STÄDTE UND DIE ZUKUNFT EUROPAS

Bemerkungen anlässlich einer Tagung über „Städte für Europa“ in Berlin, organisiert von der Stiftung Zukunft Berlin. 

Die Werte bzw. Grundsätze auf die die Europäische Union aufbaut und die für die Städte besonders wichtig sind: Inklusion/Einbindung, Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte, Integration, Diversität, sozialer Ausgleich und nachhaltige Entwicklung. Da müssen Städte vorbildhaft wirken ohne allerdings zur Stärkung der Kluft der Gesellschaft zwischen urbanen und ländlichen Bevölkerungsschichten beizutragen.  

Inklusion und Grundrechte

Inklusion als politisches Ziel bedeutet, dass Städte dafür Sorge tragen sollen, dass allen Bewohnern eine Chance der Einbindung und Teilhabe am städtischen Leben, den öffentlichen Diensten, am Arbeitsmarkt etc. gegeben wird. Man kann in diesem Sinn auch von der notwendigen Chancengleichheit sprechen, die verhindern soll, dass Menschen, aus welchen Gründen auch immer, ausgegrenzt werden. Das explizierte Ziel der EU stimmt damit mit den Notwendigkeiten einer ausgeglichenen Stadtentwicklung überein.

Eng mit der Verpflichtung, Ausgrenzung zu verhindern, steht die Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte. Allen – unabhängig von ihrer Herkunft, Religion etc. – müssen die Grund- und Freiheitsrechte gewährt werden, wie sie in der Europäischen Grundrechtscharta festgehalten werden. Auch nationale Verfassungen müssen diese Rechte berücksichtigen und verteidigen. Städte mit ihrer historischen Funktion als Begründer und Verteidiger von Rechten und Chancen müssen diesbezüglich besonders wachsam sein. 

Integriert doch erst mal uns

Laut Medienberichten hat unlängst jemand bei einer öffentlichen Diskussion im Osten Deutschland gegenüber einer Politikerin ausgerufen: „Integriert doch erst mal uns!“ Der Auftrag zur Integration muss also umfassend gesehen werden. Integration bedeutet aktives Bemühen der Städte niemand (!) am Rande stehen zu lassen. Integration betrifft nicht nur die Zuwanderer, also die neuen Stadtbewohner, sondern durchaus auch jene, die schon für lange Zeit oder bedingt durch den wirtschaftlichen Strukturwandel marginalisiert wurden. Es war ein großer Fehler, gerade in Zeiten verstärkter Zuwanderung, nicht klar festzuhalten, dass es nicht darum gehen kann, die Zuwanderer den BewohnerInnen vorzuziehen. Man hätte – und das gilt auch noch heute – erst recht denen helfen müssen, die ohne Zuwanderer/Flüchtlinge zu sein, große wirtschaftliche und soziale Probleme haben. 

Dabei geht es auch um die Verständigung zwischen den verschiedenen Gruppen, die oft aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen. Integration funktioniert nur in geringem Maße von selbst. Es bedarf aktiver Anstrengungen, vor allem auch im öffentlichen Erziehungssystem vom Kindergarten an. Nur so kann verhindert werden, dass Zuwanderung nur negativ und grundsätzlich als Gefahr gesehen wird. Man kann und muss belegen, dass ohne Zuwanderung viele Dienste und Arbeiten in unseren Städten gar nicht geleistet werden könnten. Aber selbstverständlich müssen die BürgerInnen das Gefühl bekommen, dass Zuwanderung kontrolliert und gut organisiert wird. 

Diversität

Die Diversität verschwindet nicht durch Integration, sie kann sogar aufblühen ohne dabei aber Konflikte zu erzeugen. Diversität kann durch neue Synergien Innovationen befördern und ist daher von Vorteil für die Entwicklung der Gesellschaft insgesamt. Die Anerkennung und Förderung der Diversität bedeutet aber keine Privilegierung bestimmter Gruppen sondern muss auf gleichen Rechten für alle BürgerInnen bzw. in abgestuftem Maße für alle StadtbewohnerInnen beruhen.

Viele Analysten meinten vor allem nach den letzten Präsidentenwahlen in den USA, dass die Betonung der Diversität und der Minderheitenrechte zur Wahl von Donald Trump geführt hat. Aber anderseits hat die jüngste Kongress-Wahl gezeigt, dass die Demokraten durch eine hohe Diversität gewinnen konnten. Sicherlich kommt die Betonung der Diversität in urbanen Gebieten bzw. bei urban eingestellten Menschen besser an als in ländlichen Regionen oder bei traditionell eingestellten Menschen. Aber deswegen darf man nicht auf ein Bekenntnis zur Diversität verzichten. Man sollte allerdings dies durch die Betonung der gemeinsamen Interessen ergänzen. 

Soziale Ungleichheit

Soziale Spannungen können die wirtschaftliche und soziale Entwicklung beeinträchtigen. Europa ist generell durch eine geringere Kluft zwischen Arm und Reich gekennzeichnet, als zum Beispiel die USA. Aber dennoch haben sich in letzter Zeit neue Elemente der Ungleichheit herausgebildet. 

Soziale Maßnahmen, vor allem aber der soziale Wohnbau, müssen versuchen, allen – unabhängig von Einkommen und Vermögen – ein menschenwürdiges und leistbares Leben zu ermöglichen. Es geht also nicht nur darum, die Wohnbauleistung an dem gestiegenen Bedarf infolge des Zuzugs in die Städte zu befriedigen. Städte müssen solchen Wohnraum schaffen bzw. ihn so fördern, dass er auch für einkommensschwache Schichten leistbar ist. 

Nachhaltigkeit und Smart Cities

Städte ermöglichen einen umwelt- und ressourcenbewussten und damit nachhaltigen Lebensstil. Der Ausbau des öffentlichen und nicht-motorisierten Verkehrs, die Ressourcen schonende Erneuerung und der entsprechende Umbau der Städte sowie die „Grünung“ der Städte sind wesentlichen Elemente im Kampf gegen den Klimawandel, der in Städten durch die Erhitzung besonders spürbar ist.

Wenn heute viel von Smart Cities die Rede ist, dann sollte nicht nur von neuen Technologien geredet werden, sondern davon, wie die neuen, vor allem digitalen, Technologien verwendet werden können, um genau diese Ziele zu erreichen. Diese Orientierung der digitalen Instrumente muss das besondere europäische Merkmal sein. Sie müssen so eingesetzte werden, dass die Nachhaltigkeit gefördert wird, so kann auch Energieverbrauch wesentlich reduziert werden.

Stadt – Land

Die jüngsten Wahlen in den USA haben wieder einmal die – soziale und politische – Spaltung des Landes bestätigt. Aber auch in Europa haben wir diese Spaltung zu spüren bekommen. Auf der einen Seite haben wir die urbanen bzw. suburbanen Schichten, die mehrheitlich liberal und weltoffen denken und entsprechend wählen. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sich vernachlässigt und an den Rand gedrängt fühlen. Sie leben vorwiegend – aber nicht nur- in ländlichen Gebieten. Dieses Gefühl haben sie besonders stark in Regionen der Abwanderung. 

Diese Spaltung ist für die Entwicklung der Demokratie aber auch die europäische Einigung gefährlich. Auf Grund der neuen und raschen Kommunikationsnetze wird diese Kluft, die es schon immer gegeben hat, deutlich sichtbar. Aber der enge Kontakt über die verschiedenen Kanäle der Information erlaubt kaum einen wirklichen Dialog und ein gegenseitiges Kennenlernen. 

Der Stolz der Städte und der Städter darf aber nicht dazu führen, dass sie auf den Dialog mit den BewohnerInnen der ländlichen Regionen (bzw. zum Teil auch der städtischen Randregionen) verzichten. Sie müssen sich auch Argumente überlegen, um die Vorurteile gegenüber den „multikulturellen und unsicheren“ Städten zu überwinden.

Dialog und ein Mehr an Sicherheit

Wer für weltoffene Städte und ein gemeinsames Europa eintritt, muss sowohl die neuen urbanen Schichten ansprechen als auch den Dialog mit den skeptischen und sich verlassen fühlenden Schichten verstärken. Alle wird man nicht von der Sinnhaftigkeit, Grenzen zu überwinden, überzeugen können. Aber bemühen müssen sich die, die in einer offenen und liberalen Welt leben wollen schon.

Aber es geht nicht nur um den Dialog sondern auch um vermehrte Antworten hinsichtlich Sicherheit. Sicherheit im umfassenden Sinn wurde in den letzten Jahren oft vernachlässigt. Polizisten wurden eingespart, Kommissariate zusammengelegt und hinsichtlich sozialer Sicherheit ist ein Trend zu prekären Arbeitsverhältnissen und Zwang zu häufigem Wechsel des Arbeitsplatzes zu erkennen. Man wird die frühere – relative – Stabilität auf den Arbeitsmärkten nicht wieder herstellen können. Sie war ja ohnedies nur in einigen Jahrzehnten vor der Großen Wirtschafts- und Finanzkrise Realität. Aber eine stärkere Unterstützung, um sich auf den Arbeitsmärkten besser positionieren zu können, wird notwendig sein. Und Ähnliches gilt für die Altersversorgung, vor allem für die untersten Einkommensschichten.