten“ Kreis der EU-Mitglieder zu rechnen. Aber Griechenland hat entgegen mancher Annahmen und abschätzigen Meinungen ein großes Reformpaket in Gang gesetzt. So wurde zum Beispiel der Staatsapparat wesentlich zurückgefahren. Das hat natürlich nicht überall die Qualität erhöht, aber das ist jetzt die Aufgabe, die es zu erledigen gilt. Und natürlich geht es dabei auch um einen quantitativen Bürokratieabbau. So beklagten sich sowohl Unternehmer, als auch die Bürgermeister der größeren Städte, die wir zu einem Gespräch geladen haben, über eine Überfülle an Vorschriften und notwendigen Genehmigungen, die ihre Tätigkeiten behindern. Nicht alle Reformen werden wahrscheinlich im notwendigen Tempo erledigt werden, aber ich habe den Eindruck, dass viele in der Regierung an der Umsetzung dieser qualitativen Reformen arbeiten.

Leider wird gerade auf solche Reformen seitens der EU und insbesondere seitens der unsäglichen Troika, bestehend aus Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds, nicht genügend Wert gelegt. Anstatt dessen verlangt man noch mehr Austerität und unsoziale Maßnahmen. So wehrt sich die Regierung mit Recht gegen das Ansinnen, Leute, die ihre Wohnungs-Kredite nicht abzahlen können, aus ihren Häusern oder Wohnungen zu schmeißen. Das sind völlig unverständliche Forderungen, die zeigen, wie wenig Sensibilität diese Bürokraten aufbringen.

Generell ist die budgetäre Situation heute weitaus besser als noch vor einem Jahr, allerdings bleibt eine hohe Arbeitslosigkeit insbesondere bei der Jugend ein Pferdefuß für die Entwicklung der nächsten Jahre. Ohne Wachstum in der EU insgesamt und ohne günstigere Finanzierung für die griechische Wirtschaft wird das Land nicht aus der Krise kommen. Das bestätigten auch die griechischen Unternehmer, die ich zu einem Gespräch geladen habe. Es waren durch die Bank erfolgreiche Unternehmer, die auch in der Krise ein deutliches Wachstum verzeichnen konnten. Und sie konnten dies vor allem durch eine Steigerung der Qualität ihrer Produkte bzw. Leistungen – vor allem in traditionellen Sektoren wie dem Tourismus und der Lebensmittelindustrie- erzielen. Aber für ein weiteres Wachstum, so meinten sie, ginge ihnen jetzt die Luft aus. Wachstum auf europäischer Ebene und günstigere Kredite seien notwendig. Aber auch diese können nur durch die europäische Ebene, nämlich durch eine gemeinsame Sicherung eines effizienten Bankensystems, (Bankenunion) hergestellt werden.

Nicht so rosig ist die Situation hinsichtlich der Zuwanderung und des Flüchtlingswesens. Griechenland, als Mittelmeerland und als Grenzland zur Türkei und zum Osten generell, ist stark von Flüchtlingsströmen betroffen. Die geographische Situation mit vielen Inseln macht natürlich die Grenze sehr porös und kaum kontrollierbar. Unabhängig davon hat Griechenland, jedenfalls in der Vergangenheit, vielfach die MigrantInnen durchgewunken und ist kaum seiner Aufgabe als Erstaufnahmeland gerecht geworden. Die Anerkennungsrate als AsylwerberIn war und ist noch immer sehr niedrig, es gibt faktisch nur in Athen eine Stelle, die solche Anträge entgegennimmt. Und die Aufenthaltslager für Flüchtlinge sind in einem katastrophalen Zustand. Auch hier braucht es mehr Europa, denn Griechenland ist angesichts seiner wirtschaftlichen Lage extrem überfordert, mit den Migrationsströmen fertig zu werden. Aber natürlich muss Griechenland auch seine Migrations- und Integrationspolitik deutlich verbessern.

Es bestehen keine Zweifel, dass große Einwanderungsströme in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und steigender Armut den rechtsextremen Kräften besonderen Zulauf bringt. Und so ist es auch geschehen, mit einem deutlichen Zulauf zur Golden Dawn (Goldenen Morgenröte) Bewegung. Glücklicherweise hat die Regierung, nachdem diese Bewegung in Verdacht krimineller Aktivitäten steht, einen Verbotsantrag gestellt. Es ist immer schwer mit gerichtlichen Mitteln gegen politische Bewegungen vorzugehen. Aber die offensichtlich kriminellen Handlungen gaben der Regierung eine legal einwandfreie Möglichkeit, gegen diese rechtsextreme Bewegung vorzugehen.

Griechenland ist nicht außerhalb der Gefahrenzone. Aber die kommende Präsidentschaft ist eine gute Gelegenheit, sich mit diesem Land und seinen Problemen ernsthaft auseinander zu setzen. Europa kann und muss im eigenen Interesse diesem Land wieder auf die Sprünge helfen. Selbstverständlich müssen die Reformen aus dem Land selbst kommen. Ich habe dafür viele gute Ansätze gesehen und viele Menschen getroffen, die zu diesen Reformen bereit sind. Wir sollten sie unterstützen.