Unterwegs in Graz

Hannes-lächelndAuch während meines „Steiermarktages“ ließ mich die Wirtschaftskrise in Europa nicht los. Immer wieder stieß ich auf die negativen Folgen der Krise oder jedenfalls auf die europäischen Verflechtungen. So auch im interessanten Gespräch mit Landeshauptmann Franz Voves. Dieser hatte erst kürzlich ein starkes Bekenntnis zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ abgelegt. Wir diskutierten ausführlich den Weg dorthin und auch die Notwendigkeit einer aktiven Industriepolitik in Europa. Am Beispiel des Autoclusters in der Steiermark kann man die Abhängigkeit von der lang- und mittelfristigen Entwicklung der europäischen Wirtschaft sehen. Deshalb ist der Kampf meiner Fraktion für eine Wachstumspolitik in Europa auch für exportorientierte Regionen wie die Steiermark wichtig.

Im Übrigen sieht man den Einfluss der Wirtschaftsentwicklung der importierenden Länder auf die Exporterfolge auch am Beispiel Spanien und Portugal. Denn deren Exporte sind in letzter Zeit nicht wegen der umstrittenen und oftmals unsozialen Arbeitsmarktreformen gewachsen, sondern wegen des Wachstums der lateinamerikanischen Märkte im Falle Spaniens und des noch stattfindenden Wachstums in Deutschland etc. im Falle Portugals. Das Wirtschaftswachstum in den Importländern hat die spanischen und portugiesischen Exporte angekurbelt und nicht die Arbeitsmarktreformen, die moderat und vernünftig gemacht sicher auch einen, allerdings langfristigen Beitrag liefern können. Aber die herrschende Ideologie sagt natürlich etwas anderes, und deshalb kommen wir nicht aus der Wirtschaftskrise und vor allem deshalb steigt in vielen Ländern nach wie vor die Arbeitslosigkeit.

Im Übrigen zeigt es sich auch in Deutschland und Österreich, dass Länder mit stärkerer Regulierung auf dem Arbeitsmarkt und entsprechend strengeren Entlassungsbedingungen durchaus wirtschaftlich erfolgreich sein können. Aber mit der Realität nehmen es die Ideologen der neoliberalen Wirtschaftspolitik nicht so genau.

Auch der Besuch bei der Sozialeinrichtung „Jugend am Werk“ in Graz zeigte deutlich die Rückwirkungen der Wirtschaftskrise und der darauf – einseitig und kontraproduktiv – reagierenden Finanz- und Wirtschaftspolitik. Die vornehmlich durch die EU-Kommission und den Rat (sich selbst) verordnete Austeritätspolitik beschränkt die nationale und damit auch die regionale (Bundesländer) Budgetpolitik. Ohne jetzt die Einzelheiten der steirischen Budgetpolitik zu bewerten, die sozialen Einrichtungen und deren sozial schwache KlientInnen bekommen es zu spüren, wenn in Europa eine neoliberale statt eine an Wachstum- und Beschäftigung orientierte Politik betrieben wird.

Vor meiner Rückkehr und dann Samstags Abend in Wien selbst, diskutierte ich mit Jugendlichen über die Wirtschaftskrise. In Graz stellten die Jugendlichen vor allem Fragen, wie man einen Ausweg aus der Krise finden kann. Bei der Podiumsdiskussion beim „Krisengipfel“ in Wien wussten einige der TeilnehmerInnen am Podium, aber vor allem einige der DiskussionsteilnehmerInnen im Publikum schon alles genau. Nun ich mag auch mit meiner kritischen Haltung gegenüber der EU Politik und dem Fiskalpakt für manche schon konventionell und/oder pragmatisch denken. Aber zu glauben, dass Frankreich mit einigen Mittelmeerländern einen „Süd Euro“ gründen könnten, um Deutschland herauszufordern ist genauso illusionär wie die Forderung die SPÖ sollte einen eigenen gemeinwirtschaftlichen Bankensektor aufbauen. Und die Feststellung, dass nur Deutschland auf Grund seiner niedrigen Lohnabschlüsse Schuld an der Krise ist ebenfalls sehr einseitig.

Es stimmt:  In Deutschland und auch in Österreich sind die Löhne hinter dem Produktivitätsfortschritt  zurückgeblieben und das hat Wettbewerbsvorteile auch innerhalb der Eurozone geschaffen. Aber es gab auch Länder, in denen die Löhne der Produktivität davongelaufen sind und die auf diese Weise zum Verlust an Wettbewerbsfähigkeit beigetragen haben, so in Griechenland und Portugal. Und in den südlichen Ländern ist das durch die Einführung des Euro verbilligte Geld nicht optimal investiert worden. Es gab also  -jenseits der aus den USA kommenden Finanzkrise – mehrere europäische Faktoren die für die heutige Situation verantwortlich sind. Und gemeinsam haben wir zu lange einer Entwicklung zugesehen, die allerdings durch eine falsche, ideologisch geprägte Krisenreaktion noch verschärft wurde. Aber auch in einer solchen Situation genügt eine „Gegenideologie“ nicht, sondern man braucht auch realisierbare Auswege aus der Krise.