RUSSLAND, IRAN UND EUROPA

Innerhalb weniger Tage hatten wir im Internationalen Institut für den Frieden zwei interessante Diskussionen: Einerseits zu Iran und anderseits zu Russland. In beiden Fällen handelt sich es nicht um demokratische Länder, wie wir Demokratie in Europa verstehen. Sie werden – unterschiedlich – autoritär geführt. Und beide betreiben eine Außenpolitik mit der sie ihren Einfluss in ihrer „Nachbarschaft“ ausdehnen wollen. Dabei benützen sie auch militärische Mittel und zwar direkt bzw. durch die Unterstützung von para-militärischen Kräften (Milizen), um sich Einfluss zu sichern bzw. Gegner in Schach zu halten. Und beide sind sich in der Unterstützung des syrischen Präsident Assad und der Bekämpfung der sunnitischen Extremisten einig. Wenn es allerdings um Israel geht, hört die Einigkeit auf. Selbstverständlich gibt es viele andere Unterscheidungsmerkmale, aber in diesem kurzen Beitrag geht es eher um die Frage, wie Europa auf diese ähnlichen Verhaltensweisen – die wir auch bei anderen Staaten finden können – reagieren sollte.

Wie kann Europa die notwendige Realpolitik, um Frieden zu sichern mit der Unterstützung der Menschenrechte und der Demokratie in Einklang bringen?  Unterstützt Europa die kurzfristige Stabilität auf Kosten der Menschenrechte? Einfache Antworten gibt es da nicht und man kann sich überhaupt fragen, wie man von außen Entwicklungen in Ländern wie Russland und Iran beeinflussen bzw. wie oder ob man überhaupt mehr Nutzen als Schaden anrichten kann.

Russland unter Putin

Viele fragen sich, ob Putin Russland stark verändert hat oder ob er „nur“ das „wahre“ Russland zum Vorschein gebracht hat. Nun, man kann nicht mit Recht behaupten, dass Putin die Sowjetunion wieder herstellen will, wie viele aus der demokratischen Rechten insbesondere im Baltikum behaupten. Putin ist definitiv nicht Stalin oder auch kein Zar. Aber Putin ist wie Alexander Baunov vom Carnegie Institute in Moskau erklärte der „sakrale Körper des russischen Staates“. Er machte sich selbst zum „Synonym Russlands“. Sicher wurde er – unbewusst und indirekt – durch das westliche Verhalten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – unterstützt.

Es gibt keine schriftliche Zusagen bzw. Vereinbarungen hinsichtlich einer Zurückhaltung der NATO Expansion in Richtung Osten. Aber wahrscheinlich gab es seitens der damaligen Gesprächspartner aus Russland und des Westens ein gewisses Selbstverständnis Russland nicht zu nah „an die Pelle“ zu rücken. Aber insbesondere die NATO und abgeschwächt die EU handelte nach dem Prinzip, „the winner takes it all“. Vor allem die NATO Erweiterung war und ist Putin ein Dorn im Auge. Er machte das bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 und beim NATO Gipfel in Bukarest 2008 ziemlich klar. Aber insbesondere die USA und einige Staaten im ehemaligen Einflussbereich Moskaus wollten durch die NATO Erweiterung die Europäische Sicherheit verstärken.

Auch wenn es beim Abkommen der EU mit der Ukraine nicht um die NATO Erweiterung ging, so war eine deutliche Westorientierung der Ukraine mit möglichen Konsequenzen für die Schwarzmeer Flotte Russlands für Putin ein Grund zum Handeln. Das ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion niemals seine imperiale Vergangenheit aufgearbeitet hat. Dass der Zusammenbruch der Sowjetunion laut Putin „die größte Katastrophe des Jahrhundert“ war, hat auch nicht gerade zu einer Verbesserung der Beziehungen zwischen Russland einerseits und den Ländern des Baltikums, Polens und Rumäniens anderseits beigetragen. Diese Länder haben eine besonders tragische Geschichte im Verhältnis zu Russland und manche tragen das auch heute noch besonders vor sich her.

Die nationalistischen Kräfte innerhalb der russischen Elite – von denen Putin selbst abhängig ist – „unterstützen“ durch ihre unnachgiebige und kompromisslose Haltung genau diese Nationalisten auf der anderen Seite. Leider ist nicht abzusehen wann Russland und die ehemaligen von Ihnen beherrschten Länder in einen vernünftigen Dialog über die gemeinsame Geschichte eintreten. Dabei sollte sicher Russland als erstes die Verantwortung für viele Maßnahmen der Unterdrückung und Verfolgung in den beherrschten Ländern übernehmen.

Unabhängig davon und von politischen und sicherheitspolitischen Erklärungen und Begründungen sind Russlands Aktionen, wie die Annexion der Krim und die Einmischung in der Ostukraine, völkerrechtlich durch nichts zu rechtfertigen. Das immer wieder zitierte Geschenk Chrutschews an die Ukraine ist keine Rechtfertigung für die Annexion der Krim – nachdem Jahre zuvor die Ukraine in ihren Grenzen, die die Krim umfassten, anerkannt wurde. Auch die völkerrechtlichen Verletzungen durch die USA und anderer Staaten, wie zum Beispiel im Irak, sind keine Rechtfertigung für ähnliches Verhalten durch Russland. Wie man es dreht und wendet, die Völkerrechtsverletzung bleibt bestehen.

Was allerdings auffällt ist die unterschiedliche, ja widersprüchliche Reaktion, in und durch Europa auf die Verletzungen des Völkerrechts durch die USA einerseits und durch Russland anderseits. Die Reaktionen waren und sind keineswegs ausgewogen. Ähnlich verhält es sich mit den Reaktionen in den USA auf die Einmischung in die Präsidentschaftswahlen der USA. Wie verschiedene Vertreter der CIA freimütig festgestellt haben, haben sich auch die USA immer wieder in Wahlkämpfe eingemischt. Es gibt überdies viele Fälle, in denen die USA auch gegen demokratisch gewählte Regierungen und Präsidenten vorgegangen ist – vom Iran bis zu Chile und auch danach. Und viele CIA Vertreter gaben auch jüngst der Hoffnung Ausdruck, dass die USA auch weiterhin entsprechend aktiv sein werden.

Genau dieses widersprüchliche Verhalten führt dazu, dass in vielen Ländern die Kritik an und die Vorgehensweise gegen Russland – so sehr sie berechtigt sind – nicht geteilt und unterstützt werden. Das schwächt jede Kritik an den Verletzungen der demokratischen Prinzipien und der Menschenrechte. Und daher wird auch die Kritik an den inneren Verhältnissen in Russland unglaubwürdig. Es ist zwar einsichtig, dass man den US-amerikanischen Freund, auf den man sich jedenfalls in der Vergangenheit verlassen konnte und mit dem man in einem Militärbündnis eng verbunden ist, nicht so kritisiert wie jemanden, der zumindest in mehreren Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg den Feind darstellte. Aber man sollte den USA nicht alles durchgehen lassen und zwar nicht nur bei so kontroversen und unverantwortlichen Politikern wie Donald Trump. So hat erst unlängst Gideon Rachman in der Financial Times seinen Kommentar zu den jüngsten Kontroversen zwischen den USA und Russland mit „Trump, Putin and a Contest of rotten systems“ übertitelt. Besser kann man das kaum ausdrücken.

Und die Europäische Union?

EU Kommissionspräsident Manuel Barroso hat immer wieder gefordert, dass Europa den USA auf Augenhöhe begegnen sollte. Aber die Realität sah und sieht anders aus. Auch wenn die EU keine vergleichbare Militärmacht darstellt, so sollte die Europäische Union ein klareres Profil zeigen. Sie sollte gegenüber den USA und(!) Russland nach den gleichen Grundsätzen handeln. Die Existenz der NATO und die Verbundenheit der Mehrzahl der EU Mitglieder mit ihr kann nicht und sollte auch nicht hinweggeleugnet werden. Die NATO ist ein unverzichtbarer Bestandteil der europäischen Sicherheit. Allerdings ist sie eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für Europas Sicherheit. Eine Einbeziehung Russlands in ein – auch die NATO umfassendes – Sicherheitssystem ist absolut erforderlich.

Daneben sollte auch die ursprüngliche Idee eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok wieder aufgenommen werden. Nun haben sich zwar die Verhältnisse geändert, nämlich dadurch, dass sich unter der Schirmherrschaft Russlands eine Eurasische Wirtschaftsunion gegründet hat. Es macht aber keinen Sinn, die Existenz und die Zukunft einer solchen Wirtschaftsgemeinschaft zu leugnen. EU und EWU sollten sich lieber überlegen, wie verhindert werden kann, dass neue Gräben und Barrieren entstehen. Im Gegenteil, es geht darum neue Formen der Zusammenarbeit anzupeilen. Daraus könnte auch wieder neues Vertrauen geschöpft werden.

Die Kooperation auf den Gebieten der Sicherheit und der Wirtschaft sollte allerdings die EU nicht davon abhalten, die innenpolitischen Entwicklungen soweit sie demokratischen Grundsätzen widersprechen zu kritisieren. Und ebenso muss die EU eine klare Haltung gegen die Verletzung des Völkerrechts einnehmen. Allerdings sollte diese Haltung nicht einseitig ausgerichtet erfolgen. Was Europa also braucht ist eine ausgewogene Haltung, die Angebote der Kooperation einerseits aber anderseits auch Kritik und Widerstand umfasst.

Die Hoffnung, dass die ganze Welt nach dem Vorbild der EU eine Politik des Postnationalismus und der Postmoderne betreibt und nur Kompromisse und Kooperationen anstrebt, hat sich zerschlagen. Die EU kann nicht die eigenen Prinzipien und Normen – die allerdings auch innerhalb der EU vermehrt in Frage gestellt werden – auf andere einfach übertragen. Die EU sollte durchaus diese Prinzipien und Normen nach innen und außen verteidigen, aber auch die gesamteuropäischen und globalen Verhältnisse zur Kenntnis nehmen.

Vielfache Herausforderungen für das Regime im Iran

Im Zusammenhang mit dem Iran ist es durchaus angebracht von einem Regime zu sprechen. Es besteht nämlich aus einem nicht demokratisch gewählten religiösen Obersten Führer, einer mehr oder weniger demokratischen zivilen Führung mit Präsident und Parlament sowie aus einflussreichen Organisationen wie den Pasderan, den Revolutionsgarden und verschiedenen weiteren Machfaktoren.  Das macht es schwierig, die jeweiligen Machtverhältnisse korrekt einzuschätzen und die Auswirkungen von Protesten wie wir sie zuletzt  gesehen haben zu bewerten. Vor allem auch da so konservative Persönlichkeiten wie der frühere Präsident Ahmadi-Nejad zu scharfen Kritikern der politischen und religiösen Führung gehören und plötzlich scheinbar auf Seiten der Demonstranten steht. Hinzu kommt dass im Iran – ich habe das selbst erlebt – neben bzw. unterhalb der strikten Regelwelt ein vor allem junges Leben ohne die Einhaltung dieser Regeln existiert. Da werden Parties ohne Kopftuch aber mit Alkohol gefeiert und die Polizei, im Falle sie taucht auf, bestochen. Wahrscheinlich ist das vielen in der Führung lieber als dass sich die kritische Jugend politisch aktiviert.

Zu bemerken ist auch, dass die jüngsten Proteste in mehreren Städten stattgefunden haben als 2009 nach den offensichtlich gefälschten Wahlen aber weniger TeilnehmerInnen zu verzeichnen waren als 2009. Viele IranerInnen sind selbst mehr an Stabilität interessiert und haben angesichts der Tumulte in Ihrer Nachbarschaft kein Interesse an inneren Konflikten. So meinte Christopher de Bellaigue in einem Beitrag in der „New York Review of Books“: For many Iranians there may never be a „appropriate  time“ for revolution or regime change, with their prospects of slaughter, mass looting, and outside intervention, and beyond that the awful possibility that the most stable country in the Middle East might become another Syria“. Aber natürlich bleiben die zunehmende Verstädterung und die Verödung und Austrocknung weiterer Landstriche Faktoren, die die gesellschaftlichen Verhältnisse im Iran weiter verändern werden und das Regime vor die „Notwendigkeit“ von Reformen stellen werden.

Leider hat es Präsident Rohani nicht geschafft das Land tatkräftig zu modernisieren und die soziale Ungleichheit zu mildern. Viele fragen wo die „Dividende“ aus der Beseitigung der Sanktionen geblieben ist. Aber sie sind in Wahrheit kaum aufgehoben worden. Vor allem die USA haben es nicht erlaubt, dass das finanzielle und Bankensystem in das globale Finanzierungssystem integriert werden konnte. Das macht viele potentielle Investoren zögerlich. (Augenfälliges Beispiel war jüngst die Weigerung der Mineralölfirmen, die Maschine des iranischen Außenministers nach seiner Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz aufzutanken.) Hinzu kommt die Politik Trumps, der sogar neue Sanktionen verhängen möchte und damit noch mehr Investoren abschreckt. Und so begegnen sich die US Phobie der iranischen Führung mit der Iran-Phobie der US Administration und der Kongress-Mehrheit und bestärken sich gegenseitig.

Zuletzt hat sich Präsident Trump einseitig – wie kein US-Präsident zuvor – auf die Seite Israels und von Saudi Arabien geschlagen. Und das sind die zwei Hauptfeinde des Iran. Für eine vermittelnde Rolle schieden die USA damit endgültig aus. Es bleibt Russland, das allerdings seine eigenen Interessen verfolgt. Aber immerhin kann es auf Grund seiner guten Beziehungen zu den betroffenen Staaten dafür sorgen, dass sich Iran und Israel in Syrien nicht zu nahe kommen.

Iran ist ähnlich wie Russland dabei eine Politik zu betreiben, die offensive und defensive Elemente beinhaltet. Iran möchte kein neues Imperium errichten und keine neuen Territorien erwerben. Aber es möchte ausreichend Verbündete haben um mögliche Feiende abzuwehren und sich eine regionale Rolle zu sichern. Diese Alliierten sucht sich Iran in Regierungen wie in Syrien aber auch innerhalb der Staaten unter den schiitischen Bevölkerungen. Damit kommt Iran in Widerspruch zu sunnitischen Regierungen insbesondere zu Saudi Arabien. Und dieser Konflikt definiert jedenfalls den Krieg in Syrien aber auch im Jemen. Es ist schwierig von außen Frieden und Verständigung zwischen diesen widerstreitenden Kräften herbei zu führen.  Aber die globalen Kräfte sollten sich nicht einseitig entscheiden sondern hinsichtlich aller regionalen Konflikte auf ausgleichende und gerechte Lösungen drängen.

Und die Europäische Union?

Die EU darf auch im Verhältnis zum Iran seine „Werte“ und Prinzipen nicht verleugnen. Willkürliche Verhaftungen, Folter und die Todesstrafe müssen immer wieder im Dialog mit Iranischen Politkern angesprochen werden. Die Nuklearfrage darf nicht das einzige Thema des EU – Iran Dialogs sein. Im Übrigen sollte auch die Frage eines „Nahen Ostens ohne Nuklearwaffen“ von Europa wieder stärker politisch eingefordert werden. Das ist kein leichtes Thema weil viele der regionalen aber auch globalen Mächte, insbesondere Israel und die USA kein Interesse daran haben. Aber Europa könnte hier eine klare politische Botschaft absetzen.

Was nun die Frage eines regionalen Gleichgewichts betrifft, so müssen wir mit langen Auseinandersetzungen rechnen. Die Regierung Netanyahu hat kein Interesse das Palästina-Problem zu lösen. Und die Spannung zwischen Iran und Saudi Arabien werden noch länger bestehen. Aber brutale militärische Auseinandersetzungen wie in Syrien und auch im Jemen dürfen nicht die Zukunft beherrschen.

Wenn gerade im Zusammenhang mit den regionalen Konflikten eine kritischere Haltung gegenüber dem Iran im Sinne einer Äquidistanz eingefordert wird so war Europa in der Vergangenheit gegenüber Saudi Arabien und dem expansiven und fanatischen Wahabismus zu tolerant. Auch heute ist das oft noch in Bezug auf die auf die jemenitische Bevölkerung abgeworfenen Bomben durch Saudi Arabien der Fall.  Äquidistanz muss heißen, dass wir alle aggressiven Akte verurteilen und alle auffordern, Konflikte auf friedliche Weise durch Verhandlungen zu lösen. Und im Übrigen sollte die EU alle internen Reformen die zu mehr Demokratie und sozialer Gerechtigkeit führen unterstützen, ob im Iran oder in Saudi Arabien. Und selbstverständlich sollten wir gemeinsam gegen den Terrorismus vorgehen, wie auch immer er motiviert ist.

EU, Realpolitik und Menschenrechte

Russland und der Iran stehen nur stellvertretend für viel Länder, denen gegenüber die Europäische Union realpolitische Strategien entwickeln und umsetzen muss, im Interesse von Konfliktvermeidung und Frieden. Dabei darf aber auf eine kritische Haltung zu den Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte nicht verzichtet werden. Die entscheidende Frage ist wie Europa die beiden wichtigen Ansätze verbinden und gleichzeitig vertreten kann. Manche vertrauen auf den Automatismus, dass bessere internationale Beziehungen bzw. die Entwicklung von Wirtschaft und Wohlstand automatisch zum Respekt der Menschenrechte und der demokratischer Regeln führen wird. Aber das erweist sich als trügerisch.

Erstens kommt der Wohlstand nicht immer bei den sozial Schwächeren an und zweitens ist ein steigender Wohlstand nicht automatisch mit der vermehrten Einhaltung von Menschenrechten verbunden. Auf der anderen Seite wird das Pochen auf die Einhaltung der Menschenrechte seitens europäischer VertreterInnen oft unter Außerachtlassung der sozialen Rechte vorgenommen. Das liefert dann den offiziellen VertreterInnen das Argument, dass es ja doch auf die sozialen Rechte ankommt und nicht auf die individuellen Bedürfnisse einzelner bürgerlicher Intellektueller. Im Übrigen wird die Einforderung der Grund- und Freiheitsrechte oftmals vom „hohen Ross“ herab getätigt, also oberlehrerhaft.

Seitens des Europäischen Parlaments haben wir immer wieder auf den Menschenrechtsdialog gepocht. Gerade auch bei Besuchen von Parlamentsdelegationen in Russland und im Iran haben wir immer wieder einen zweifachen Menschenrechtsdialog geführt. Einerseits haben wir mit den offiziellen VertreterInnen die Verletzung von Menschenrechten und demokratischen Spielregeln zur Sprache gebracht. Anderseits haben wir VertreterInnen verschiedener NGOs getroffen und mit ihnen die konkrete Menschenrechtslage diskutiert sowie nach Möglichkeiten gesucht, Ihnen bei ihrer schwierigen Arbeit zu helfen. So trafen wir regelmäßig die verschiedenen NGOs wie zum Beispiel Memorial in Russland und Shirin Ebadi im Iran. Dabei war nicht von Vorhinein klar, ob unsere Kontakte ihnen mehr schaden oder nützen würden.  Aber selbstverständlich lag es an den NGOs zu entscheiden, ob sie sich mit EU Parlamentariern treffen wollten.

Auch die jährliche Verleihung des Sacharow Preises durch das Europäische Parlament war und ist ein klares Signal, dass Menschenrechtsaktivisten eine bedeutende Rolle für die Entwicklung der betreffenden Länder und eine humanere Welt spielen. Es waren immer bewegende Momente wenn die PreisträgerInnen – so sie auch aus ihren Ländern ausreisen durften – Ihre Dankesrede hielten. Auch die Zuerkennung des Sacharowpreises und ihr Auftritt im EU Parlament hat ihnen nicht immer geholfen aber die breitere Öffentlichkeit hat von den ungerechten Verhältnissen in den verschiedenen Ländern der Welt erfahren und manchmal war es auch ein bestimmter Schutz gegen persönliche Verfolgung.

Auch wenn heute das öffentliche Interesse in Teilen Europas selbst geringer geworden scheint, die Solidarität mit denjenigen, die um ihre fundamentalen Rechte kämpfen, sollte nicht verloren gehen. Die Realpolitik ist die eine Seite einer Friedenspolitik, die Betonung der Menschenrechte die andere Seite. Da kann es kein Entweder-Oder geben. Europa muss mit Fingerspitzengefühl vorgehen, aber es muss auch eine klare Haltung erkennbar sein. Maßstab muss aber die Haltung und Einstellung der jeweiligen Bevölkerung sein. Weder die staatlichen VertreterInnen noch einzelne revolutionäre Gruppierungen zeigen Europa immer den Weg, den es unterstützen sollte. Da muss Europa schon differenzierter vorgehen.