WIR BRAUCHEN EINE NEUE AUFKLÄRUNG

Anmerkungen anlässlich der Vorstellung des Buches „Das neue Aufklärungsdenken und der Wandel der Gesellschaft“ im Rahmen des Austrian Chapters des Club of Rome

Mut und Verstand

Immanuel Kant hat mit seiner berühmten Forderung nach einem „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ einen wichtigen Weg vorgezeichnet. Seine Aufforderung, Mut zu haben und sich seines „Verstands zu bedienen“, gilt heute mehr denn je. 

Oft sind es Emotionen, die den – politischen – Verstand trüben. Aber daran ist auch eine falsch verstandene Auffassung von Rationalität und Ökonomie schuld. Aufklärung wurde missbräuchlich mit absoluter Beherrschung der Welt durch Wissenschaft und Technik verstanden. Diese Überschätzung der menschlichen Möglichkeiten bzw. die Unterschätzung der negativen Konsequenzen der Allmachtfantasie musste zu Gegenreaktionen führen.

Erneuerbare und nicht-erneuerbare Ressourcen

Vor allem wurde „übersehen“, dass ein Wirtschaftssystem für eine Welt mit Wenigen nicht auch als System für eine Welt mit Vielen, also gestiegener und steigender Weltbevölkerung dienen kann. Prof Weizsäcker hat erst jüngst in einem Vortrag beim Club of Rome in Wien darauf hingewiesen. 

Der Glaube, alles machen zu können, alles dem technischen Fortschritt unterwerfen zu können und die „Nebenwirkungen“ bzw. Kollateralschaden missachten zu können, hat sich als fataler Irrtum erwiesen. 

Es gibt zwar einige Ressourcen, die – bei sorgfältiger – Pflege erneuerbar sind aber viele sind es nicht. Vor allem geht es auch um die adäquate Ernährung einer gestiegenen und noch wachsenden Weltbevölkerung. 

Ein einseitiger und die lokale Bevölkerung missachtender Ressourcenabbau, eine unterentwickelte Landwirtschaft und Korruptionsverflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft verhindern die demokratischen Entwicklungen und bewirken große Wanderungsströme. 

Die Gegenaufklärung gewinnt an Boden

Statt die Aufklärung zu verfeinern und an die Bedingungen einer global gewachsenen Wirtschaft und Bevölkerung anzupassen, erleben wir heute eher eine Gegenaufklärung, oft verbunden mit der Missachtung oder gar Leugnung des Klimawandels. 

Dafür sind mehrere Faktoren verantwortlich. Die Ökonomisierung – statt Demokratisierung – aller Lebensbereiche bei gleichzeitiger Konstanz oder sogar Steigerung der Einkommens- und/oder Vermögensunterschiede ist ein wesentlicher Faktor. 

Hinzu kommt die Globalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen, der Migrationsströme aber auch und besonders der Informationsverläufe oder sogar der Desinformationsnetze. Sowohl global als auch national gibt es dabei Kräfte, die solche Desinformationen mit Verve verbreiten.

Unsicherheit und Wunsch nach einfachen –  nationalen – Antworten

Entscheidend sind oft nicht die tatsächlichen Verhältnisse und Veränderungen sondern die wahrgenommenen. Und hier spielen die vielen Informationen, vor allem aber bewusste Desinformationen, eine große Rolle. 

Jedenfalls sind viele Menschen verunsichert – angesichts der Unübersichtlichkeit und auf sie einprasselnden Unsicherheit. Daher der Wunsch nach klaren und auch starken und eindeutigen Antworten. 

Die Antworten sollen dabei auch überschaubar sein und der überschaubare politische Rahmen ist der nationale. Auf der nationalen Ebene gäbe es auch viel zu tun. Leider aber wird der nationale Rahmen oft mit nationalistischen Slogans ausgefüllt anstatt mit nationalen Beiträgen zur europäischen und globalen Politik der Nachhaltigkeit. 

Und Europa?

Europe im Sinne der EU hat es – noch – nicht verstanden einen solchen überschaubaren und durchschaubaren Rahmen abzugeben. Es wäre eine sinnvolle Vermittlungsebene zwischen dem nationalen und dem globalen Handlungsrahmen. 

Europa ist in vielen Bereichen der Umweltpolitik beispielhaft tätig aber es bleibt noch viel Überzeugungsarbeit zu tun, um die EuropäerInnen mit auf die Reise zu einer nachhaltigen Entwicklung in Europa selbst und auf globaler Ebene zu nehmen. 

Europa sollte auch gegenüber der Liberalisierung eine vorsichtigere und gemäßigtere Haltung einnehmen. Menschen brauchen vor allem auch soziale Sicherheit und eine gemeinnützige Wirtschaft – vor allem den sozialen Wohnbau – wenn sie auf der anderen Seite Verständnis für Veränderung ihres Lebensstils aufbringen sollen. (Siehe auch die derzeitigen Unruhen und Streiks, die von den „gelben Westen“ in Frankreich organisiert wurden.)

Regionale Verantwortung

Wir sollten allerdings auch nicht den regionalen Handlungsspielraum vergessen. Ich möchte hier nur zwei Beispiele regionaler Initiativen erwähnen, in denen ich persönlich engagiert bin: den Club of Rome Carnuntum in NÖ und den Denkraum Fresach in Kärnten mit seinen Toleranzgesprächen.  Wir brauchen auch diesen bottom up Ansatz um eine neues Aufklärungsdenken zu entwickeln. 

Vor allem angesichts des Gefühls im ländlichen Raum vernachlässigt zu sein, sollten wir verstärkt diesen Räumen, die oft eine starke Abwanderung von Menschen, sozialen Einrichtungen aber auch Betrieben erleben, mehr Aufmerksamkeit schenken. 

Wir sollten den bei den letzten Wahlen bemerkbaren, deutlichen Ruck nach rechts, insbesondere in „vernachlässigten“ Gebieten als Aufforderung verstehen, sich zu überlegen, wie wir die Lebensverhältnisse gleichwertiger – nicht gleicher – gestalten können. 

Soziale Integration mit mehr Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sowie gegenseitige Toleranz sind wesentlichen Voraussetzungen für eine Akzeptanz, unser Leben mit mehr Nachhaltigkeit auszugestalten. Anpassungen an neue, nachhaltige Entwicklungsbedingungen darf nicht nur von den sozial Schwächeren verlangt werden. 

Zusammenfassung

In mehreren Ländern gibt es eine intensive Debatte über die Aufklärung. Sie wird zum Teil für alle Übel auf dieser Welt verantwortlich gemacht. Zum Teil sind Menschen am Werk, die eine „Gegenrevolution“ ausrufen wollen. So meint der französische Autor Michael Houellebecq : „DIe Philosophie der Aufklärung, man kann darüber ein Kreuz machen: verstorben“.  

Nein, die Aufklärung darf nicht sterben, es geht vielmehr darum, sie unter neuen Bedingungen neu zu formulieren. Es geht also um eine selbst-reflektierende Aufklärung. Wichtig ist sicherlich auch auf Ängste und Emotionen Rücksicht zu nehmen. Und vor allem geht es darum, die zerstörerischen Kräfte zu bannen und eine neue Ökonomie der Ressourcenschonung und der Nachhaltigkeit zu entwickeln. All das bedarf kein Zurück zur Zeit vor der Aufklärung sondern ein nach vorne zu einer neuen Aufklärung.

Das nun veröffentlichte Buch, das die Referate und Diskussionen der letzten Jahrestagung des Club of Rome- Austrian Chapter zusammenfasst,  gibt viele Anregungen zu einem neuen Aufklärungsdenken.