Immer neue Entwicklungen in der Ukraine

Die Ukraine hat in den letzten Tagen immer neue Wendungen erlebt und manches steht uns, aber vor allem der Ukraine, noch bevor. Die Demonstranten waren hartnäckiger als viele angenommen haben. Selbst die Oppositionsführer waren darüber überrascht. Und Präsident Janukowytsch hat das auch zu spüren bekommen. Noch einmal versuchte er es mit brutaler Macht, wobei noch nicht klar ist, inwieweit russische Hintermänner und „Sicherheitskräfte“ daran beteiligt waren.

Als der französische, der deutsche und der polnische Außenminister nach Kiew reisten, war dies die letzte Chance, um das weitere Blutvergießen zu verhindern. Und selbst Janukowytsch begriff, dass er keine andere Wahl hatte, als einem Abkommen zuzustimmen. Aber anscheinend war das schon zu spät. Zwar konnten die Vertreter der Majdan Demonstranten zur Zustimmung überredet werden. Aber die Zustimmung des Präsidenten wurde – richtigerweise- als Schwäche interpretiert. Und so blieb die versprochene Räumung des Majdan durch die Demonstranten aus. Janukowytsch floh aus Kiew.

Die Abgeordneten des Parlaments und die hinter ihnen stehenden Oligarchen erkannten die Schwächung des Präsidenten ebenso. Und so mancher Wendehals stimmte plötzlich für Gesetze, die er noch vor wenigen Tagen abgelehnt hat. Aber so ist das in revolutionären Zeiten. Eines der so beschlossenen Gesetze betraf die Freilassung der früheren Ministerpräsidentin Timoschenko, einer Ikone der Orangenen Revolution. So hat die Opposition nun vier Führungspersönlichkeiten und hätte wieder Grund zu internen Auseinandersetzungen. Vielleicht aber können sie sich doch auf bestimmte gemeinsame politische und wirtschaftliche Schritte einigen.

Dazu gehören vor allem drastische Reformen des Wirtschaftssystems.  Das oligarchische System als solches, müsste zerschlagen werden. Es ist untrennbar mit wirtschaftlicher und politischer Korruption verbunden. Das ist allerdings ein Selbstreinigungsprozess, der nicht nur das Lager von Janukowytsch betrifft.

Und dann geht es vor allem um den Erhalt des territorialen Zusammenhalts. Das Land ist geteilt, wenngleich nicht in scharf abgrenzbare Teile. Aber es gibt nun mal Bevölkerungsschichten die mehr nach Russland orientiert sind und vorwiegend oder ausschließlich russisch sprechen. Sie sind vor allem, aber nicht nur, im Osten des Landes zu Hause. Und es gibt Ukrainer die das „ethnische“ Ukrainische betonen und nach Europa orientiert sind. Diese sind vor allem im Westen des Landes beheimatet. In beiden Bevölkerungsgruppen gibt es extreme Nationalisten mit mangelndem Respekt für die andere Bevölkerungsgruppe. Diese Nationalisten gilt es zu isolieren und eine konstruktive Zusammenarbeit zu etablieren.

Was die geo-politische Zukunft der Ukraine betrifft, so ist jetzt nicht die Stunde der Entscheidung gekommen. Aus meiner Sicht hat die Ukraine eine europäische Zukunft, aber dies ist ein langfristiges Angebot. Die Bevölkerung der Ukraine muss vor allem selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen möchte. Es wird ohnedies ein mühsamer und längerer Weg werden.