Von China lernen!

Wenn man das Privileg hat, am  „Bund“ in Shanghai zu stehen und hinübersieht auf die Skyline von Pudong, dann könnte man sehr nachdenklich werden. Man hat die alten kolonialen Gebäude und „Konzessionen“, die den Chinesen abgerungen wurden, hinter sich und das neue, selbstbewusste und zukunftsorientierte China vor sich. Und wenn man die Frachtkähne, Ausflugsschiffe und Jachten den Huangpu stromauf- oder abwärts fahren sieht – und es gibt einen regen Schiffsverkehr- dann fragt man sich, was Europa in Zukunft noch zu reden haben wird.

Wir haben ebenso wie die Japaner die Chinesen immer wieder in die Knie gezwungen. Nach dem sie viele Jahre technologisch und wissenschaftlich und damit oft auch wirtschaftlich führend waren, sind sie deutlich zurückgefallen. Aber sie haben viel von ihrem Rückstand aufgeholt. Sie betonen immer wieder, dass sie auch, wenn sie einmal aufgeholt haben werden, nicht andere unterdrücken und bedrängen werden. Ich hoffe, das stimmt; aber entscheidend ist, welchen Gegendruck jene entfalten können, die unter Druck gesetzt werden können. Da sollte man sich nicht auf den guten Willen der Chinesen verlassen. Ich hab zwar den Eidruck, dass sie es ehrlich meinen. Aber auch die heutigen Verantwortlichen können für ihre NachfolgerInnen nicht die Hand ins Feuer legen.

Entscheidend jedoch ist die Einigkeit und Stärke Europas. Und da mangelt es uns noch sehr an dieser Einigkeit. In diesem Punkt könnten wir viel von China lernen. Auch was die Notwendigkeit langfristiger Strategien betrifft. Auch hier ist uns China weit voraus. China hat, wie uns ein prominentes Mitglied des Politbüros erklärt hat, immer wieder versucht, von den anderen zu lernen. Manches hat es übernommen. An manchem ist es gescheitert. Heute sollten wir, jedenfalls was Einigkeit und langfristiges Denken betrifft, von China lernen. Da können und sollen wir dann trotzdem über individuelle Menschenrechte und notwendige Kreativität und Liberalität reden. Nicht lehrerhaft, aber mit Überzeugung. Dass wir von China lernen sollen, heißt nicht, dass nicht auch China von uns lernen kann und soll.