Russlands erstarkte Rolle

Die Absage der Ukraine an die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU beim kommenden Gipfel in Vilnius ist sicher ein schwerer Rückschlag für die Oststrategie der EU. Die EU machte Angebote zu einer Reformpartnerschaft an die östlichen Nachbarn bis in den Südkaukasus hinein. Russland wollte das nicht akzeptieren. Es reagierte mit Drohungen und „unmoralischen“ Angeboten, wie Preisnachlässen bei Energie.

Armenien gab als erstes nach und unterwarf sich dem Diktat Putins. Die Ukraine versuchte bis zum Schluss stand zu halten und verzichtete dann auch auf die Unterzeichnung des Abkommens mit der EU. Moralisch habe ich kein Verständnis für diese Haltung Russlands. Aber, ob wir wollen oder nicht, wir müssen Russlands verstärkte Rolle und seine Fähigkeit, Interessen durchzusetzen, zur Kenntnis nehmen.

Die erstarkte Rolle Russlands war auch im Falle Syrien zu erkennen. Allerdings konnte Russland erst durch die Drohung einer militärischen Intervention auf den Plan treten. Erst dadurch kam Russland in Zugzwang, denn eine militärische Aktion des „Westens“ hätte Russland vor die Wahl gestellt, ebenfalls militärisch aktiv zu werden, oder einfach den militärischen Aktivitäten des „Westens“ zuzusehen. Und so konnte durch Russlands diplomatisches Auftreten ein unglückliches militärisches Abenteuer vermieden werden. Für mich war das russische Verhalten im Falle Syriens daher durchaus konstruktiv.

Ebenso konstruktiv verhielt sich Russland auch im Falle der Verhandlungen mit dem Iran. Es ermöglichte eine diplomatische, eine politische Lösung. Nicht überall hat Russland eine solche Haltung. Und seine starre Haltung gegen jegliche, auch durch die UNO gedeckte Interventionen, ist nicht immer hilfreich. Aber klar ist, dass wir jedenfalls mit Russland rechnen müssen. Darauf sollten wir uns bei allen zukünftigen Strategien und Aktionen, die die Interessen Russlands berühren, einstellen.

Ja, wir haben als Europäer gelernt, dass internationale Politik nicht bloß dem machtpolitischen Interessen dienen soll. Gerade angesichts des Jahres 2014, in dem wir des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs gedenken, sollten wir uns der Gefahren einer solchen Machtpolitik bewusst sein. Sie hat nämlich immer ein Null-Summenspiel vor Augen: was der eine gewinnt, verliert der andere. Die Vertretung von Werten und Zielen, die allen zu Gute kommen, spielen in diesen Machtüberlegungen keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Vor allem die Fragen der demokratischen und sozialen Entwicklung, die letztendlich allen nützen, werden oft außer Acht gelassen.

Aber wir können eine solche strukturelle Änderung der internationalen Beziehungen nicht erzwingen. Wir können nur in – wenngleich schwieriger – Partnerschaft mit Russland und ähnlich agierenden Staaten die Welt friedlicher machen. Und parallel dazu versuchen, sie wirtschaftlich und sozial gerechter zu gestalten.