In Südafrika

Foto2Nach meinem Aufenthalt in Mozambique ging es zum Kongress der Sozialistischen Internationale in Kapstadt. Dieser diente für mich vor allem für mehrere Gespräche mit Vertretern europäischer, türkischer, kurdischer und arabischer Parteien. Natürlich wurden in der allgemeinen Diskussion auch die aktuellen wirtschaftlichen Probleme angeschnitten, so auch von mir. Zusätzlich thematisierte ich auch die Rolle der internationalen Konzerne für die Entwicklung von Ländern wie Südafrika oder Mozambique, ein Thema das ich auch bei meinem nachfolgenden Aufenthalt in Johannesburg ansprach. Der Versuch den langjährigen Generalsekretär der SI Louis Ayala durch die ehemalige schwedische Parteivorsitzende Mona Sahlin abzulösen scheiterte leider. Die SI braucht eine tiefgreifende Erneuerung. Aber der Chilene Ayala konnte mit Hinweis auf seine „revolutionäre“ Vergangenheit die Mehrheit der Delegierten aus der Dritten Welt für sich gewinnen.

Sowohl in Kapstadt als auch in Johannesburg besuchte ich Einrichtungen, die an die schlimme Zeit der Apartheid erinnern. In Kapstadt war es das Museum des „District Six“ das an die systematische Vertreibung der einheimischen schwarzen Bevölkerung aus diesem Stadtteil erinnern sollte. In Johannesburg war es das Gefängnis für politische Gefangene, in dem Nelson Mandela auf seinen Prozess wartete und vor ihm schon Mahatma Gandhi inhaftiert war. Die Lebensbedingungen dort und die Diskriminierung zwischen Weiss, Farbig und Schwarz selbst noch im Gefängnis sind heute kaum vorstellbar. Und es ist gut diese Vergangenheit zu dokumentieren. Allerdings darf sie nicht die Konzentration auf die aktuellen und zukünftigen Probleme verhindern. Die Erinnerung an die Gräuel und den Rassismus der Vergangenheit löst nicht die Probleme von heute und verhindert leider auch nicht die aktuelle Xenophobie gegen die Zuwanderer aus dem Rest aus Afrika nach Südafrika.

In Johannesburg besuchte ich allerdings zuerst die Schule die ich noch als Stadtrat von Wien gemeinsam mit Walter Sisulu vom ANC eröffnete. Am Anfang waren es vierzehn SchülerInnen aus Orange Farm, einem der ärmsten Viertel Johannesburgs. Heute sind es über 900 aus demselben Gebiet, das allerdings zu einem Bezirk der unteren Mittelklasse mutierte. Die Eltern müssen auch einen Kostenbeitrag leisten, weil sonst die Schule nicht überlebensfähig wäre. Aber war bei der Gründung der „Schule der Stadt Wien“ diese die einzige, so hat der Saat heute bereits 26 Schulen in diesem Gebiet errichtet. Hoffentlich auch in einer angemessenen Qualität. Jedenfalls war dieser Besuch für mich ein sehr emotionaler, vor allem als ich die Kinder in einer Klasse besuchte und ihre Fröhlichkeit und die der Lehrerin erleben konnte.

Auf meinem Wunsch hin organisierte die EU Kommission ein Arbeitsmittagessen zum Thema der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung aber insbesondere zur Lage der Minenindustrie vor allem nachdem jüngst 34 streikende und zugegebenermaßen zum Teil bewaffnete Minenarbeiter von der Polizei erschossen wurden. Viele in den Medien führen diesen für das Land unrühmlichen Zwischenfall auf die generelle Lage in Südafrika insbesondere auf die Armut und ungleiche Einkommensverteilung zurück. Meine Gesprächspartner, ein Vertreter der Bergwerksbetreiberkammer, aber auch der unabhängige Wissenschaftler Professor Friedman sahen das differenzierter. Sie führten den Zwischenfall von Marikana vor allem darauf zurück, dass die traditionelle Gewerkschaft den Kontakt zu den Mitgliedern und deren Lebensrealität verloren hat und es daher zu einem wilden Streik gekommen ist. Was aber völlig unverständlich ist, ist die mangelnde Vorbereitung auf und Ausrüstung für solche Proteste. Und noch unverständlicher ist das die Überlebenden Bergarbeiter mit einer Mordanklage konfrontiert wurden und nicht die Polizei belangt wird. Inzwischen wurde diese aber wieder fallen gelassen.

Aber generell scheint mir sowohl in Südafrika als auch in Mozambique das Verhältnis zwischen den internationalen Konzernen, die die lokalen Bodenschätze ausbeuten und den Aufgaben der nationalen, regionalen und lokalen Behörden nicht geklärt zu sein. So bleiben, trotz sicher nicht unbedeutenden finanziellen Leistungen der Konzerne für soziale Leistungen, die Lebensbedingungen der Arbeiter oft miserabel. Kredithaie nützen die schlechte Finanzlage der Arbeitnehmer zusätzlich aus, was sie in eine noch prekärere Lage bringt. Die Konzerne argumentieren, dass sie angesichts der oft schlechten Konjunkturlage keine höheren Löhne zählen können. Und was die Abgaben betrifft so sind nach langen Verhandlungen zwischen den Minenbetreibern und der Regierung profitabhängige Lizenzgebühren vereinbart worden.

Für mich war die Diskussion insofern interessant als ich in den nächsten Monaten die Frage der Rolle der „Extractive Industries“ von Kohle über Gold und Platin bis zu Erdöl und Erdgas thematisieren möchte. Denn da haben wir Europäer eine große Verantwortung. Wir sind – noch- die größten Abnehmer vieler dieser Produkte und zum Teil handelt es sich um europäische Konzerne die weltweit agieren. Und wir sollten mithelfen, dass die Bevölkerung in den Ländern mit den entsprechenden Ressourcen und natürlich auch die Arbeitnehmer zu ihrem gerechten Anteil kommen.

Aber nochmals zurück zur Lage in Südafrika. Im Lande selbst aber auch außerhalb hört man immer wieder verschiedene Meinungen über die südafrikanische Erfolgsstory bzw. Über die enttäuschende Rolle der Regierungspartei ANC. Prof Friedman meinte, angesichts der Jahrhunderte an Unterdrückung und Diskriminierung hat sich das Land seit Ende der Apartheid gut entwickelt. Sicher gibt es Diskussionen im ANC selbst und eine zu große Distanz zwischen dem ANC und der Bevölkerung. Aber der ANC war nie sehr nahe an den Armen und vertrat mehr die Mittelschicht, auch wenn er von den Ärmeren und nicht der Mittelschicht gewählt wird. Aber das große Problem ist die enge Beziehung zwischen der Politik und den wirtschaftlichen Interessen, man kann auch Korruption dazu sagen. Und das ist ja nicht nur das große Problem in Südafrika. Leider sind auch manche Jüngere wie der vor kurzen ausgeschlossene Jugendchef des ANC, einer der extrem populistischen Politiker des Landes, selbst auf schwer nachvollziehbarer Weise reich geworden.