Reise ins Unbekannte

Nun ganz unbekannt ist mir der Iran, wohin mich meine Reise führte nicht. Ich habe nicht nur viel über das Land gelesen und gehört, sondern ich war auch schon vor vielen Jahren mit dem damaligen Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten im EU Parlament, Enrique Baron, im Iran. Präsident war damals Mohammed Khatami und Präsident des iranischen Parlaments – der Majlis – war ein späterer Präsidentschaftskandidat namens Karubi, der noch immer unter Hausarrest steht. Aber die Dinge haben sich doch geändert seit Hassan Rohani zum neuen Präsidenten gewählt wurde.

Ich bin nicht naiv und weiß auch, dass es noch viele rückwärtsgewandte und undemokratische Kräfte gibt. Aber die neuen Signale, die von Rohani und seinen Leuten ausgehen, die muss man mit gutem Willen beantworten. Und das tat ja schließlich auch Präsident Obama, als er mit Rohani ein langes Gespräch führte. Ohne Illusionen machte ich mich auf den Weg in den Iran und mit viel gutem Willen, meinen Beitrag zur Entspannung zu leisten. Für mich gibt es drei Gesprächsthemen, die nach wie vor die großen Differenzen mit dem Iran kennzeichnen.

1) Mittlerer Osten frei von Atomwaffen statt Nuklearwaffen für den Iran

An der Spitze der Gespräche steht sicher die die atomare Frage. Die EU und die USA und auch viele andere Staaten wollen keine iranische Bombe. Ich will überhaupt keine Atombombe, aber ein Wettrüsten im nach wie vor fragilen und unsicheren Nahen Osten ist besonders problematisch. Sicher, Pakistan hat die Bombe und so auch Indien und Israel. Aber eine atomare Bewaffnung des Irans macht die Situation dieser Region nicht sicherer. Ein neues Wettrüsten durch Saudi-Arabien, Ägypten und anderen ist in diesem Fall zu befürchten. Darum sollten wir jegliche atomare Rüstung eines zusätzlichen Landes vermeiden und im Gegenteil einen atomwaffenfreien Mittleren Osten anstreben.

2) Die Bedeutung des Irans für Frieden und Stabilität im Vorderen Orient anerkennen

Der Iran ist eine wichtige Regionalmacht, die in jegliche dauerhafte Regelung im Nahen Osten einzubinden ist. Natürlich weiß ich um die größer gewordenen Differenzen zwischen Schiiten und Sunniten und damit auch zwischen dem Iran und Ägypten einerseits und dem Iran anderseits. Man kann das auch am syrischen  Konflikt ablesen. Da findet unter anderem ein Stellvertreter-Krieg zwischen den beiden Religionen und den entsprechenden Staaten statt. Beide Seiten liefern Waffen, die einen an das Regime von Bachir Assad und die anderen an die Rebellen, jedenfalls an die radikal-sunnitischen unter ihnen.

Es waren vor allem die Amerikaner, die dem iranischen Regime geholfen haben, ihre regionale Stellung zu stärken. Einerseits, indem sie das dem Iran feindlich gesinnte Taliban Regime in Afghanistan mehr oder weniger erfolgreich bekämpft haben. Anderseits, indem sie das sunnitischen Regime von Saddam Hussein beseitigt haben und den Weg für eine vom Iran abhängige Regierung freigemacht haben. Und es ist auch bekannt, dass der Iran im Libanon einen großen und nicht immer positiven Einfluss hat. Schon aus diesen Gründen bleibt nichts anderes übrig, als mit dem Iran über die Stabilität in dieser Region direkt zu verhandeln. Und auch deshalb sollte man auch die Iraner zu den Genfer Gesprächen für eine zukünftige Lösung des Syrien Konflikts einladen.

Für das Selbstbewusstsein der Iraner ist es wichtig, als Regionalmacht anerkannt zu werden. Und nach all dem, was insbesondere die USA dem Iran im Laufe der letzten Jahrzehnte angetan haben, ist dies verständlich. Ich erinnere nur an das Ende des frei gewählten Ministerpräsidenten Mossadegh, der mit großer Unterstützung der USA gestürzt wurde, nachdem er vorhatte die westlichen Ölgesellschaften zu verstaatlichen. Und auch sonst hat die tatkräftige Unterstützung des Schahs von Persien viel Vertrauen in den Westen vernichtet.

3) Menschenrechte im Iran stärken

Vielfach in den Hintergrund der öffentlichen Diskussion ist die Lage hinsichtlich der Menschenrechte im Iran getreten. Diese ist aber nach wie vor erschreckend schlimm. Viele sitzen aus politischen Gründen im Gefängnis und auch wenn Präsident Rohani einige vorzeitig entlassen hat, ist die Situation keineswegs befriedigend. Und natürlich werden wir auch weiterhin gegen die Todesstrafe, die im Iran gegen Frauen besonders grausam vollstreckt wird, kämpfen. Freie Meinungsäußerungen  und eine echte politische Vielfalt stehen noch immer nicht auf der Tagesordnung. Daher brauchen wie seitens der EU einen effizienten und nachhaltigen Menschenrechtsdialog mit dem Iran.

Ausblick auf die Gespräche

Wie oben erwähnt, sind wir maximal am Beginn eines neuen Verhältnisses zwischen dem Iran einerseits und der EU sowie den USA anderseits. Dem israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu und einigen anderen Hardlinern gefällt die Gesprächsbereitschaft der Iraner ebenso wenig wie die westlicher Politiker. Aber Netanyahu und ähnlich Denkende – wie zum Beispiel im US Senat – wollen weder mit dem Iran noch mit den Palästinensern reden. Frieden ist nicht etwas was bei ihnen hoch oben auf der Prioritätenliste steht. Stabilität wollen sie, aber nur eine solche die ihnen Dominanz und eine weitere Expansion der illegalen Siedlungen garantiert. Jedenfalls fürchten sie, dass ihnen mit und durch eine Änderung der iranischen Politik ein Hauptfeind abhandenkommt. Manche bedauern vielleicht sogar, dass der frühere Präsident Ahmadinedschad mit seiner hasserfüllten Rhetorik gegen Israel von der politischen Bühne verschwunden ist. Ich bin jedenfalls froh darüber.

Verantwortliche Politik heißt sich auch auf ein Risiko einzulassen. Ein altes Sprichwort sagt: „Wer den Frieden will, muss den Krieg vorbereiten“! Ich glaube aber, dass, wer den Frieden will, auch versuchen muss, ihn auch durch Gespräche und Verhandlungen zu erreichen. Das ist jedenfalls die europäische Version der Friedenspolitik. Und man sollte auch geschichtliche Ereignisse nicht überstrapazieren. Immer wieder wird – auch im Falle des Irans – das zum Verhandeln bereiten „München“ entgegen gehalten. Aber Hitlerdeutschland war ein eindeutig auch nach außen aggressives und zu Eroberungen bereites Land. Man kann dem Iran viel vorhalten, aber es ist keine mit Hitlerdeutschland vergleichbare Eroberungspolitik erkennbar.

Und was die Unterstützung ausländischer politischer und militärischer Kräfte betrifft, so gibt es auch andere Länder in der Region wir Saudi Arabien, Quatar etc, die ähnliches unternehmen. Iran ist keineswegs unschuldig an der Instabilität in seiner Nachbarschaft, aber da steht es nicht alleine dar. Wichtig ist es jedenfalls zu versuchen die Entwicklungen zum Besseren zu verändern. Zumindest ist es wert, dies zu versuchen.

Wesentliches Ziel der neuen Regierung im Iran – offensichtlich mit Unterstützung des obersten religiösen und damit auch weltlichen Führers Ali Khameni – dürfte es sein, die harten Sanktionen der USA und der EU aufzuheben. Dabei sollte man sich aber keine Illusionen im Iran machen. Niemand wird bereit sein, diese Sanktionen aufzuheben oder gar nur zu lockern, ohne dass es klare Fortschritte bei den Atomgesprächen gibt. Allzu oft sind wir in der Vergangenheit von der Umsetzung bzw. Nichtumsetzung von Versprechungen enttäuscht worden. Daher brauchen die VerhandlerInnen der EU und der USA nicht nur Versprechungen, sondern auch Taten. Taten, die auch von den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien überprüft werden können. Ich hoffe, dessen sind sich alle im Iran bewusst.

Der Verlauf der Gespräche

Über all diese drei Themen könnten wir mit den verschiedenen Gesprächspartnern in aller Offenheit reden. Die Gesprächspartner waren hochrangige Vertreter des Parlaments, der Majlis, sowie der Regierung aber auch Journalisten und Mitglieder der Zivilgesellschaft. Aus all den Gesprächen konnten wir die Angst erkennen, dass die Reformer unter Präsident Rohani Schiffbruch erleiden würden, wenn es vor allem in der atomaren Frage zu keiner Lösung kommen würde.

Dabei machte ich darauf aufmerksam, dass es des guten Willens beider Seiten bedarf, um einen Kompromiss zu schließen. Wobei man auf der westlichen Seite zwischen den Europäern und den Amerikanern unterscheiden muss. Gerade in den USA gibt es eine Reihe von Vertretern des Kongresses die ohne Verständnis der sensiblen Lage im Iran sogar noch mehr Sanktionen verlangen, um den Iran gefügig zu machen.

Nun, was die Sanktionen betrifft, gibt es sehr unterschiedliche Meinungen über die Auswirkungen auf die Bevölkerung. Einerseits gibt es jedenfalls in Teheran keine sichtbaren Versorgungsengpässe und überall ist Coca Cola – im Iran produziert – erhältlich. Anderseits dürften die ärmeren Schichten unter den Sanktionen leiden, insbesondere betreffend Medikamente. Auf der anderen Seite hingegen gibt es wie bei allen Sanktionen Leute, die aus ihnen einen hohen Profit ziehen und zwar durch einen ausgedehnten Schmuggel, der zu entsprechend hohen Preisen führt.

Mein Eindruck ist, dass die Sanktionen nicht unmittelbar einen einschneidenden Effekt haben, aber die Entwicklung des Irans in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht sehr einschränken. Auch im Iran entsteht langsam eine Mittelklasse, die mit den verschiedenen Einschränkungen nicht zufrieden ist und die von den Machthabern Änderungen verlangen, der Hinweis auf die böse USA (und die EU) zieht nicht mehr so richtig. Um solche drohende Spannungen abzuwehren, versuchte der Präsidentschaftskandidat Rohani ein Programm der Änderungen den WählerInnen schmackhaft zu machen. Nachdem ihm die WählerInnen das Vertrauen schenkten und damit klare Signale an die Politik gesandt haben, hat auch der sehr konservative religiöse Führer Khameni, die oberste Autorität im Staat, Rohani im wesentlichen bisher Rückendeckung gegeben. Aus meiner Sicht sind die Bemühungen von Präsident Rohani um eine Lösung der atomaren Frage ernst zu nehmen. Sie sind nämlich die Voraussetzung für die Lockerung und dann Aufhebung der Sanktionen.

Ebenso ernst nehmen die Iraner das Angebot, an einer Lösung der Syrienfrage mitzuwirken. Sie haben dabei das Interesse an einem einheitlichen Syrien mit stärkerer Stellung der den Schiiten verwandten Alawiten. Aber das muss nicht unbedingt durch einen Verbleib von Bachir Assad ausgedrückt werden. Die Hauptfeinde des Iran sind die „sunnitischen“ Terrorgruppen, die teilweise durch Saudi Arabien und Quatar unterstützt werden. Auch das sollte eine Frage sein, wo die EU gemeinsam mit dem Iran vorgehen könnte. Durch eine vorsichtige Unterstützung der regionalen Rolle des Irans könnte der negative Einfluss radikaler sunnitischen Gruppierungen in Schach gehalten werden. Sicher gibt es dann noch den problematischen Einfluss des Iran im Libanon und seine Haltung gegenüber Israel. Aber auch die war einmal durchaus positiver. Und müsste es natürlich wieder werden.

Aber auch im Inneren haben sich die Verhältnisse – jedenfalls vorläufig – zum Positiven gewandelt. Die Aktionen der unsäglichen Sittenpolizei sind stark eingeschränkt worden und die Menschen sind freier und fröhlicher geworden. Und vor allem gibt es auch bei den Medien eine wachsende Vielfalt und gesteigerten Mut einzelner Journalisten. Und zumindest bleibt zu hoffen, dass bald mehr politische Gefangenen freigelassen werden und auch generell politische Aktivitäten sich frei entfalten können. Was die Todesstrafe allerdings betrifft, müssen wir – so fürchte ich noch lange auf die Abschaffung warten, aber das trifft nicht nur den Iran.

Hinsichtlich der Menschenrechte hatten wir sehr angeregte Diskussionen. So schnell werden wir uns da nicht verständigen können. Auch das Verhalten gegenüber dem prominenten Filmemacher Jafar Panahi ist für uns unverständlich. Er hat ein langjähriges Filmverbot bekommen. Glücklicherweise konnten wir ihn, dem vom EU Parlament ein Menschenrechtspreis (Sacharow-Preis) verliehen wurde, bei einer informellen Begegnung treffen. Er ist äußerst bescheiden und sympathisch, und alles andere als ein Radikaler. Und der Iran sollte wirklich seine Künstler und Intellektuellen nicht bestrafen und diskriminieren sondern schätzen und fördern.

Niemand weiß, wie nachhaltig die von uns beobachteten  Veränderungen sind. Aber all die Reformkräfte, vor allem der jungen Generation, hoffen auf ein Entgegenkommen des Westens und auf eine Verstärkung des Dialogs zwischen dem Iran und den westlichen Vertretern. Und wir sollten sie nicht enttäuschen. Dabei waren unsere Gesprächspartner gar nicht von den Reformkräften im Lande. Sie waren Anhänger des religiösen Führers Khameni, die aber, so wie Khameni selbst, dem neuen Präsidenten eine – bedingte – Unterstützung gewähren. Sie sind religiös konservativ, aber politisch moderat. Und das ist eine Chance für die IranerInnen, aber auch für Europa.