In Warschau

warschauIch erinnere mich noch gut an die vielen negativen, um nicht zu sagen abfälligen Kommentare, als Polen der EU beitrat. Und als dann die Kasczinski-Brüder die Macht übernahmen, habe auch ich mich gefragt, ob wir da nicht ein Kuckucksei in unserm EU-Nest haben. Aber die Dinge haben sich geändert. Wir haben jetzt eine konservativ-liberale Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk.

Von einem sozialdemokratischen Standpunkt aus gibt es vieles an der Regierungspolitik auszusetzen. Aber sie ist eindeutig positiv zur europäischen Einigung eingestellt und fern der hinterwäldlerischeren Einstellung der PIS-Partei, die heute noch vom überlebenden Kasczinski geführt wird. Dennoch ist es für die polnische Sozialdemokratie nicht leich,t sich im Zweifelsfall, so zum Beispiel nach den nächsten Wahlen, zu Tusk zu bekennen. Denn die PIS hat viele soziale Forderungen auf ihre Fahnen geschrieben, die den sozialdemokratischen Ideen nahe kommen. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik der gegenwärtigen Regierung enthält diese Ideen und Ziele nicht. Dennoch hoffe ich, dass erstens die „Platforma“-Partei unter Donald Tusk nach den Wahlen nicht die absolute Mehrheit bekommt und auf einen Koalitionspartner angewiesen ist und daß das die Sozialdemokraten sind.

Natürlich werden wir als europäische Sozialdemokraten auch die polnische Präsidentschaft schon jetzt im Sinne eines sozialen Europas beeinflussen. Aber angesichts der Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament wird das nicht so leicht sein. Aber diejenigen Auseinandersetzungen über die Grundsätze des Rechtsstaates und der Demokratie, die wir mit dem ungarischen Vorsitz hatten und noch haben, werden wir allem Anschein nach mit dem polnischen Vorsitz nicht haben. Und das ist schon ein Fortschritt. Unsere sozialen Zielsetzungen und der Kampf für Wachstum und Arbeitsplätze bleiben aktuell. Und dazu gehört auch eine langfristig angelegte Lösung der Griechenlandkrise. Und das wird weder ohne eine – wenn auch begrenzte – Beteiligung der Privaten, ohne günstige Kredite für Investitionen und letztendlich ohne Finanztransaktionssteuer nicht gehen.

Da allerdings wird uns auch die polnische Präsidentschaft keine große Hilfe sein. Da müssen wir uns andere Verbündete suchen, so wie beim Ausstieg aus der Atomenergie. Denn die Energielage in Polen mit dem großen Anteil an „schmutziger“ Kohle und wenig Wind und Sonne, legt einen Einstieg in die Atomkraft nahe. Da müssen schon viele andere brauchbare Alternativen angeboten und ausgearbeitet werden, um den Einstieg in einen permanenten Ausstieg zu verwandeln.