Islam-Debatte

IMG_2604Im Zusammenhang mit den Veränderungen in der arabischen/islamischen Welt flammte die Diskussion über den Islam in Europa wieder auf. Aber anstatt einer durch die Ereignisse bedingten differenzierten Sichtweise produzierten einige führende Politiker, jedenfalls in Deutschland, alte Stereotypen. So meldete sich der neue Innenminister Friedrich von der CSU zu Wort: „Der Islam gehört historisch nicht zu Europa.“ Weiters meinte er wörtlich: „Um das klar zu sagen: Die Leitkultur ist die christlich-jüdisch-abendländische Kultur.“ Und der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Kauder hielt wenig später fest: „Der Islam hat unsere Gesellschaft nicht geprägt und prägt sie auch heute nicht. Der Islam gehört damit nicht zu Deutschland.“ Mit diesen Aussagen stehen beide Politiker im Gegensatz zu Bundespräsident Wulff, der knapp nach seinem Antritt ein klares Bekenntnis zum Islam als Teil Deutschlands abgegeben hat.

In Deutschland wird die Rolle des Islam besonders heftig diskutiert, insbesondre seit dem Erscheinen des Buches von Thilo Sarrazin, mit dem er die Deutschen vor der „Abschaffung“ durch die Zuwanderung von Muslimen warnte. Dabei war er nicht der erste. Schon 1981 meinten einige Professoren in ihrem Heidelberger Manifest: „Allein lebensvolle und intakte deutsche Familien können unser Volk für die Zukunft erhalten. Nur eigene Kinder sind die alleinige Grundlage der deutschen und europäischen Zukunft.“ Aber auch in anderen Ländern, insbesondere in Frankreich, wird die Auswirkung der Zuwanderung auf die nationale Identität und die Rolle des Islam nicht zuletzt von Präsident Sarkozy kritisch hinterfragt, um nicht zu sagen politisch missbraucht. Und natürlich verwendet die extreme Rechte, wie ich unlängst in einem längeren Beitrag dargestellt habe, den Kampf gegen den Islam, um daraus politisches Kapital zu schlagen.

All diejenigen, die den Islam aus unserer europäischen Gegenwart weghaben wollen, leugnen die Realität. Der Islam ist Teil unserer Gesellschaften und er ist in vielen Nachbarländern Europas weit verbreitet, oftmals ist er die dominierende Religion. Auch der Hinweis auf die christlich-jüdische Tradition ist äußerst irreführend. Denn erstens hat das Judentum auch einen eigenen Stellenwert und eigene Beiträge zur europäischen Kultur und Identität geliefert. Und zweitens haben das Christentum bzw. christliche Herrscher oftmals die Juden und ihre Kultur vertrieben, in Ghettos abgeschoben oder sogar vernichtet.

Aber es wäre auch falsch, den Islam als eine einheitliche und unveränderbare Religion anzusehen. Vor allem die Muslime selbst haben ein sehr unterschiedliches Verhältnis zur Religion. Und viele wehren sich mit Recht dagegen, nur weil sie Muslime sind, auf diese Eigenschaft reduziert zu werden. Dabei ist es richtig, dass der Islam in vielen Fällen auch heute noch ein umfassendes religiöses, philosophisches, moralisches und gesellschaftliches Projekt darstellt. Und das verleitet manche zu einer fundamentalistischen und totalitären Interpretation des Islam. Manche sprechen dabei von einer Islamisierung des Islam bzw. einer Muslimisierung der Muslime. Aber es gibt viele Muslime, die sich dagegen wehren und diese müssen wir unterstützen. Ein primitiver Antiislam, eine Verunglimpfung der Muslime helfen uns da nicht weiter. Respekt, Anerkennung und ein offener Dialog mit den dialogbereiten Muslimen ist notwendig und hilfreich. Viele Muslime in Europa warten auf diesen Dialog und dieser würde uns auch bei der Unterstützung der Demokratiebewegungen in der arabischen Welt helfen. Und damit würden wir auch uns auch selbst helfen.