Algier im Frühling?

Nach Ägypten, Tunesien und Marokko, besuchte ich jetzt auch Algerien. Dies war mein fünfter Besuch. Der letzte allerdings, liegt schon etliche Jahre zurück. Während die anderen Länder einen arabischen Frühling hinter sich haben – ungewiss ist die politische Jahreszeit in der sie sich jetzt befinden – hat Algerien alle jüngeren Proteste bisher ohne Veränderungen überstanden. Nicht einmal Reformen von oben, wie in Marokko hat Algeriens Langzeitpräsident Bouteflika in Gang gesetzt.

Als ich einen seiner Vertrauten, den Parlamentspräsidenten Ould Khelifa nach zukünftigen Reformen fragte, meinte er Algerien hat die wesentlichen Reformen schon hinter sich. Ende der Achtziger des vorigen Jahrhunderts, hat es große Proteste gegeben und das Einparteienregime kam zu seinem Ende. Allerdings waren diese Schritte der Demokratisierung sehr zaghaft. Der mit dem islamistischen Terrorismus begründete Ausnahmezustand wurde erst vor etwa zwei Jahren aufgehoben. Und dennoch weisen viele Menschenrechtsorganisationen auf etliche Verstöße gegen die formell verankerten Grundrechte hin. Und die enge Zusammenarbeit der herrschenden Politik mit der Armee und die Verbindungen zur Öl- und Gaswirtschaft zeugen von der Konsistenz der Macht.

Bei allen Gesprächen mit den Parlamentariern, wie mit dem Außenminister kommt die Angst vor dem islamistischen Terrorismus immer wieder auf. In der Tat, Algerien erlebte einen furchtbareren Terrorismus. Dabei gab es auch immer wieder Behauptungen, dass es auch bzw. vorwiegend einen staatlich gelenkten bzw. organisierten Terrorismus der Sicherheitskräfte gab. Das war auch der Anlass, meiner ersten Reise nach Algerien im Rahmen einer Delegation des europäischen Parlaments. Nach langem Zögern hat man seitens der algerischen Regierung damals dieser Delegation zugestimmt, da man zu viel Kritik der algerischen Sicherheitspolitik befürchtete. Die Frage nach dem “ Wer tötete wen?“ hat die herrschende politische Klasse jedenfalls als eine Zumutung betrachtet. Jedenfalls waren die Behörden sehr froh, als wir wieder das Land verließen.

Heute ist man uns gegenüber nicht mehr so feindselig gestimmt. Aber noch immer ist Algerien ein sehr schwer durchschaubares Land und seine PolitikerInnen sehr ängstlich und nationalistisch zugleich. Allerdings befinden sie sich in keiner leichten Situation mit den Nachbarn Libyen und Mali. Und immer wieder kommen sie darauf zurück, dass dem Terrorismus durch die „westlichen“ Interventionen im Irak und dann vor allem in Libyen neue Impulse gegeben und neue Kämpfer und Waffen zugeführt wurden. An und für sich ist die Sahelzone mit den verschieden Volksgruppen, vor allem den Tuaregs, schon eine sehr sensible und fragile Region. Die mit den Waffen von Gaddafi und zum Teil auch der Alliierten ausgestatteten Tuaregs, haben sich nach dem Sturz des libyschen Diktators in den Süden Algeriens und den Norden Malis zurückgezogen und dortige Spannungen verstärkt.

Nach all dem, was ich in Algier, vom Beauftragten der Afrikanischen Union für die regionale Sicherheit hörte und was uns der sehr versierte und aktive stellvertretende Außenminister für Afrika erklärte, bin ich hinsichtlich Mali nicht sehr optimistisch. Das sehr gespaltene Land hat kaum Politiker, die ein Interesse an einer wirksamen und konstruktiven Politik für die Einheit des Landes haben. Nun wird zwar schon wieder versucht – dreimal hat Algerien schon an Einigungsversuchen mitgeholfen- einen inneren Frieden herzustellen, aber es ist zweifelhaft, ob dieser Versuch zu mehr Erfolg führt.

Den Besuch verwendete meine Delegation allerdings auch, um mit dem Sozialisten des Landes erneut ins Gespräch zu kommen. Sie haben sich neu aufgestellt und zuletzt auch für das Parlament kandidiert und dabei ganz gut abgeschnitten. Am kommenden Parteitag wird auch der langjährige Vorsitzende und Gründer der Partei Ait Ahmet nicht mehr kandidieren. Ait Ahmet war ein Mitkämpfer des Chefs der algerischen Freiheitskämpfer Ben Bella. Nah der Gründung eines unabhängigen Algeriens wurde aber immer mehr eine Einparteienherrschaft daraus und Ait Ahmet distanzierte sich von seinen alten Mitkämpfern und ging schließlich ins Schweizer Asyl und führte von dort aus die Partei.

Er war und ist einerseits eine überragende Persönlichkeit, anderseits aber eine sehr autoritäre. Ich hatte oftmals Streit mit ihm, da ich meinte, dass er die islamistische Gefahr zu gering einschätze. Ich hatte aber auch viele freundschaftliche Gespräche mit ihm, da ich seine konsequente demokratische Haltung schätzte.

Die Sozialisten in Algerien sind so wie alle algerischen politischen Kräfte noch immer durch die französische Kolonialisierung und vom Freiheitskampf, der viele Opfer kostete, traumatisiert. Aber sie sind heute offener als je zuvor und daher wollen wir sie in die Zusammenarbeit sozialdemokratischer Kräfte aus Europa und Nordafrika voll miteinbeziehen. Die Diskussionen mit ihnen waren sehr fruchtbar und Anlass weitere Gespräche zu planen. Vielleicht gibt sich dann wieder eine Gelegenheit, die wunderbare Stadt Algier zu besuchen.