Wozu Bruno Kreisky Preis für das politische Buch?

In der Tat gibt es viele, manche würden sagen zu viele Buchpreise. Nun lassen Sie mich – lasst mich – ein wenig erklären, warum wir dennoch am Bruno Kreisky Preis für das politische Buch festhalten.

Politische Gestaltung ist schwieriger aber notwendiger denn je.

Bruno Kreisky war nicht nur ein äußerst erfolgreicher Bundeskanzler und SPÖ Vorsitzender. Der Name Bruno Kreisky steht für eine Politik, in der sowohl an den materiellen Fortschritt derer gedacht wird, die eine Unterstützung brauchen, aber auch überlegt wurde, wie wichtige gesellschaftspolitische Weichenstellungen vorgenommen werden können. Politik ist ja was anderes als Verwalten, sie muss eine entscheidende gestalterische Zielsetzung haben.

Nun ist es sicher heute viel schwieriger, politische Weichenstellungen – vor allem auf nationaler Ebene – vorzunehmen. Aber weder der globale Markt noch die neuen Technologien machen Politik unmöglich oder gar unnötig. Man muss nur in größeren Zusammenhängen denken. Und das hat Bruno Kreisky wahrlich getan, von europäischen Fragen über die Nah Ost Problematik bis zu Fragen der internationalen Entwicklung.

Der Außenpolitiker und der Innenpolitiker ergänzen sich

Schon als Außenminister hat Bruno Kreisky entsprechende Zeichen gesetzt, zum Unterschied zu manchen seiner Nachfolger. Aber sein außenpolitisches und internationales Engagement stand nicht im Gegensatz zu seinem Engagement für Österreichs Bevölkerung, auch wenn ihm der politische Gegner abgesprochen hat, ein „echter“ Österreicher zu sein – ich erinnere an das entsprechende Plakat in der Wahlauseinandersetzung mit Bundeskanzler Klaus.

Bruno Kreisky war keineswegs fehlerlos, über viele seiner Entscheidungen konnte man, über manche musste man diskutieren oder gar den Kopf schütteln. Aber von Umweltfragen bis zur Gleichstellung der Frauen stand er an der Spitze der Entwicklungen und war nicht hinter diesen zurückgefallen.

Kreisky hat immer an die Zukunft gedacht, aber war sich bewusst, dass zur Gestaltung der Zukunft die Geschichte nicht außer Acht gelassen werden darf. Geschichte wiederholt sich nicht aber sie lastet oft schwer auf aktuellen Situationen und zukünftigen Entwicklungen.

Man sieht das insbesondere an einer Region, der sich Kreisky besonders gewidmet hat, dem Nahen Osten. Ich erinnere mich noch wie viele ihn kritisiert haben, dass er sich mit einem solchen „Randthema“ beschäftigt. Hätten sich mehrere europäische PolitikerInnen schon früher mit diesem „Randthema“ beschäftigt und hätten sie den Mut , unorthodoxe aber notwendige Friedenslösungen vorzuschlagen and auf deren Umsetzung zu drängen wären wir heute schon viel weiter.

Das sind einige der Gründe warum wir an einem Bruno Kreisky Preis festhalten. Der Preis soll nicht nur entsprechende literarische Leistungen belohnen sondern uns selbst daran erinnern, über den Tag hinaus zu denken und nie den Gestaltungswillen aufzugeben. Die Ungerechtigkeiten von der Verteilung der Einkommen und Vermögen bis zur Verletzung der Menschenrechte sind immer wieder Anlass aufzuschreien und mehr Gerechtigkeit und Fairness anzumahnen.

Lassen wir uns nicht unsere Themen zudecken

Und wir sollten uns nicht der Strategie der Rechten und der extremen Rechten beugen, die die ethnische Frage – Österreicher gegen die Ausländer, vor allem MigrantInnen – und die Sicherheit als das einzige Problem in unserer Zeit anerkennen. Den Menschen ist Sicherheit ein großes Anliegen und die Politik muss handeln. Aber den Rechten geht es darum, die wichtigen ökonomischen und sozialen Fragen zu überdecken und in den Hintergrund zu rücken.

Wenn nur mehr über das Kopftuch, Flüchtlinge, Terrorismus und Wahl-Auftritte von türkischen Politkern geredet wird, dann haben sie ihr Ziel erreicht. Und die Terroristen und extremen türkischen Nationalisten haben damit ebenfalls ihr Ziel erreicht. Da sollten wir nicht naiv sein. Wir müssen auf unseren Themen beharren, denn sie sind die entscheidenden Anliegen, um die Ursachen der gesellschaftlichen Fehlentwicklungen zu bekämpfen.

Die Bedeutung der Kultur zum Verstehen

Bruno Kreisky war aber auch ein Mensch der Kultur und insbesondere des Buches. Aber nicht aus beruflicher Notwendigkeit sondern aus eigenem Interesse. Und deshalb wollen wir jedes Jahr Buchpreise vergeben, jedenfalls Preise für das geschriebene Wort. Das mag unmodern sein und in Zeiten, wo Spitzenpolitiker fast ausschließlich mittels Twitter Nachrichten kommunizieren, als antiquiert angesehen werden. Aber 140 Zeichen ersetzen keine ausführlicheren Artikel und schon gar keine Bücher.

Auch ich selbst benütze Twitter und Facebook – und die gelten inzwischen schon bei manchen als überholt – aber Bücher haben einen anderen Wert und für mich steht auch das Papier Buch in der persönlichen Wertschätzung noch immer vor dem eBook.

Komplexität reduzieren aber nicht leugnen.

Bücher sind deshalb wichtig weil sie viel besser die Komplexität der Welt – von den persönlichen Beziehungen bis zu den politischen Verhältnissen – abbilden als jede andere Form der Präsentation oder Mitteilung. Und in Zeiten, wo viele PolitikerInnen und Medien die Komplexität leugnen und/oder missachten, ist es wichtig drauf zu beharren, dass die Welt komplexer ist.

Sie zu reduzieren, wie das der Roman oder das Fachbuch macht, ist sicher richtig und hilfreich. Aber sie zu reduzieren, um die Komplexität der Welt, der Gesellschaft und der persönlichen Beziehungen zu durchschauen und mit ihr umzugehen, heißt nicht sie zu leugnen und simple Lösungen bzw. Nicht-Lösungen anzubieten.

Algorithmen ersetzen nicht Politik

Und damit sind wir wieder bei der Politik und bei Bruno Kreisky. Wir haben das Politische niemals sehr eng aufgefasst. Nun, parallel zum Ausspruch „Alles ist Kunst“ möchte ich nicht sagen „Alles ist Politik“, aber für uns können Romane genauso unter diese Kategorie fallen wie ein nachhaltiges Engagement in und für ein Medium – wie der Falter- , das von der Politik über die Wirtschaft bis zur Kultur eine breite Palette an kritischen Beiträgen liefert.

Schon heute zeichnet sich ab, dass die verschiedenen Algorithmen, das Internet der Dinge und die Roboter – noch (!) alles von Menschen geplant und  gestaltet – unser Leben immer mehr bestimmen werden.  Algorithmen beeinflussen schon heute oft unsere Konsumentscheidungen. Das Internet der Dinge wird unser tägliches Leben vereinfachen aber auch steuern. Roboter werden manchen Werktätigen die Arbeit erleichtern aber vielen auch die Arbeit wegnehmen. Und dabei sind alte Formen der Ausbeutung und der Unterdrückung am Arbeitsplatz noch gar nicht verschwunden.

Angesichts dieser Entwicklungen sind auch politische Entscheidungen verlangt. Nicht dass wir technologische Entwicklungen einfach verhindern und umkehren können. Aber es sollten doch Rahmenbedingungen gesetzt werden, die eine bewusste Verwendung und Benützung dieser Technologien ermöglicht.

Wenn daher auch der von mir sehr geschätzte Kommentator der FT, Simon Kuper, meint: „Forget Politics -Tech will shape our Future“ so das ist das gegenüber einer willkürlich-nationalistischen Politik eines Donald Trump verständlich. Aber für die Sozialdemokratie bleibt die Politik mit einem Gestaltungsauftrag versehen.

Über Jahre hinweg haben wir bei der Auswahl der PreisträgerInnen auf diese Gestaltungsaufgabe der Politik im weiteren Sinn beharrt und sie als Richtschnur für unsere Entscheidungen anerkannt. Auch die heutigen/heurigen PreisträgerInnen passen in diese – politische – Ausrichtung, die uns Bruno Kreisky vorgegeben hat und die wir mit seinem Namen verbinden. Aber uns geht es nach um Nostalgie sondern um einen kritischen und gestalterischen Blick in die Zukunft.