Wohnbau zwischen Energieeffizienz, Kostendruck und Nutzerwünschen

Die Nutzerwünsche

Politik und so auch die Wohnungspolitik muss selbstverständlich den Nutzerwünschen gerecht werden. Und das gilt auch für die auf dem Wohnungsmarkt auftretenden Anbieter. Allerdings, mit den Wünschen ist das nicht so einfach. Schon Kurt Tucholsky hat in einem bekannten Gedicht in der ersten Strophe festgestellt:

Ja, das möchste:

Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän.
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehen
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.
Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit.

Und der Philosoph Carlos Fraenkel meint in seinen Überlegungen „Vom Nutzen der Philosophie in einer zerrissenen Welt“ („Mit Platon in Palästina“):

„Wir wissen, dass Sport gut für die Gesundheit ist, handeln aber nicht entsprechend; wir wissen, dass Fahrradfahren gut für die Umwelt ist, nehmen aber das Auto; wir wissen, dass bestimmte Waren unter unfairen Bedingungen produziert wurden, kaufen sie aber trotzdem. Anders gesagt, wir handeln nicht immer nach den Werten, die wir für richtig halten.“

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Nun, das sollte allerdings nicht dazu führen, dass wir uns um Nutzerwünsche nicht kümmern. Aber genau dieses zwiespältige Verhalten, das wir alle aus dem eigenen Leben kennen, macht es notwendig durch Regeln und Gesetze in dieses Leben und dazu gehört auch das Wohnen einzugreifen. Es gilt die Interessen der Allgemeinheit und vor allem die der zukünftigen Generation durchzusetzen.

Allerdings sollten wir das in einem vernünftigen Maß und in einer die Nutzer anregenden Weise tun. Die BewohnerInnen sollten Anreize bekommen, selbst einen Beitrag zum allgemein gewünschten Ergebnis einer nachhaltigen und ökologischen Entwicklung beizutragen.  Bei all den notwendigen Regulierungen sollten wir nie vergessen, dass wir einen entsprechenden Freiraum erhalten sollen, der zu Innovationen führt.

Energieeffizienz und nachhaltige Entwicklung

In der jüngsten Zeit wurden zwei globale Vereinbarungen geschlossen, die die nachhaltige Entwicklung und damit die Begrenzung der Erderwärmung zum Ziel haben. Einerseits die 2030 Agenda der Vereinten Nationen und die diesbezüglichen Beiträge und Beschlüsse der EU und dann die Vereinbarung zum Klimaschutz von Paris. In beiden Deklarationen wird ein enger Zusammenhang zwischen der Klimapolitik und dem Gebot der Armutsbekämpfung hergestellt.

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Der deutsche Klimaexperte, Prof. Dirk Messner hat kürzlich auch in Wien in einem Vortrag organisiert vom Austrian Chapter des Club of Rome auf die absolute Notwendigkeit, Klimaschutz und soziale Ziele gemeinsam zu verfolgen, hingewiesen.

Eine Begrenzung der Erderwärmung auf 2 Grad – oder darunter – erfordert eine totale Decarbonisierung zwischen 2040 und 2070.  Das ist durchaus möglich, denn wie wir sehen haben sich die Kosten der Solarenergie seit 1980 um 86% reduziert und die der Windenergie um 35%. Die Decarbonisierung ist jedenfalls eine globale Aufgabe und umfasst auch die Industrieländer. Es geht also darum, nachhaltig produzierte Energie möglichst günstig an die Nutzer zu liefern und gleichzeitig Energie einzusparen. Letztendlich muss es ein gleiches Recht für Emissionen für alle ErdbewohnerInnen geben und zwar parallel zum Abbau der Emissionen weltweit.

Eine „Große Transformation“ ist also durchaus möglich. Aber laut Prof. Messner brauchen wir dazu einen Gesellschaftsvertrag, der auch die soziale Frage mit berücksichtigt. Eine Bevölkerung, die eine unfaire Verteilung von Einkommen und Vermögen wahrnimmt, die durch die Globalisierung einen Kontrollverlust empfindet und unter hoher Steuerungerechtigkeit leidet, wird sich nicht für die notwendige „Große Transformation“ gewinnen lassen. Es geht also nicht um einen Stopp der Entwicklung, vor allem nicht für die sozial Schwachen. Dies gilt auch für die Wohnungspolitik, die vor allem die Versorgung der unteren Einkommensschichten im Auge haben muss.

Diese grundsätzliche Haltung, die Klimaziele mit sozialen Zielsetzungen zu verbinden, ist gerade für den Wohnbau wichtig. Denn nur ein sozialer Wohnbau ist geeignet, die ökologischen Ziele gerecht und fair umzusetzen. Und angesichts einer schwächeren Wirtschaftsentwicklung und gestiegener Arbeitslosigkeit wird die soziale Komponente und die Leistbarkeit ein höheres Gewicht bekommen.

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Inzwischen hat sich auch die EU stärker in die Debatte eingemischt, nicht nur mit einzelnen Energiesparzielen sondern auch mit einer stärkeren Beschäftigung mit der europäischen Stadt. Ein immer größerer Anteil der Menschen lebt in Städten, auch in Europa. In einem jüngst beschlossenen „Pakt von Amsterdam“ fordert die EU im Rahmen einer „Urban Agenda“ die Nachhaltigkeit der städtischen Entwicklung.

Dabei könnte man sagen, in der Stadt zu leben ist als solches ein Beitrag zur Nachhaltigkeit, vor allem zum Energiesparen. Das betrifft nicht nur die Großstädte sondern alle urbanen Gebiete. Und angesichts des Bevölkerungswachstums inklusive einer verstärkten Zuwanderung kommt einer ökologischen Stadtentwicklung, die auch einen energiebewussten Wohnungsbau umfasst, eine große Bedeutung zu.

Nachhaltigkeit verlangt nach einem umfassenden Gestaltungswillen

Die urbane Agenda der EU versucht, eine umfassende Strategie der städtischen Entwicklung zu entwerfen von der Armutsbekämpfung über die Umsetzung der Klimaziele und der Energiewende bis zum sozialen Wohnen und der nachhaltigen Mobilität. Entscheidend ist der umfassende Ansatz, der sich nicht auf einzelne Sektoren und Politikbereiche konzentriert. Daraus sollte die EU Kommission selbst aber auch Österreich lernen.

So ist der Mangel an verbindlicher Raumordnung, den ich in Österreich so schmerzlich empfinde, ein unverzeihliches Vergehen an der Nachhaltigkeit. Und insofern ist es absurd, welche Detailanforderungen an den Wohnungsbau gestellt werden, aber ein wichtiges Instrument für eine nachhaltige, energiesparende Entwicklung, nämlich die Raumordnung total vernachlässigt wird.

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Das Kosten-Nutzen Verhältnis der Energiesparmaßnahmen im Wohnbau selbst ist sicher schlechter als das einer nachhaltigen Raumordnungspolitik. Zumindest sollte eine solche mit entsprechenden Auswirkungen im Wohnbau und Verkehr ein fixer Bestandteil einer umfassenden Klimapolitik sein.

Schon 2007 in der Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt – angenommen nach einem informellen Ministertreffen der EU – heißt es dazu:

„Wir brauchen mehr ganzheitliches und abgestimmtes Handeln aller am Prozess der Stadtentwicklung beteiligten Personen und Institutionen – auch über die Grenzen einzelner Städte und Gemeinden hinaus….Um diese Verantwortung auf den verschiedenen Regierungsebenen effektiv zu gestalten, müssen wir die sektoralen Politikfelder besser koordinieren und ein neues Verantwortungsbewusstsein für eine integrierte Stadtentwicklungspolitik schaffen“.

Aus meiner Sicht ist das jedenfalls nicht in ausreichendem Maße gelungen, noch viel zu oft werden einzelne Regelungen und Verordnungen beschlossen, die ein Gesamtkonzept vermissen lassen.

Dabei würde ich nicht so weit gehen, wie unlängst der bekannte deutsche Architekt Hans Kollhoff, der meinte:

„Das ganze energetische Bauen ist auf falschem Gleis, diese absurden Debatten und grünen Gütesiegel geben der Architektur den Rest. Das ist Augenauswischerei, da werden Rechnungen aufgemacht, die in der Praxis nicht durchzuhalten sind. Ein Haus ist kein Energieproduzent, und wenn es das werden will, ist es kein Haus mehr.“

Ich glaube Kollhoff übertreibt da gewaltig, aber richtig ist, dass zu viele Einzelvorschriften den Bauträgern und den Architekten das Leben über die Maßen schwer macht. Die Frage die wir uns alle stellen müssen, ist wie man die energiepolitischen Ziele erreichen kann ohne Überregulierung und dafür mit mehr Flexibilität für Architekten, Bauträger und Nutzer. In den heute so oft propagierten Smart Cities sollte genau das erreicht werden.

Smart Cities

Die Smart Cities sind solche, die die verschiedensten Instrumente von den digitalen Technologien über die Auswahl der Materialien und der Verkehrsträger bis zur Gestaltung der Großen und kleinen Grünräume ( inklusive urban gardening) und den sozialen Maßnahmen einsetzen, um Fairness und Nachhaltigkeit zu erzielen. Angesichts der Warnung ernst zu nehmender Wissenschaftler, dass die mitteleuropäischen Innenstädte ein Steppenklima bekommen werden, ist eine aktive Grünraumpolitik und Grundwasserpolitik eine absolute Notwendigkeit.

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Gerade attraktive Grün- und Freiräume in Nachbarschaft zu den Wohnungen haben neben einer wichtigen ökologischen aber auch eine nicht zu unterschätzende soziale Funktion. Das gilt vor allem für sozial Schwächere, die sich weder ein Wochenendhaus noch weite Ausflüge leisten können. Erholungsräume in der Nachbarschaft der Wohnungen vermindern auch die Emissionen aus dem Verkehr. Man sieht auch an diesem Beispiel, wie soziale und ökologische Aufgabenstellungen und Zielsetzungen miteinander verbunden sind.

Dabei sind generelle öffentliche (Rahmen-) Regelungen und Vorschriften genauso einzusetzen wie die Kreativität der Bauträger, ArchitektInnen und der Nutzerinnen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob nicht Bauträger und ArchitektInnen mehr gemeinsam haben als normalerweise zum Ausdruck kommt. In der Ausstellung „Am Ende: Architektur“ anlässlich des Ausscheidens von Dietmar Steiner als Direktor des Architekturzentrums Wien kann man folgenden Satz lesen:

„Dem Großteil der ArchitektInnen bleibt nichts anderes übrig, als sich mehr oder minder kampflos der Flut an Regelungen zu unterwerfen und so auf die Rolle der bloßen Gestaltgebung gesetzlicher Rahmenbedingungen reduziert zu werden.“

Dialog und Resilienz

Als Mitbegründer und jetziger Präsident des Architekturzentrums bin ich sicher voreingenommen, aber ich glaube, dass ein intensiverer Dialog zwischen ArchitektInnen und VertreterInnen der Bauträger über die Notwendigkeit von Bauvorschriften und deren Einfluss auf die Qualität des Wohnens zu mehr Gemeinsamkeiten führen wird als heute erkennbar.

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Im Rahmen eines solchen Dialogs sollten alle Fragen des nachhaltigen Bauens diskutiert werden. Dabei bin ich mir bewusst, dass es zu einer geradezu inflationären Verwendung des Begriffs „nachhaltig“ gekommen ist: ökologische, wirtschaftliche, soziale und letztendlich auch architektonische Nachhaltigkeit. Entscheidend ist die langfristige Orientierung der Bauaktivitäten unter Einbeziehung der Erhaltungs- und Betriebskosten.

Und um noch einen Modebegriff hinzuzufügen, es geht auch um die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit gegen unvorhergesehene oder auch – jedenfalls von der Wissenschaft – vorhergesehene Veränderungen. Eine davon ist der Klimawandel und die damit einhergehende Erwärmung und zunehmende Unwetter in unseren Breitegraden.

Zusätzlich sind eine stärkere Zuwanderung und eine erhöhte kulturelle Vielfältigkeit Herausforderungen, auf die wir noch nicht genügend eingestellt sind. Der Wohnbau als sozialer Wohnbau ist damit erneut gefordert. Und das nicht nur im Sinne des Angebots von Wohnungen die sich auch sozial Schwache leisten können, sondern auch eines Wohnungsbaus der den sozialen Zusammenhang durch Möglichkeiten der Begegnung und der Kommunikation fördert. Dabei müssen die Bauträger und die öffentliche Hand optimal zusammen arbeiten und sich auch die Kosten teilen.

Energieeffizienz und Kostendruck

Wir müssen uns also klar sein und auch der Öffentlichkeit klar machen, dass der Wohnungsbau nur einen Beitrag zu den Klimazielen leisten kann. Grundsätzlich geht es primär darum, dass die Energieproduktion als solches auf nachhaltiger Basis funktioniert: Sonne, Wind, Erdwärme etc. Weiters geht es darum, dass auch die Industrie und vor allem der Verkehr Energie einspart. Und dann sicher auch der Wohnbau. Dabei  geht es darum, die Nutzerwünsche nach angenehmen und leistbaren Wohnen und den Anforderungen der Klimapolitik auf einen Nenner zu bringen.

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Dabei geht es auch darum, den Nutzern einen entsprechenden Spielraum für selbstständiges Handeln zu ermöglichen. Eine Studie, die allerdings schon 2000 in Salzburg gemacht wurde, kommt zum Ergebnis, dass für die subjektive Wohnqualität, Heizung und Energie von den Nutzern nur nachrangig genannt wurde.

Gesundes Wohnen beginnt bei den meisten Menschen bei Materialien und bei Licht und Sonne. Und das hat natürlich sehr viel auch mit dem Energieverbrauch zu tun. Auch der Umweltschutz wurde von wenigen Nutzern mit dem Energieverbrauch verbunden. Nun so manches mag sich seither verändert haben, ich bezweifle allerdings eine radikale Einstellungsänderung.

Was die AutorInnen der Studie allerdings monieren ist eine stärkere Information seitens der Behörden und der Bauträger über die individuellen Möglichkeiten, Energie und damit Kosten zu sparen und damit gleichzeitig einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten:

„Bei wachsendem Wunsch der Kunden nach Dienstleistungsqualität in allen Bereichen, stark zunehmendem Energieversorgerwettbewerb (Stichwort Liberalisierung) und instabilen Rohstoffpreisen wäre es an der Zeit, Heizkosten, Energiekosten und Betriebskosten nutzerfreundlich zu visualisieren, den Zugriff über Internet zu ermöglichen und über den graphischen Vergleich mit den Vorjahren und der Kostenspanne der Nachbarn die Grundlage für ein modernes Energiekostenbewusstsein zu schaffen.“

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Nun auch damit wird man nicht alle BewohnerInnen erreichen und zufrieden stellen, aber sicher kann man diesbezüglich mehr erreichen, als heute oft geschieht. Jedenfalls ist ein intensiver Dialog über Einsparungen bei den Energiekosten, vor allem hinsichtlich zu erwartenden Preiserhöhungen bei den Energieträgern, sicher sinnvoll. Diesbezüglich müssen wir auch die Frage der digitalen Möglichkeiten, wie smart meters, zur Messung und Kontrolle des Energieverbrauchs durch die Nutzer (!) klären. Hier gilt es, den Ängsten vor der Kontrolle der gläsernen Menschen und deren Konsumverhalten mit guten Argumenten entgegenzutreten.

Zusammenfassend

1) Wir müssen auf einer Politik beharren, die von einem Gesamtansatz ausgeht -von der energiebewussten Raumordnung bis zum Energieeinsparen im Einzelobjekt. Smart Cities müssen bewusst mit allen Sektoren zur Klimapolitik und damit gegen die Erderwärmung  beitragen.

2) Klimapolitik muss immer auch mit sozialen Zielsetzungen verbunden werden. Die Bekämpfung von Armut sowie von Ungleichheit und Ungerechtigkeit sind Voraussetzungen für eine effektive Umweltpolitik.

3) Es braucht ein Mehr an Dialog zwischen Bauträger, ArchitektInnen und Nutzern. Und dann braucht es Rückkoppelungen an die Gesetzgeber.

4) Die NutzerInnen der Wohnungen sollen nicht als passive Objekte gesehen werden sondern es soll ihnen eine aktive Mitgestaltungsmöglichkeit gegeben werden.