Unterwegs in Lettland und Litauen

Am Ende einer anstrengenden Plenarwoche in Straßburg ging es in die Hauptstädte von Lettland und Litauen. Lettland hat mit ersten Jänner den Euro eingeführt. Die wirtschaftliche Entwicklung hat dazu eine gute Grundlage geliefert. Allerdings – und das wird meistens verschwiegen- haben viele Arbeitskräfte das Land verlassen und dadurch kam es zu relativ niedrigen Arbeitslosenzahlen. Überdies ist Lettland das EU Land mit der höchsten Ungleichheit, gemessen am allgemein anerkannten Gini – Koeffizienten. Also so rosig ist das Bild nicht, wie es oft auch von der Kommission und der Rechten in Europa dargestellt wird.

Hinzu kommt noch eine äußerst problematische Menschenrechtssituation. Im Land lebt nämlich ein großer Anteil russischsprachiger Menschen. Einige davon haben die lettische Staatsbürgerschaft, aber viele sind staatenlos. Die ethnischen Letten sind leider noch immer nicht sehr positiv gegenüber der russischsprachigen Bevölkerung eingestellt. Vor allem die politische Klasse der „lettischen Letten“ versucht sich immer wieder von den „Russen“ abzugrenzen und spielt die nationalistische Karte.

Es war ja durchaus verständlich, dass nach der Unabhängigkeit die mit der sowjetischen Besatzung zugewanderten Russen kritisch gesehen wurden. Und viele von ihnen haben auch nicht dazu beigetragen, sich in das neue unabhängige Land zu integrieren. Aber so viele Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit sollten doch diese Spaltungen und Spannungen überwunden werden können.

Jedenfalls hat die russischsprachige Partei „Zentrum der Harmonie“ unter der neuen Führung viel dazu getan, um in allen Bevölkerungsgruppen Zuspruch zu bekommen. Der Parteivorsitzende Usakovs, der gleichzeitig Bürgermeister von Riga ist, hat auch viele nicht – russische Stimmen bekommen. Bei den Wahlen in der Hauptstadt hat er mehr ethnisch lettische Stimmen bekommen als die ethnisch lettischen Parteien selbst. Aber noch immer will keine der anderen Parteien mit ihnen zusammenarbeiten, da sie als verlängerter Arm Russlands und konkret von Putin angesehen werden.

Mein Besuch in Riga hatte den Zweck die Kontakte mit den Parlamentariern und dem Parteivorsitzenden der Concord Partei zu verstärken. Diese Partei versucht mehr und mehr, sich in eine sozialdemokratische Richtung zu bewegen. Und diese Tendenz möchte ich bestärken, ebenso wie das Bestreben alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Allerdings je mehr die übrigen Parteien sie auszugrenzen versuchen, desto mehr gewinnen wieder jene Kräfte Oberhand, die sich eher auf Russland als „Schutzmacht“ stützen wollen und das schafft wieder neues Misstrauen bei den anderen Parteien.

Litauen

Von Riga ging es mit einem kurzen Flug nach Vilnius, die litauische Hauptstadt. Litauen hat ja gerade eine gute Präsidentschaft der EU, eigentlich des Rates, absolviert. Dabei waren zwei Themen besonders relevant: die Einigung über das EU Budget und der Gipfel von Vilnius über die östliche Partnerschaft. Der wurde allerdings nur teilweise ein Erfolg, da die Ukraine auf Druck Russlands das entsprechende Assoziierungsabkommen nicht unterschrieb, was zu großen Protesten in der Ukraine selbst führte.

Der Zweck meines Besuches allerdings war eine Veranstaltung der S&D Fraktion im Rahmen der „Neustart Europa“ Reihe und die Einladung, am Parteitag der litauischen Sozialdemokraten zu sprechen. Seit den letzten Wahlen wird ja die Koalitionsregierung von einem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten geführt. Viele der Minister und auch den Regierungschef kenne ich seit vielen Jahren und sie machen eine ausgezeichnete Arbeit.

Allerdings gibt es einige Meinungsverschiedenheiten inwiefern extrem konservative Initiativen aus den Parteien der Koalitionspartner hinsichtlich Ehe und Abtreibung unterstützt werden sollten. Litauen ist ja ein extrem katholisches Land und daher ist die Versuchung groß, solche Bestrebungen zu unterstützen. Aber so meinte ich auch in meiner kurzen Parteitagsrede, die Sozialdemokratie vertritt Werte und wir sollten nicht Bestrebungen unterstützen, die die individuelle Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen und vor allem der Frauen einschränken und begrenzen.

Das Thema unserer Veranstaltung, die auf der Universität stattfand, war „Jobs für junge Menschen. Alternativen zur Auswanderung.“ Denn das ist nach  wie vor ein Problem vieler ärmerer Länder, dass viele gut ausgebildete Menschen das Land verlassen, weil sie keine entsprechenden Arbeitsplätze oder entsprechenden Einkommen geboten bekommen. In diesem Zusammenhang ist auch die mangelnde Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt zu sehen, was dazu führt, dass es sowohl freie Stellen als auch Arbeitslose gibt.

Die Universität von Vilnius ist eine der ältesten Europas. Ich habe sie schon bei einem meiner früheren Besuche in Litauen besucht. Allerdings war neu für mich, dass am Rande der Stadt ein neuer naturwissenschaftlicher Campus mit EU-Förderungen errichtet wird, der das Engagement Litauens in Bezug auf Ausbildung und Forschung demonstriert. Die Universitätsbibliothek ist allerdings schon fertig. Sie ist 24 Stunden und sieben Tage die Woche offen und ist technisch auf dem neuesten Stand. Auch Samstag früh, als wir sie besuchten, waren etliche StudentInnen schon fleißig in ihre Bücher oder Computer vertieft. Für mich ist dieses persönliche und öffentliche Engagement ein Zeichen des Willens den Anschluss an die anderen Länder in Europa und darüber hinaus zu gewinnen und insofern vorbildlich.