WO BLEIBT DER RESPEKT?

Reisen und Respekt

Im Rahmen der Vorstellung der diesjährigen Fresacher Toleranzgespräche (siehe Fresach.org) diskutierten wir die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Tourismus. Dabei wurde auch die Migration als eine spezielle Form des Reisens analysiert. Was jedenfalls diesen verschiedenen Formen des – freiwilligen und erzwungenen – Reisens eigen sein sollte ist der gegenseitige Respekt. Er ist die Basis, das Fremde zu verstehen und damit sinnvoll umzugehen. Vor allem auch die Grundlage dafür, Angst zu verlieren.

(c) www.fotodienst.at / Anna Rauchenberger – Wien, 18.01.2018 – Programmvorstellung Europäische Toleranzgespräche 2018: Podiumsdiskussion. FOTO: Dr. Hannes Swoboda, Präsident des Kuratoriums der Europäischen Toleranzgespräche

Zuerst zum freiwilligen Reisen: In ein fremdes Land zu fahren sollte immer auch vom Respekt für die Kultur und Eigenheiten des Landes getragen sein. Aber auch die Menschen des Gastlandes sollten im Besucher nicht bloß ein Objekt des „Abzockens“ sehen. Der Tourist sollte natürlich Geld ins Land bringen aber er sollte auch als Mensch akzeptiert und behandelt werden.

Dasselbe gilt ja auch für die Migration. Wer in ein fremdes Land kommt und dort um Aufnahme und Unterstützung ansucht, sollte nicht nur die Verfassung sondern auch die Gebräuche und Verhaltensregeln des Landes respektieren und akzeptieren. Und er/sie sollte sich auch bemühen, die Sprache des neuen Landes zu erlernen, wenigstens in wesentlichen Grundbegriffen, auch wenn er/sie vorhat, das Land wieder zu verlassen. Das setzt aber voraus, dass die Menschen des zukünftigen Gastlandes auch den „Flüchtling“ als Menschen in Not respektieren. An erster Stelle sollte nicht Misstrauen stehen sondern der Respekt gegenüber des Flüchtlings Leid, seinen Erlebnissen auf der Flucht und seinen Bedürfnissen im neuen Land.

Respekt bedeutet auch, dass man ihm/ihr Zeit gibt, sich an die neue Heimat zu gewöhnen, dass er/sie dabei auch auf Hilfe rechnen kann. Dieser grundsätzliche Respekt, der auch Offenheit und gegenseitige Lernbereitschaft zum Ausdruck bringt, hilft auch Vorurteile abzubauen oder erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Übrigens ist dieser Respekt etwas, was uns nicht nur beim Reisen und bei Begegnungen mit fremden Kulturen hilft. Wenn man sich so manche Schimpftiraden und „shit storms“ in den sogenannten sozialen Medien ansieht, dann wird man erkennen, wie wenig Respekt vorhanden ist und wie dieser Mangel das Gemeinsame zerstört und das Zusammenleben erschwert. Vielleicht haben wir auch, unabhängig von der Zuwanderung, in unseren Gesellschaften schon verschiedene, manchmal unversöhnliche Kulturen – dann aber ist es schwierig, neuen Kulturen gegenüber offen zu sein. Aber in einer unweigerlich „globalisierten“ Welt müssen wir alle daran arbeiten, mit Respekt auf einander zu zu gehen.

(c) www.fotodienst.at / Anna Rauchenberger – Wien, 18.01.2018 – Programmvorstellung Europäische Toleranzgespräche 2018: Podiumsdiskussion

Ein Besuch im Museum kann helfen

Respekt vor anderen Kulturen kann man auf faszinierender Weise auch im neu gestalteten Wiener Weltmuseum lernen. Hier kann man auf anschaulicher Art Respekt vor anderen Kulturen entwickeln. Ein solcher Besuch – es ist ja auch eine Reise ins „Fremde“ – kann auch dazu beitragen, manch europäische Arroganz abzutragen. Es wird deutlich dass viele außereuropäische Völker eine hervorragende kulturelle Leistung vollbracht haben und auch heute noch vollbringen. Dabei sind oftmals – auch in der Vergangenheit – globale oder jedenfalls „grenzüberschreitende“ Einflüsse bemerkbar. Ebenso deutlich wird, dass vielfach die europäischen  – und danach auch amerikanischen – Interventionen kulturelle Identitäten zerstört und vernichtet haben. Wir brauchen also nicht allzu stolz auf die globalen Errungenschaften der christlichen Zivilisation sein.

Beim Besuch des Weltmuseums Wien stellt sich natürlich die Frage – wie bei vielen anderen Museen – inwieweit die Präsenz der gezeigten Objekte in Wien gerechtfertigt ist. Wie viel davon ist geraubt oder den anderen Völkern bzw. Herrschern abgepresst worden? Man erinnere sich an die Diskussion um die mexikanische „Federkrone“. Der französische Präsident Macron hat in einer Rede in Afrika (Ougadougou) die Rückkehr vieler Objekte angekündigt: „Ich möchte, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre die Voraussetzungen für die zeitweise oder endgültige Restitution des afrikanischen Erbes an Afrika geschaffen werden“ und „Das Afrikanische Erbe darf kein Gefangener europäischer Museen sein“.

Die Debatte hat auch das neue Humboldt Forum in Berlin erreicht, das ja nicht zuletzt auf Anregung einer von mir geleiteten Kommission die außereuropäischen Sammlungen aus dem Museum in Dahlem aufnehmen soll. Die bekannte Historikerin und vor allem Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, die sich aus dem Expertenbeirats des Humboldt Forum wegen einer ihrer Meinung nach allzu unkritischen Befassung mit der Vergangenheit der Sammlungsobjekte zurückgezogen hat, meint grundsätzlich: „Die Museen in unseren Hauptstädten sind leuchtende Konservatorien der menschlichen Schöpfungskraft. Sie sind zugleich durchaus unfreiwillig auch Verwahrer einer dunklen und bislang allzu selten erzählten Geschichte“. Das Weltmuseum Wien leistet bezüglich der Auseinandersetzung mit der manchmal zweifelhaften Vergangenheit der europäischen Herrscher und Kolonialforscher bereits gute Ansätze.

Es wird schwierig für all diese Fragen eine gerechte und für den Dialog der Kulturen förderliche Lösung zu finden. Könnten gemeinsame Museen, die in mehreren Ländern Ihre Exponate – abwechselnd oder parallel – zeigen, eine salomonische Lösung erbringen? Bénédicte Savoy spricht von „bislang unbekannten juristischen Konstruktionen“ und „neuen Formen der Partnerschaft“. Wir sollten jedenfalls Lösungen finden, die nicht Verbindungen kappen und Kulturen voneinander trennen. Die Präsenz unterschiedlicher Kulturen, die sich gegenseitig befruchten, sollte das Ziel sein. Das würde auch den nötigen Respekt fördern. Einen Respekt, der für das friedliche Zusammenleben entscheidend ist. Das Weltmuseum in Wien hinsichtlich der Auseinandersetzung mit leistet dazu bereits gute Ansätze.