Offizieller Abschiedsbesuch in Kroatien

Wenige Tage vor der Wahl zum EU-Parlament und wenige Wochen vor meinem Ausscheiden aus diesem Parlament besuchte ich nochmals Kroatien. Dieses Land ist mir besonders ans Herz gewachsen, habe ich es doch als Berichterstatter des EU-Parlaments von Anfang bis zum Ende der Beitrittsverhandlungen begleitet. In diesem Zeitraum habe ich eine überdurchschnittliche Bekanntheit und ich glaube auch Beliebtheit erfahren. Ich habe immer meine Sympathie für das Land und seinen Beitritt zur EU geäußert, aber immer auch auf die notwendigen Reformen gedrängt. Und ich habe immer betont, die EU ist kein Paradies. Aber außerhalb der EU zu bleiben ist sicher keine überlegenswerte Alternative.

 

Auf Grund der vielen Überschwemmungen musste mein Besuchsprogramm geändert werden und die Veranstaltungen in Ossijek und in Pula fielen ins „Wasser“, da große Versammlungen abgesagt wurden. Aber der von mir ausdrücklich gewünschte Besuch in Vukovar fand statt. Diese Stadt hat besonders durch die „serbische“ Aggression im Jugoslawienkrieg gelitten. Hunderte Menschen wurden aus dem Krankenhaus in Vukovar gezerrt gefoltert und dann erschossen und vergraben. Nachbarn der Kroaten, die paramilitärischen Tschetniks, aber auch reguläre Truppen der Jugoslawischen Volksarmee, waren daran beteiligt. In einem sehr einfachen Mahnmal an der Stelle, wo sie gefoltert wurden, wird dieser Opfer einer blinden Aggression gedacht, und ich besuchte es noch einmal. Auch am Feld, in dem die Leichen begraben wurden, wurde eine einfaches Mahnmal erreichtet, an dem wir einen Kranz niederlegten.

 

Aber das Grundverhalten in Vukovar, das an der Donau liegt, wo die andere Uferseite die Grenze zu Serbien bildet, ist nicht Rache, sondern der Versuch, eine neue Zukunft aufzubauen: eine Zukunft des Miteinanders und des Friedens. In einem eigenen Europahaus wird viel dafür getan, auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt. Aber die jungen Menschen, die in Vukovar arbeiten, geben Hoffnung, dass sich diejenigen durchsetzen, die nicht dauernd Rachegefühle im Herzen tragen.

 

Am nächsten Tag ging es nach Rijeka, der Hafenstadt an der Adria. Seit meinem letzten Besuch vor vielen Jahren hat sich die Stadt sehr entwickelt. Dennoch sind der Bürgermeister und der Regionalpräsident bemüht, weiter Investoren in die Stadt und die Region zu locken. Gemeinsam mit einigen Nachbarorten, so auch Opatija, dessen Bürgermeister uns zum Mittagessen einlud, versucht Rijeka zuerst den kroatischen Wettbewerb für die Europäische Kulturhauptstadt 2020 zu gewinnen. Und ein altes Industriegebäude im Zentrum der Stadt, das als Fabrik für die Herstellung von Zucker aus importierem Zuckerrohr diente, wird gerade mühsam renoviert und soll als Kulturzentrum und Museum dem Anspruch auf die europäische Kulturhauptstadt 2020 Nachdruck verleihen. Aber zuerst müssen sich Rijeka und seine regionalen Partner gegen andere Städte wie Split und Vraszdin durchsetzen.

 

Rijeka hat auch eine ganz neue Universität im Campusstil gebaut und versucht, sie auch weiter auszubauen – nicht zuletzt mit EU-Förderungen. Die Diskussion mit den StudentInnen, die ich dort führen konnte, hat das große Interesse an einem starken und sozialen Europa gezeigt. Allerdings ebenso deutlich war der Wunsch, dass sich Europa nicht in einem Kleinkram verlieren sollte.

 

Alle Eindrücke, die ich auch bei diesem Kurzbesuch gewinnen konnte, haben meine Überzeugung bestärkt, dass Kroatien das Zeug hat, sich gut zu entwickeln. Vor allem könnte es den Nachbarn in der Region als gutes Beispiel dienen, wie sie sich selbst auf den Weg nach Europa vorbereiten könnten. Nichts ist umkehrbar, das vermittelte ich auch den engagierten MitarbeiterInnen im Europahaus in Vukovar, während ich auf die Donau blickte und mir vorstellte, wieviel Blut über die Jahrhunderte hinweg diesen Fluss hinunter Richtung Schwarzes Meer floss. Damit sollte es endlich Schluss sein.