Shanghai – Stadt der Rekorde

‚“Unprecedented reform promise“ posaunt die chinesische, englischsprachige Zeitung „Shanghai Daily“ hinaus. Also bisher nicht für möglich gehaltene Reformen – auf wirtschaftlichem Gebiet – sollen beim kommenden Plenum der KP Chinas angekündigt werden. Shanghai ist einer jener Orte, wo die Reform unmittelbar greifen soll. Denn schon vor einiger Zeit wurde angekündigt, dass in dieser  größten Stadt – nicht nur Chinas sondern der Welt  eine Freihandelszone errichtet werden soll. In dieser Zone sollen bisher in ganz China geltende Beschränkungen für ausländische Investitionen aufgehoben werden. Und sie soll, falls erfolgreich, den wirtschaftlichen Weg Chinas vorzeichnen. Inzwischen gibt es laut China Daily, der englischsprachigen Zeitung, bereits viele Anmeldungen für Investitionen in dieser Modell-Freihandelszone.

Dem Eindruck, den man in Shanghai bekommt, ist ohnedies der, dass hier der Kapitalismus blüht und zwar stärker als in Europa. Die Beschränkungen sind eher politisch und sozial als wirtschaftlich. Im Rahmen unseres kurzen Aufenthalts besuchten wir auch das große Telekomunternehmen HUAWEI. Gefragt nach den gewerkschaftlichen Rechten, meinten die Unternehmensvertreter, dass sie selbstverständlich alle Gewerkschaftsrechte in den europäischen Niederlassungen respektieren. Aber in China spielen Gewerkschaften keine große Rolle bzw. dürfen sie keine große Rolle spielen. Das Unternehmen ist sehr leistungsorientiert und diejenigen die, die, entsprechenden Leistungen erbringen, können dann auch Aktien kaufen und partizipieren an der Dividende!

Für uns Europäer war jedenfalls interessant, dass HUAWEI auch in Europa expandieren will, vor allem im Bereich von Forschung und Entwicklung. Denn das Unternehmen schätzt die gut ausgebildeten Fachkräfte wie Ingenieure etc. Europa ist aber auch ein wichtiger Standort auf Grund der Regulierungen, die vielfach weltweit gelten. Das unterstreicht auch die Bedeutung europäischer Gesetzgebung, indem sie Standards weltweit setzt, für Arbeitsplätze in Europa. Sicher investiert HUAWEI auch deshalb in Europa, weil es sich damit nicht nur als chinesisches Unternehmen sondern auch als europäisches darstellen kann. Und damit hoffen die Manager, dem in Europa diskutierten Dumping-Verfahren zu entgehen. Erwähnenswert ist auch, dass Unternehmen wie HUAWEI, indem es selbst immer mehr Patente erwirbt, ein verstärktes Interesse am Schutz von Patenten und Copyright hat.

Im Gespräch mit einem hochrangigen Vertreter der KP Chinas aus Shanghai, einem ehemaligen Botschafter in Irland, ging es auch und vor allem um die Stellung Shanghais als Wirtschaftszentrum. Die Orientierung auch der KP an Voraussetzungen für weiteres wirtschaftliches Wachstum und für die Attraktivität für ausländische Investitionen ist klar erkennbar. Und da kommen dann politische Reformen und die Lockerung des Polizeistaates zu kurz. In manchen Fällen werden die von der Bevölkerung kritisierten Funktionäre zwar inzwischen entlassen, in anderen Fällen werden aber nach wie vor die Kritiker bestraft. Aber der Kampf gegen die Korruption, der steht prinzipiell hoch oben auf der Prioritätenliste der KP.

Shanghai ist heute eine moderne weltoffene Metropole, die aber auch viele heimische chinesische TouristInnen anzieht. Besonders der „Bund“, die Promenade der ehemaligen britischen „Konzession“ entlang dem Fluss und mit Blick auf die neu entstandenen Hochhäuser in Pudong zieht Massen von Besuchern an. Aber unmittelbar neben den neuen, durch Wolkenkratzer gekennzeichneten Gebieten, gibt es nach wie vor die alten, traditionellen Viertel mit der Mischung von Wohnen, Arbeiten und Handel. Und genau diese Kontraste, die in Shanghai besonders ausgeprägt sind, machen die Stadt so faszinierend. Ich hoffe, Shanghai kann diese Vielfältigkeit auch in Zukunft behalten. Und an sozialen und demokratischen Elementen zulegen.