Nachhaltiges Wachstum, Arbeitsplätze und Steueroasen

Seit langem schon beschäftigt mich die Frage, wie wir in Europa zu einem neuen Job orientierten Wachstum kommen können. Und vor allem, wie wir in den südlichen Ländern unseres Kontinents ein nachhaltiges Wachstum in Gang bringen können. Denn so sehr ich auch die neo-liberalen Empfehlungen an diese Länder kritisiere, so sehr kritisiere ich deren Passivität, was die eigenen Vorstellungen eines Weges aus der Krise betrifft. Auf die EU Kommission und vor allem auf Merkel & Co zu schimpfen, ist zu wenig. Deutschland sollte nicht den überheblichen Lehrmeister spielen, aber man kann viel von regionalen und kommunalen Initiativen lernen. Vor allem auch von solchen, die von der EU unterstützt wurden.

In Berlin versuchte ich, einigen solchen Initiativen nachzugehen. So wurde in einem großen Gelände in Adlershof ein eindrucksvolles Forschungs-, Innovations- und Technolgiezentrum errichtet, das auch Start-ups, also jungen innovativen Unternehmungen eine temporäre Unterkunft gibt. Von seiner Größenordnung ist es sicher zu ausgedehnt, aber man kann viel von dem Engagement und den Synergieeffekten einer solchen Einrichtung lernen.

Das Gleiche gilt für das um ein altes Gaswerk herum errichtete Climate KIC, einer Einrichtung des Europäischen Technologie- und Innovations Institut, das auf Initiative von Kommissionspräsident Barroso gegründet wurde. Hier stehen die Umsetzung von Erkenntnissen der Erforschung und Entwicklung von nachhaltigen Innovationen in die Praxis von kleinen, neuen Unternehmungen im Vordergrund. Dieses Klimainstitut hat viele europäische Verbindungen und soll von Berlin aus entsprechende Umsetzungen in vielen Regionen ermöglichen. Beim jüngsten Wettbewerb von Start-ups gewann zum Beispiel ein zypriotisches Unternehmen!

Meinen Aufenthalt in Berlin benutzte ich auch zu einem „Abstecher“ nach Potsdam. Dort befindet sich unter anderem das weltbekannte Institut für Klimafolgenforschung mit seinem Direktor Prof. Schellnhuber. Mit ihm führte ich sicherlich das interessanteste Fachgespräch der letzten Zeit. Er meinte gleich zu Beginn , er verstehe von vielen wirtschaftlichen Fragen nichts, aber als Physiker versteht er etwas von komplexen Systemen. Und in der Tat, er versteht sehr viel mehr von Wirtschaftssystemen als viele einfältige Ökonomen, die unsere heutige Wirtschaftspolitik bestimmen. Anscheinend überfordert sie die Komplexität des Wirtschaftssystems bzw. die unterschiedlichen Charakteristika in den verschiedenen Ländern.

Der Zufall wollte es, dass unser Gespräch zu einem Zeitpunkt stattfand, als in mehreren europäischen Medien über massive Steuerflucht und riesige Beträge in Steuerparadiesen berichtet wurde. Wir bräuchten nur einen Teil dieses Geldes in reale Investitionen umlenken und wir könnten die notwendige ökologische Transformation in Europa mit vielen neuen Arbeitsplätzen in Gang setzen. Ich habe ja schon oft darauf verwiesen, dass Geld vorhanden ist, es müsste „nur“ in die richtigen Kanäle gelenkt werden. Die Energiewende ist finanzierbar, neue nachhaltige Stadttechnologien sind ebenso finanzierbar. Eine verbesserte und ökologisch sinnvolle Infrastruktur ist finanzierbar, aber man müsste den Mut haben, die Anreize am Finanzmarkt zu reduzieren und diejenigen für die Realinvestitionen zu erhöhen.

Nach der großen Finanzkrise hat es ja viele Erklärungen und Versprechungen zur Austrocknung dieser Steuerparadiese gegeben. Geschehen ist fast nichts. Sicher sind entsprechende globale Vereinbarungen, die am wirksamsten wären, schwer zu erreichen. Aber das darf nicht dazu führen, dass wir in Europa die Hände in den Schoß legen. So wird gerade auch Frankreich von einem Skandal erschüttert: der zurückgetretene Budgetminister hatte Monate hindurch geleugnet, ein Konto zur Steuervermeidung in der Schweiz zu haben, bevor er seine Lüge zugeben musste. Präsident Hollande hat nun versprochen, eine „Moralisierung der Politik“ ohne Rücksicht zu verfolgen. Das ist gut so und auch in anderen Ländern wichtig. Aber diese Moralisierung muss mit einer konkreten Politik der Umlenkung der Finanzströme in nachhaltige Investitionen verbunden werden. Gerade Frankreich hat dies bitter nötig.