Vermeidbare Irritationen

Ursula Plassnik

Ursula Plassnik

Ursula Plassnik ist sicher eine fähige, engagierte  Diplomatin. Aber sie ist auch eine sehr streitbare Politikerin. Ob sie als solches eine gute Generalsekretärin für die OSZE wäre, deren Aufgabe es ist, oftmals zu vermitteln und Kompromisse zu finden, steht auf einem anderen Blatt. Aber dazu wird es ohnehin nicht kommen, haben doch die österreichische und die türkische Diplomatie erstaunliche „Meisterleistungen“ vollbracht. Österreich wollte – entgegen den diplomatischen Usancen  – eine Österreicherin bei einer in Wien angesiedelten Organisation durchsetzen. Unser Außenminister hat es jedoch nicht verstanden, in aller Stille in der Türkei in dieser Frage vorzufühlen. Die Türkei wiederum hat ihrem Wunsch nach einem EU Beitritt einen Bärendienst erwiesen, indem sie ein öffentliches Veto einlegte.

Als einer, der immer wieder für ein konstruktives Verhältnis Österreichs und der EU insgesamt zur Türkei plädiert, muss auch ich eine zunehmende Nationalisierung in der türkischen Außenpolitik feststellen. Nun, die Türkei ist ein großer und immer mehr an Einfluss gewinnender Nachbar Europas. Gerade die revolutionären Veränderungen in den arabischen Ländern heben die Bedeutung einer Demokratie in einem islamischen Land in der Mittelmeerregion. Wir mögen zwar die verschiedenen Charakteristika der türkischen Demokratie mit Recht kritisieren, aber im Vergleich mit den gestürzten oder auch noch nicht gestürzten diktatorischen oder autoritären Systemen in der arabischen Welt ist die heutige Türkei ein Modellland. Dies vor allem nach der Zurückdrängung des Militärs aus der türkischen Innenpolitik.

Viele befürchten derzeit eine schleichende Islamisierung der Türkei. Bislang hat das türkische Militär darauf geachtet, dass eine Trennung von Staat und Religion gegeben ist. Da dies aber keine Dauerlösung sein kann, müssen nun die demokratischen Institutionen diese Aufgabe übernehmen. Der Wahlsieg der AKP bestätigt den bisherigen Kurs. Für die Entwicklung der Türkei ist es von Vorteil, dass der Erfolg der Partei von Ministerpräsident Erdogan im Rahmen geblieben ist. Sowohl die gemäßigt nationalistische Linie der „sozialdemokratischen“ CHP unter dem neuen Vorsitzenden als auch die Kandidatur einiger prominenter Kurden-Vertreter wurde von den WählerInnen, wenngleich nicht überschwänglich, belohnt. Nun sollten alle Parteien und Abgeordneten Reife zeigen und gemeinsam an einer neuen, modernen  Verfassung arbeiten. Die CHP muss in Zukunft eine klarere nicht-nationalistische Haltung einnehmen und die kurdischen VertreterInnen müssen sich deutlich vom Terrorismus distanzieren und ihre parlamentarische Arbeit ernst nehmen.

Der außenpolitische Kurs wird auch in Zukunft durch Bemühungen um einen EU- Beitritt als auch durch ein stärkeres Selbstbewusstsein und eigene Wege, vor allem in Bezug auf die Nah Ost Politik, gekennzeichnet sein. Und das wiederum wird die Türkei oftmals in Konflikt mit der EU bringen. Ein solches Selbstbewusstsein, das manchmal fast arrogant wirkt, stößt all jene vor den Kopf, die ohnedies ein zuwenig an Gemeinsamkeit, besonders in der EU Außenpolitik, beklagen.

Die Türkei ist aber nicht nur als moderne, säkulare aber auch islamisch geprägter demokratischer Staat bei der Heranführung der arabischen Länder an die Demokratie, sondern auch in Wirtschafts- und vor allem in Energieversorgungsfragen, ein wichtiger Partner Europas. Daher werde ich nie die herablassende bis negative Haltung vieler österreichischer PolitikerInnen teilen. Ich verstehe durchaus den wahltaktischen Hintergrund, aber dabei handelt es sich um eine sehr kurzfristige und für unsere Interessen schädliche Politik.

Nicht jedes Land aus unserer Nachbarschaft kann und soll Mitglied der EU werden. Allerdings, da nun einmal seitens der EU das prinzipielle Angebot eines möglichen (!) Beitritts gemacht wurde, soll man in Ruhe weiter verhandeln. Es werden noch viele Jahre vergehen, bis klar wird, ob ein solcher Beitritt tatsächlich möglich und wünschenswert ist. In der Zwischenzeit jedoch sollten beide Seiten, die Türkei und die EU samt ihren „beitrittsskeptischen“ Mitgliedsländer wie Österreich, mit mehr Vernunft und Gelassenheit reagieren und die Vorteile guter gegenseitiger Beziehungen ausnützen und sie nicht durch unüberlegte Aktionen belasten.