Klimapolitik und Wirtschaftskrise

Wenige Tage nach dem furchtbaren Wirbelsturm in Südostasien mit verheerenden Auswirkungen begann in Warschau die 19(!) Weltklimakonferenz. Es wird sich weisen, ob Warschau der geeignetste Ort für eine Konferenz zur Bekämpfung des Klimawandels ist. Denn die polnische Regierung ist oftmals ein Blockierer wenn es Fortschritte in der Klima- und Umweltpolitik betrifft.

Der jetzige polnische Umweltminister verweist immer auf die Notwendigkeit globaler Vereinbarungen – und er hat dabei Recht! Aber wo er irrt ist, dass wir mangels solcher Vereinbarungen keine Maßnahmen in Europa selbst treffen sollten.  Vorsicht ist sicherlich geboten, aber eine vorbildliche Umweltpolitik kann unser Beitrag zum Erreichen von internationalen Abkommen sein.

Vielfach wird der Einwand vorgebracht, dass wir uns keine Verteuerung der Energie leisten können – angesichts der Tatsache, dass die Energie in den USA deutlich billiger geworden ist. Man darf natürlich den Wettbewerbsvorteil der USA – nicht zuletzt auf Grund der ökologisch problematischen Gewinnung von Schiefer Gas – nicht unterschätzen. Aber die Behauptung des polnischen Umweltministers Marcin Korolec, dass die heutige Wirtschaftskrise in Europa auf die teure Energieversorgung zurückzuführen ist, ist schlicht falsch und rein ideologisch.

Wichtig ist die europäische Politik des Energiesparens. Das ist der größte Beitrag zur Reduzierung der Energiekosten für die europäische Industrie. Es ist zwar nicht in allen Produktionen gleich möglich und einige Investitionen europäischer Unternehmungen werden sicher in den USA unternommen werden, wie das auch die VOEST für einen energieintensiven Teil ihrer Produktion vorhat. Das wird man nicht verhindern können. Was wir aber brauchen ist mehr Wettbewerb innerhalb des europäischen Energiemarktes, um möglichst billige Angebote in ganz Europa zu bekommen. Denn sicher haben wir ein großes Interesse, möglichst viele Industrieunternehmungen in Europa zu halten.

Gleichzeitig aber müssen wir die negativen Umweltauswirkungen der Energieproduktion und der Industrie insgesamt reduzieren. Zwar hat die schwache Wirtschaftsentwicklung auch die CO2 Emissionen gedämpft. Aber die Preise für Emissionszertifikate, also die Genehmigungen für diese Emissionen sind in den Keller gefallen. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten konnten sich das Europäische Parlament und der Europäische Rat auf Initiative der EU Kommission einigen, eine größere Summe dieser Zertifikate aus dem Markt zu nehmen. Damit sollte der Preis wieder auf ein Niveau angehoben werden, das zwar weit unter dem ursprünglich angestrebten liegt, aber doch einen Anreiz zur Reduktion der Emissionen schafft. Allerdings auch in diesem Fall war Polen dagegen.

Aber selbstverständlich brauchen wir ein globales Abkommen, um möglichst viel Umweltschutz zu vereinbaren und um die Wettbewerbsbedingungen der insgesamt ökologischeren europäischen Industrie zu verbessern. Dafür bleiben die Verhandlungen aber schwierig. Denn einerseits fordern wir viel, unter anderem vom größten Umweltverschmutzer China. Aber anderseits liegen die Industriestaaten, auch die in Europa, was den Energieverbrauch pro Kopf betrifft weit vorne. Auch bei meinem letzten Besuch in China vor wenigen Wochen wurde das angesprochen. Inzwischen jedoch, weiß China selbst wie wichtig Umwelt- und Klimaschutz für die Lebensbedingungen der eigenen Bevölkerung ist. Und ich erwarte mir einige einschneidende Maßnahmen zur Verbesserungen der Umweltsituation in China und damit global.

Der führend Umweltwissenschaftler Hans Joachim Schellnhuber, den ich bei einem meiner letzten Berlinaufenthalte in seinem Potsdamer Institut getroffen habe und der mich sehr durch seine Seriosität und seinen Realitätssinn beeindruckt hat, meinte in einem Streitgespräch mit dem polnischen Umweltminister:„Die Natur wird zu uns sprechen, und zwar ernste Worte. Es wird Hitzewellen geben, Fluten, Missernten – weil wir das komplexe Klimasystem massiv stören.“ Wir sollten die Zeichen der Zeit erkennen und uns bemühen, wirtschaftspolitische und klimapolitische Anstrengungen auf einen Nenner zu bringen.

Die Wirtschaftskrise darf keine Ausrede sein, um den Klimaschutz fallen zu lassen. Im Gegenteil. wir sollten durch vermehrte Investitionen in den Umweltschutz – Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Erhöhung der Energieeffizienz, Einfangen und Lagerung von CO2 (CCS) etc. – auch einen Beitrag zur Schaffung neuer Arbeitsplätze leisten. Die Lösung der wirtschaftlichen Probleme von heute und die Erreichung klimapolitischer Ziel von morgen sind durchaus vereinbar.