Rumänien im Umbruch

Auch in Bukarest veranstaltete die S&D Fraktion eine Veranstaltung unserer Reihe „Neustart Europa“. Natürlich ging es auch hier um Arbeitsplätze, um soziale Fragen und Arbeitnehmerfreizügigkeit, also das Recht, sich in ganz Europa einen Arbeitsplatz zu suchen. Ich betone immer, dass es sich um ein Recht handelt und nicht eine Pflicht. Aber die Staaten sollten eine Pflicht darin sehen, für möglichst viele Arbeitsplätze im eigenen Land, zumindest im Nahbereich der Menschen, zu sorgen.

Um Arbeitsplätze ging es auch beim Besuch eines nuklearen Forschungszentrums in der Nähe von Bukarest. Es ist ein Zentrum für die Erforschung der nuklearen Anwendung außerhalb des Energiebereichs, insbesondere für die Medizin aber auch zur Bestimmung von Materialeigenschaften, des Alters von Gestein oder Artefakten etc. Neben dem bestehenden Zentrum wird gerade der größte Laser Europas gebaut. Auch er dient ähnlichen Zwecken. Letztendlich geht es um die Erforschung wie die Erde und ihre Bestandteile zustande kamen. Daraus könnte man dann auch Verfahren entwickeln, wie diese Bestandteile heute bzw. morgen und übermorgen produziert werden könnten. Die Bemerkung, dass hier moderne Alchemie, mit dem Ziel Gold künstlich herzustellen, betrieben wird, verneinten die anwesenden leitenden Wissenschaftler keineswegs.

Auch mein Besuch an der polytechnischen Universität und die dort installierten Geräte und Labors haben meinen Eindruck bestätigt, dass Rumänien eine Forschungspolitik höchster Qualität anstrebt und zum Teil verwirklicht. Der Erziehung- und der Forschungsminister, die mich begleiteten, haben ebenfalls einen sehr professionellen und engagierten Eindruck gemacht. Dieses Engagement betraf übrigens auch die Integration der Roma-Bevölkerung in das Ausbildungssystem und die Stärkung der technischen Ausbildung für Mädchen. In diesem Sinn ist erwähnenswert, dass an dieser Universität 50% der StudentInnen weiblich sind, was für eine polytechnische Universität überraschend ist.

Am Vorabend war ich -zum zweiten Mal- in die politische Abendschau der Antenne 3 eingeladen. Das erste Mal trat ich gemeinsam mit dem jetzigen Premierminister Viktor Ponta auf, diesmal mit meiner rumänischen Stellvertreterin Corina Cretu. Es ging dabei fast ausschließlich um den Staatspräsidenten Traian Băsescu, der der Hauptfeind des Senders ist. Nun, normalerweise ist es nicht meine Art, mich in die inneren Angelegenheiten eines Staates einzumischen und den Staatspräsidenten zu kritisieren. Aber Băsescu verhält sich nicht wie ein Staatsoberhaupt, das ausgleichend wirken möchte.

Er mischt sich permanent in die innenpolitischen Auseinandersetzungen ein und ist jüngst -wieder einmal- auch durch Kommentare zu Moldawien negativ aufgefallen. Er meinte nämlich, dass Moldawien, das ohnedies wieder unter starken Druck Russlands geraten ist, sich mit Rumänien fusionieren sollte. Damit könnte sich auch der Beitritt zur EU von selbst erledigen. Dadurch hat er natürlich erst recht den Russen in die Hände gespielt. Manche meinen, dass er, dessen Tochter Geschäfte mit den Russen macht, absichtlich das Interesse Russlands vertritt. Wie dem auch sei, Băsescu schürt permanent aus egoistischen und politischen Gründen Konflikte im Lande und auch in der Nachbarschaft. Und deshalb hab ich mir weder bei der Fernsehdiskussion noch bei Pressegesprächen ein Blatt vor dem Mund genommen.

Zurück zur „Neustart Europa“ Veranstaltung bzw. zum Veranstaltungsort. Das war nämlich das Museum für moderne Kunst. Und dieses ist im, von Ceausescu erbauten, Parlamentspalast untergebracht. Das ist eines der furchtbarsten, megalomanen Gebäude. Aber das Museum moderner Kunst schafft einen besonders interessanten Gegensatz zum diesem historisch-nationalistischen, größenwahnsinnigen Kitsch. Leider, meinte die Kunstdirektorin des Museums, besuchen kaum Rumänen dieses Museum, höchstens ein paar Junge und natürlich Touristen. Aber es ist Wert es zu besuchen.