Noch besteht Hoffnung

Swob_WienTag_040601_Zinner-235Es ist Urlaubszeit und viele gehen auf Reisen. In den letzten Tagen traf ich erfreulich viele, die nach Griechenland fahren. Auch ohne diesbezügliche Absicht helfen sie diesem Land ein wenig und Griechenland hat es notwendig, dass ihm geholfen wird, auch wenn es sich vor allem selbst helfen muss. Andere wieder fahren in den kühleren Norden. Und in manchen Medien fragt man sich, ob der Norden und der Süden eigentlich zum selben Kontinent bzw. in dieselbe Europäische Union gehören.

Dieter Richter in der Süddeutschen Zeitung meint: „Europa ist rund um das Meer der Mitte entstanden, das Vatermeer, wie es Joseph Roth in einem Reise-Essay über Marseille genannt hat. Ein Abschied vom Süden wäre auch ein Ende des Nordens: nur der Gegenpart stiftet Identität.“ Und er meint, der Norden könnte viel von der südlichen Kreativität, Lebenskunst und Improvisation lernen.

Der spanische Schriftsteller Antonio Munoz Molina meint in „Die Zeit“: „Im Gleichgewicht ist Europa nur als Ganzes!“ Andernfalls berauben wir uns dessen, „was unser Wertvollstes ist, das Gleichgewicht zwischen persönlicher Freiheit und Solidarität, zwischen technischer Effizienz und Lebensstil, zwischen Kapitalismus und Gerechtigkeit, wie es nur in Europa existiert.“

Ich gebe beiden völlig Recht. Ich möchte auf keinen verzichten, weder auf den Norden noch auf den Süden mit all den positiven Eigenschaften, die mit beiden Hälften Europas verbunden sind. Aber das ist natürlich eine emotionale Frage. Und leider hat Marc Beise, wieder in der Süddeutschen Zeitung, Recht, wenn er feststellt, dass am Anfang des Euro Gefühl und Verstand standen. Jetzt aber musste er feststellen: „Die Leidenschaft ist weg. Es ist etwas kaputtgegangen, in uns drin, aber auch in Europa. Wir alle, Deutsche, Griechen, die in Brüssel, wir haben es vermasselt.“

Ist es schon zu spät für ein neues Gleichgewicht zwischen Gefühl und Verstand? Ich hoffe nicht. Ja, wir brauchen Verstand, um die Eurokrise zu lösen, viel mehr als viele Staatsmänner und -frauen an den Tag legen. Aber dieses Mehr an Verstand und Rationalität werden wir nur aufbringen, wenn wir auch Gefühl und Leidenschaft walten lassen. Noch besteht Hoffnung für Europa. Wie lange noch?