SPÖ: Programmerarbeitung und Personalauswahl – Mehr Mut zum Risiko

Die Wahlen sind geschlagen, und ich bleibe dabei: das Ergebnis ist enttäuschend. Die SPÖ hat sich mehr erhofft und die Gesichtszüge des Bundeskanzlers haben das gespiegelt. Und angesichts der sehr guten wirtschaftlichen Lage unseres Landes und angesichts des grotesken Wahlkampfs der ÖVP hatten wir auch Grund, mehr zu erhoffen und vor allem den Abstand zur ÖVP zu erhöhen.

Nun, auch die ÖVP hat verloren, aber auf der rechten Seite des politischen Spektrums haben sich neue Kräfte etabliert. Das kann man von links absolut nicht sagen. Der Anteil der linken, progressiven Stimmen nimmt also in Österreich immer mehr ab. Und das muss uns zu denken geben. Jedenfalls, ein Teil der – vor allem jüngeren – WählerInnen von Grünen und Neos müssten auch von einer Sozialdemokratie angezogen werden können.

Wir sind aber weder personell noch programmatisch darauf vorbereitet. Zwar wurden auch in letzter Zeit immer wieder neue Programme entworfen, aber sie werden allzu sehr von den Ministern bzw. ihren Büros und den führenden Abgeordneten kontrolliert. Eigentlich mag ich den immerwährenden Rückgriff auf die Ära Kreisky nicht. Aber man sollte sich anschauen, wie damals die Programmdebatte gelaufen ist und auch unter Vranitzky war mehr Offenheit und Risikobereitschaft zu sehen.

Dieselbe Scheu und Übervorsicht ist auch bei der Personalauswahl zu erkennen. Nun man kann nicht einfach andere Personen herbeizaubern. Aber einerseits haben sich ja einige hervorragende und auch politisch denkende Experten angeboten, die allerdings im Regen stehen gelassen wurden. Anderseits müsste die SPÖ bewusst die existierenden Talente, die auch gerne mitarbeiten würden, ansprechen. Und jedenfalls aus dem ökonomischen Bereich kenne ich viele, die bisher kaum wenn überhaupt angesprochen wurden.

Die entsprechenden Leute sind gar nicht so sehr auf Posten und Positionen aus, vorerst geht es ihnen darum, ernst genommen zu werden, in einen fruchtbringenden Diskussionsprozess eingebunden zu werden und dadurch neue Impulse geben zu können. Insofern hängt die Erweiterung der Personalreserve der SPÖ mit der Ausarbeitung neuer programmatischen Ideen eng zusammen.

Selbstverständlich muss die soziale Frage im Mittelpunkt unserer Politik stehen und es gilt immer wieder, unsere Kernwählerschicht zu mobilisieren. Aber sie wird immer kleiner, weil die Wählerbindung abnimmt. Daher muss der Horizont der sozialdemokratischen Parteien erweitert werden. Das gilt nicht nur für Österreich sondern für ganz Europa. Ich sehe auch keinen Widerspruch darin, traditionelle „linke Werte“ zu vertreten und andere progressiv denkende und interessierte Menschen anzusprechen, die jedenfalls „ein Stück des Weges mit uns gehen“ möchten! Ohne diese werden wir immer schwächer werden und unseren Stammwählern nichts mehr anbieten können.

Werner Faymann hat sich während seiner Kanzlerschaft von einem Politiker, der sich auf wenige pragmatische Fragen konzentriert hat zu einem Politiker mit umfassenden Kenntnissen und Bestrebungen entwickelt. Insbesondere in Europafragen konnte ich das hautnah miterleben. Ich verstehe seine Enttäuschung über die Entscheidung der WählerInnen. Aber die SPÖ ist nun schon lange die Nummer 1 und da gibt es Abnützungserscheinungen. Aber dem langfristigen Trend sinkender sozialdemokratischer Stimmenanteile können wir nicht einfach zuschauen, wir müssen ihm entgegenwirken. Da erwarte ich mir klare Signale von der Spitze der SPÖ!

Ich sehe keine Alternative als eine Neuauflage und Neugestaltung(!) der Koalition mit der ÖVP, jedenfalls von uns aus. Aber umso mehr muss sich die Partei programmatisch und personell erneuern. Weder an der Spitze noch an der Basis kann oder soll das abrupt gehen. Aber ein längerfristiger und durchgehender Erneuerungsprozess wird notwendig sein, um dem Abwärtstrend Einhalt zu gebieten.