USA und Europa: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Anfang März ging es wieder einmal nach Washington. Es war mein erster Besuch nach der Wiederwahl von Obama. Der eigentliche Anlass war auch der Meinungsaustausch zwischen Europäischen SozialdemokratInnen und den US- DemokratInnen. Vor allem wollten wir vom erfolgreichen Obama Wahlkampf lernen.

Allerdings benutze ich auch die Gelegenheit zu den wichtigen Themen, die derzeit und in näherer Zukunft zwischen den USA und Europa anstehen, um Informationen einzuholen und auch weiterzugeben. Vor allem diskutierte ich mit den Verantwortlichen der Regierung den Datenschutz und das beabsichtigte Freihandelsabkommen.

Was den Datenschutz und die damit zusammenhängenden Fragen des Cyberspace und der Cyberkriminalität betrifft, so haben die Amerikaner sicher andere Vorstellungen als wir. Es wäre falsch zu behaupten, dass sie prinzipiell den Datenschutz klein schreiben. Aber die wirtschaftlichen Interessen, vor allem der Unternehmungen haben einen viel höheren Stellenwert gegenüber den Interessen der Einzelnen, als dies in Europa der Fall ist. Wir können uns noch auf viele Debatten zwischen Vertretern der USA und Europa vorbereiten. Denn viele -europäische und amerikanische Unternehmungen sind ja auf beiden Märkten tätig.

Vor allem jene Unternehmungen sind es auch, die ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa herbeisehnen. In der Tat könnte ein solches Abkommen Vorteile für Unternehmungen und ArbeitnehmerInnen auf beiden Seiten des Atlantiks bringen. Dabei geht es weniger um den Abbau von Zöllen, die sind schon weitgehend verschwunden oder sehr niedrig, sondern eher um Standards und Genehmigungsverfahren.

Wenn sich die USA und Europa auf gemeinsame technische Standards und auch auf die gegenseitige Anerkennung von Lizenzen und Genehmigungen einigen könnten, wäre das eine große Erleichterung. Aber genau hier liegen auch die Schwierigkeiten. Denn zum Beispiel im Bereich der Gentechnologie und bei phyto-sanitären Vorschriften kann es nicht so leicht Einigungen geben, liegen doch die unterschiedlichen Vorstellungen sehr weit voneinander entfernt. Auch hinsichtlich der Liberalisierung der Dienstleistungen, vor allem der Öffentlichen gibt es sehr unterschiedliche Ansätze in Europa und den USA.

Daher machte ich schon von Vorhinein darauf aufmerksam, dass wir zwar ambitioniert,  aber auch realistisch an die Verhandlungen herangehen sollten. Man sollte vor allem nicht von der Devise ausgehen, entweder ein all umfassendes Abkommen oder gar keines abzuschließen. Das könnte das Scheitern schon in sich tragen. Denn ein Abkommen, das zwischen den USA und Europa gemeinsame Standards zum Beispiel im Energie- und Umweltbereich setzt, könnte unsere Position gegenüber anderen  Welthandelsmächten wie China und anderen stärken. Jedenfalls sollten wir die Wiederwahl eines eher europafreundlichen und für amerikanische Verhältnisse progressiven Präsidenten nützen.

Die Wiederwahl Obamas war trotz all der Enttäuschung die Europäer, aber auch Amerikaner empfinden eine hervorragende Sache. Man muss sich nur die Alternative eines Mitt Romney vorstellen. Dieser setzt auf eine immer kleiner werdende Gruppe von weißen, männlichen Wählern. Sie sind es, die sich im Amerika einer gemischten Bevölkerung, geführt von einem schwarzen Präsidenten, nicht mehr „zu Hause“ fühlen.

Obama hingegen setzt auf eine neue und immer stärker werdende Koalition von Afroamerikanern, Hispanics, Jungen und Frauen. Aber er gewann auch viele Weiße aus der Mittelklasse. Denn die Mittelklasse konnte den Rezepten eines Mitt Romney, der die Reichen steuerlich entlasten wollte und der immer nur von seiner unternehmerischen Fähigkeit sprach, nichts abgewinnen.

Das Konzept der Fairness war attraktiver als das Konzept der Steuerentlastungen für die Reichen. Niemand zahlt gerne Steuern. Aber gerade die Mittelklasse will, dass alle ihren fairen Anteil an Steuern zahlen.

Die Verhältnisse in den USA und in Europa sind unterschiedlich. So ist das Gefühl, sich in der Stadt, der Region, im Land (und damit in Europa) nicht mehr zu Hause zu fühlen in Europa, auch über die Stammwählerschaft von rechten Parteien hinaus weit verbreitet. Mehrere Wahlgänge in den vergangenen Jahren haben dies gezeigt und wir müssen darauf reagieren. Nicht mit Fremdenfeindlichkeit und Anti-Europa Populismus. Wir müssen die Befürchtungen und den Ärger der Menschen ernst nehmen. (Ein Kommentator der italienischen Wahlen meinte, diejenigen die Ängste hatten, wählten Berlusconi, die WutbürgerInnen wählten Grillo )

Wichtig ist auch, dass wir Obamas Bestreben, die Mittelklasse für sich zu gewinnen, ernst nehmen. Ohne sie ist keine Wahl zu gewinnen und gerade sie sind es die oft Abstiegsängste haben. Daher müssen wir als Europäer sehr ernsthaft nachdenken, welches Europa wir den Menschen mit Ärger und Ängsten anbieten. Sicher muss es ein Europa sein, das sozialer und fairer ist. Und es muss ein Europa sein, das den Ärger und die Ängste ernst nimmt und sich nicht in Verfahrensfragen verstrickt. Das erfordert noch viel Arbeit und Diskussion,  bevor wir bei den Europawahlen vor die WählerInnen treten.