Putin und Hitler, Erdogan und Assad

Wenn man einen Gegner diskriminieren und alle auf seine Seite bekommen will, dann muss man den Gegner nur mit den schlimmsten Verbrechern der Weltgeschichte vergleichen. Derzeit geschieht dies insbesondere mit Putin. Unlängst wurde ich zu einer Gesprächsrunde im Rahmen des „Globalen Sicherheitsforums Bratislava“ eingeladen. Es ging um die Ukraine. Zwei Vertreter der Ukraine, darunter ein früherer Stellvertretender Ministerpräsident sowie der frühere Slowakische Ministerpräsident Mikukas Dzurinda und ich siebst hielten die Einleitungsreferate.

Dzurinda war sehr gemäßigt, hinsichtlich Putins Absichten und Strategien sogar etwas naiv. Meiner Meinung nach hat Putin eine klare Strategie. Er will den Einfluss Russlands zweifellos vergrößern. Und zusammen mit den konservativen Kräften in Russland selbst und insbesondere mit der Orthodoxen Kirche versucht er sich als Retter und Verteidiger aller Russen. Der Westen gilt diesen Kräften als dekadent, und die Schwulen und Transsexuellen (siehe Eurovisionssieg durch Conchita Wurst) haben die Gesellschaft unterwandert und die Macht übernommen. Und deshalb hat Putin unter den Rechtsextremen in Europa viele Freunde. Auch sie vertreten vielfach die konservativ-christlichen Werte gegen den „Sittenverfall“. Und der extreme Nationalismus Putins gefällt ihnen auch.

Aber wie dem auch sei, Putin hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er gegenüber etlichen seiner Nachbarn seine Macht ausspielen möchte. So gegenüber Georgien, Moldavien und zuletzt klar auch gegenüber der Ukraine. Dabei gibt es Annexionen wie in der Krim oder die Unterstützung von Separatisten wie in Süd-Ossetien, Abchasien, Transnistrien und im Osten der Ukraine. In all diesen Fällen allerdings hat Putin lokale Verbündete, auf die er zählen kann. Und meistens sind es Bevölkerungsgruppen, die von der Mehrheit bzw. der Zentralregierung vernachlässigt wurden oder sich jedenfalls vernachlässigt fühlen. Aber all dies ist kein Grund, die einseitige und aggressive Putinsche Politik zu akzeptieren.

Ein russischer Vertreter in besagter Diskussionsrunde, der versucht hat, die Ukraine als mitverantwortlich für die Krise darzustellen, wurde sofort lautstark von den ukrainischen Vertretern unterbrochen. Auf meinen Einwand hin, Demokratie bedeute auch offene Diskussion, haben sie sich zurückgehalten. Und am Ende der Debatte kam einer der Ukrainer zu mir, entschuldigte sich für sein emotionelles Verhalten. Allerdings mit dem Argument: einen Russen einzuladen ist als ob man nach Hitlers Besetzung der Tschechoslowakei einen Vertreter des Goebbels-Ministeriums zu einer Diskussion eingeladen hätte.

Kurzerhand wurde Putin mit Hitler verglichen, und jeder russische Vertreter mit einem Sprecher des Propagandaministers Goebbels. Und das ist vor allem eine Verniedlichung der horrenden Naziverbrechen. Ich mag Putin und seine Politik nun wirklich nicht, aber weder die industrielle Vernichtung irgendeiner Bevölkerungsgruppe noch die unbegrenzte Aggression gegen Europa als solches ist erkennbar. Hitler war da ganz anders, und man sollte in der Kritik an Putin differenzierter vorgehen. Dann würde man auch bessere Mittel und Wege finden, um ihm Grenzen für sein Verhalten aufzuzeigen. Vor allem würde man dann auch die eigenen Fehler und Probleme erkennen.

Und dasselbe gilt für den Vergleich des türkischen Premierministers Erdogan mit dem syrischen Präsidenten Assad, der zu einem Konflikt zwischen dem türkischen Oppositionsführer und mir geführt hat. An Erdogan kann man viel kritisieren und das tue ich auch nachweislich. Aber er ist nicht für den Tod von Hunderttausenden Menschen verantwortlich. Und die türkischen Wahlen sind jedenfalls nicht nur Scheinwahlen wie in Syrien. Auch hier gilt, eine differenziertere Kritik würde auch die eigenen Fehler erkennen lassen und könnte Erdogan mehr in Schwierigkeiten bringen als der Vergleich mit Assad.