Transatlantischer Dialog der progressiven Kräfte

Es ist nicht leicht, über den Atlantik hinweg ein Bündnis der progressiven Kräfte zu schmieden. Die meisten US-Parlamentarier sind auf ihr Land und auf ihren Wahlkreis orientiert. Und viel ihrer Zeit müssen sie für Fundraising für den nächsten Wahlkampf aufbringen. Dennoch verwendete ich meinen letzten Washington-Aufenthalt auch zu verstärkten Kontakten mit der Demokratischen Partei bzw. einem entsprechenden Think Tank dem, „Center for American Progress“!

Im Unterschied zur weit verbreitenden Meinung in Europa bestehen nämlich auch zwischen den Wahlzeiten die Parteien, da ohnedies immer wieder Wahlen zum Kongress oder für die verschiedenen Gouverneure stattfinden. Wenngleich die Parteien in den USA eine andere Bedeutung haben, sind sie so auch fürs Fundraising nicht unbedeutend.

Auch bei der großen Enttäuschung über Obama hierzulande ist vor allem die Blockade durch die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus für die mangelnden Erfolge der Regierung verantwortlich. Denn immer wieder versuchen sie den großen Erfolg der ersten Periode, die Gesundheitsreform zu untergraben. Im Verhältnis zu den – noch(!) weitgehend vorhandenen öffentlichen Gesundheitssystemen in Europa – ist „Obamacare“ schwach ausgebildet und von den Lobbies der Pharmaindustrie durchlöchert worden. Aber immerhin stellt es einen großen Fortschritt dar.

Die große Reform der zweiten Regierungsperiode sollte dann die Reform der Einwanderungsgesetze sein. Diese sieht die Legalisierung der schon im Lande befindlichen illegalen Einwanderer vor, allerdings auch strengere Bedingungen der zukünftigen Zuwanderung und auch eine Verdoppelung der Grenzkontrollen im Süden. Dabei ist die mexikanische Zuwanderung nicht mehr das Problem, sondern die Zuwanderung aus den noch ärmeren Ländern von Zentralamerika über Mexiko. Im Senat gab es dazu eine Einigung, aber im Repräsentantenhaus stehen noch schwierige Beratungen bevor. Vieles andere wie die Einschränkung des Schusswaffengebrauchs wird allerdings kaum durchsetzbar sein.

Dort, wo Obama Erfolge zu verzeichnen hat, ist die Wirtschaftspolitik. Er hat sich nicht von der ideologisch gefärbten extremen Austeritätspolitik Europas anstecken lassen. US-Notenbankpräsident Bernanke hat das erst kürzlich wieder klar gemacht. Und im Übrigen hat auch mein Gespräch mit dem Chefökonomen der Internationalen Währungsfonds, Olivier Blanchard, gezeigt, dass wir in Europa vielmehr auf Wachstum als auf kurzfristige Budgetkonsolidierung setzen müssten. Öffentliche Investitionen, verstärkte Finanzierung der Klein- und Mittelbetriebe durch die Banken und entschiedene Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit sollten im Mittelpunkt der europäischen Wirtschaftspolitik stehen. Das ist auch eine Botschaft, die ich aus Washington mitnehme.

Jedenfalls ist der Dialog der progressiven Kräfte über den Atlantik hinweg sinnvoll und notwendig. Dabei heißt progressiv unterschiedliches in Europa und in den USA. Aber auch innerhalb der EU und den USA gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen diesbezüglich. Dennoch wäre es sinnvoll, vermehrt an einem Strang zu ziehen.