Politik und (Bildende) Kunst – einige Anmerkungen zu aktuellen Ausstellungen

Die Auseinandersetzung, inwieweit sich Kunst der Politik widmen soll, ist eine alte. Viele Diskussionen führten dabei zu keinem eindeutigen Ziel. In der Tat sollte man der Kunst nichts vorschreiben, ihr aber auch nichts verbieten. Es kommt auf den jeweiligen Künstler/Künstlerin an, inwieweit er/sie sich auch durch die Kunstwerke politisch äußern will. Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen ist eine durchaus berechtigte Grundlage und Aussage künstlerischer Aktivitäten. Aber dabei sollte das Künstlerische nicht hinter der politischen Aussage zurückfallen. Das ist aber oft dann passiert wenn KünstlerInnen zur Propaganda herangezogen wurden oder sich entsprechend einspannen ließen. Und dennoch kann man manchen dieser Werke keineswegs interessantes Künstlerisches absprechen.

Sozialistischer Realismus

Das gilt unter anderem für die – sowjetische – Kunst des sozialistischen Realismus. Sie erlebt nicht nur in Russland eine Renaissance sondern auch in Ausstellungen im Westen, so unter anderem vor Kurzem in einer großen Ausstellung in der Royal Academy in London. Der sozialistische Realismus hat allerdings auch in anderen kommunistischen Ländern die offizielle Kunstszene beherrscht, so auch in Tirana, wo er vor allem in der Nationalgalerie zu sehen ist. Von dort wanderten auch eineiige Bilder zur aktuellen Documenta in Athen.

Der sozialistische Realismus bekommt vielleicht auch deshalb wieder einen neuen Stellenwert, weil er eine Epoche der Stabilität, der Sicherheit und von starker politischer Führung repräsentiert. Das damit verbundene Leid und die damit einhergehende Unfreiheit und Unterdrückung wird ja verschwiegen und musste damals klar verschwiegen werden. Sie gab es offiziell nicht. Die Kunstwerke des sozialistischen Realismus haben also eigentlich wenig Sozialistisches und schon gar nichts Reales abgebildet, aber sie haben eine Welt vorgetäuscht, nach der sich manche heute – noch bzw. wieder  – sehnen. Das kann man bedauern, aber man sollte es zur Kenntnis nehmen und sich darüber Gedanken machen. Vielleicht steht der „Überkollektivisierung“ von damals ein Mangel an gemeinschaftlichen Werten und Zielen heute gegenüber. Und wahrscheinlich sehnen sich manche heute nach mehr Sicherheit und klarer politischer Führung. Und da kann die Kunst keine Antwort geben, aber die Politik kann sich weder einer Diskussion und noch Antworten entziehen.

Die Documenta in Athen

Natürlich stellt sich überhaupt die Frage, inwieweit Ausstellungen, wie auch die Documenta in Athen, eine politische Aussage treffen können. Die Aufspaltung der Documenta, die zum ersten Mal in einer anderen Stadt zusätzlich zum traditionellen Standort Kassel stattfand, hatte klare politische Hintergründe, vor allem die Wahl von Athen als zweiten Standort. Dass Athen und Berlin bzw. Griechenland und Deutschland eineiige politische bzw. wirtschaftspolitische Differenzen austragen ist ja bekannt. Die Documenta in Athen war auch als Zeichen der Solidarität für Griechenland gedacht. Für einige in Athen war das aber zu wenig. Die Documenta habe die Konflikte beschönigt und es kam zu keiner fruchtbaren politischen Auseinandersetzung argumentierten die KritikerInnen.

Das ist aber ein grundsätzliches Missverständnis. Kunst kann die politische Auseinandersetzung nicht ersetzen, aber sie kann sehr wohl Anregungen geben, auf Konflikte hinweisen und Brücken schlagen. Aber natürlich bleiben diese Anregungen in Kreisen der künstlerischen Elite, vor allem auch der jungen KünstlerInnen inklusive der StudentInnen, „stecken“. Das war bei meinem Besuch in Athen deutlich sichtbar. Dabei wurde durchaus auch den beiden Ländern und deren Bevölkerungen gemeinsame Themen ,wie die Umwelt und die Konsum- bzw. Abfallgesellschaft, behandelt.

Auch die Periode des Nationalsozialismus hatte ja die beiden Länder gemeinsam geprägt, wenngleich die einen die Besatzer waren und die anderen die Besetzten. Das Verhältnis Griechenlands zu Deutschland und auch die „gemeinsame“ Geschichte ist gerade durch die stark von Deutschland vertretene Austerity Politik wieder in das Zentrum politischer Debatten gerückt. Man muss aber auch daran erinnern, dass nur wenige Jahre nach dem Ende der grausamen Besetzung durch Nazi-Deutschland (inkl. Österreich) eine starke Arbeitsemigration in Richtung Deutschland stattgefunden hat. Deutschland war nicht immer der Feind, wie es heute manche griechische Kritiker darstellen.

Afrika und die Kunst

In den letzten Jahren hat die Kunst aus Afrika bzw. aus anderen Regionen mit „primitiver“ Kunst einen größeren Stellenwert in den Ausstellungen bekommen. Von Wien über Paris und bis nach Athen haben jüngst Kuratoren und Museumsdirektoren Afrika und seine Kunst in den Mittelpunkt gestellt oder jedenfalls prominent behandelt. Das galt bzw. gilt für das Leopold Museum in Wien sowie für das Museum Branly in Paris und die Documenta in Athen. Im Leopold Museum wurden die Beziehungen zwischen der Kunst um die vorige Jahrhundertwende und der „primitiven“ Kunst verdeutlicht. Ebenso belegt die Ausstellung in Paris, dass man das Werk von Picasso ohne seine enge Beziehung zur „primitiven“ Kunst, insbesondere aus Afrika, nicht verstehen kann.  Damit stellt sich dann die Frage, inwieweit man diese Kunst mit Recht als primitiv bezeichnen kann.

Eine besondere Ausstellung widmete das Institut du Monde Arabe in Paris der Islamischen Kunst in Afrika. „Die Schätze des Islam in Afrika – Von Timbouctou bis Zanzibar“. Die Ausbreitung des Islams – oder wie es in der Einführung zur Ausstellung richtigerweise heißt, der verschiedenen Formen des Islams – war, wie die Expansion vieler Religionen, von Gewalt und wirtschaftlichen Interessen begleitet. Und dennoch ist die Expansion des Islams eng mit der Verbreitung von Kunst und Kultur verbunden. Das muss man gerade auch den engstirnigen Islamisten entgegenhalten. Die erfolgreichsten Perioden der muslimischen Expansion waren Perioden der Toleranz und der Fusion der muslimischen mit lokalen – vorislamischen – Traditionen und Kunstformen. Und so warnen auch muslimische KünstlerInnen von heute vor der Indoktrination der Jugend, die sie blind macht gegenüber der Vielfalt und der notwendigen Toleranz in unserer Welt.

Auch in einigen Documenta Ausstellungen in Athen kommt Afrika vor, vor allem der Konflikt um Biafra und die Auseinandersetzungen um den und im Kongo sind Stoff für künstlerische Präsentationen. Sie machen deutlich, dass die gegenwärtigen Krisen und Konflikte nicht erklärbar sind, ohne Rückgriffe auf die koloniale und postkoloniale Zeit. Wahrscheinlich symbolisiert Afrika mehrfaches. Einerseits die Sehnsucht nach dem einfachen Leben. Anderseits die Verknüpfung Europas mit Afrika in Zeichen der Globalisierung. Dabei wird auch die Frage gestellt, wer in welchem Ausmaß Schuld an den aktuellen Problemen in Afrika trägt: die Kolonialherren, die lokalen Potentaten, die –islamistischen – Terroristen, der Klimawandel etc.? Afrika unser großer Nachbar mit seinen Fluchtbewegungen nach Europa bleibt jedenfalls eine große Herausforderung und die Kunst kann uns helfen richtige Fragen zu stellen.

Reinheit der Kunst

Eine der Ausstellungen in Athen nennt sich Liquid Antiquity und versucht die Beziehung der modernen mit der klassischen griechischen Kunst darzustellen. Die klassischen Ideale gelten heute kaum mehr. Kunst ist heute vielfältiger und man kann durchaus behaupten chaotischer, jedenfalls in ihrer Präsentation. Aber klar ist, dass Kunst immer auf unterschiedliche Wurzeln zurückgegriffen hat und vielfältigen Einflüssen ausgesetzt war – auch die klassische griechische Kunst.

Heute sind die Einflüsse stärker und globaler. Damit ist Kunst schon als solches zu einer politischen Aussage fähig. Sie ist nicht national/nationalistisch und engstirnig. Sie trägt immer vielen Einflüssen Rechnung. Selbst die KünstlerInnen, die solche Einflüsse leugnen, sind Ihnen ausgesetzt. Aber dennoch gibt es unterschiedliche Arten, wie sie mit diesen Einflüssen umgehen. Die Multikulturalität führt keineswegs zu einem ununterscheidbaren Einheitsbrei. Auf die Qualität der Verarbeitung dieser Einflüsse kommt es an.