Zu Besuch in Belgrad

Hannes-lächelndNach längerer Zeit war ich letzte Woche wieder einmal in Belgrad. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Europäischen Sozialdemokratischen Partei und ehemaligen bulgarischen Ministerpräsidenten, Sergei Stanishev, besuchte ich Präsident Boris Tadić, Ministerpräsident Mirko Cvetković von der Demokratischen Partei und seinen Stellvertreter Ivica Dačić von der Sozialistischen Partei Serbiens. Die SPS ist eigentlich die Nachfolgepartei des unrühmlichen Milošević. Aber Ivica Dačić bemüht sich der Partei ein neues pro- europäisches Image zu geben und unterstützt den Modernisierungskurs von Präsident Tadić. Dačić ist überdies Innenminister und war somit mitverantwortlich für die verbesserte Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und für die Auslieferung prominenter Kriegsverbrecher.

Unser Besuch fand während kritischer Verhandlungen zwischen Serbien und Kosovo statt, im serbischen Sprachgebrauch „Gespräche zwischen Belgrad und Pristina“, da Serbien ja die Unabhängigkeitserklärung der kosovarischen Albaner nicht anerkennt. Und der Besuch fand wenige Tage vor dem EU-Gipfel statt, der hoffentlich Serbien den Status als Beitrittskandidat bringen wird. Ich glaube, dass dies höchst an der Zeit ist, denn sowohl die Reformen im Inneren, als auch die Verhandlungen mit dem Kosovo haben den Willen der jetzigen Regierung und vor allem von Präsident Tadić gezeigt den europäischen Weg zu gehen. Tadić meinte uns gegenüber, dass der Kampf gegen die kriminelle Oligarchie sein größter Erfolg sei und Innenminister Dačić hat sein Image genau durch die entsprechenden Verhaftungen enorm steigern können und zählt heute zu den beliebtesten Politikern.

Im Gespräch mit etlichen JournalistInnen wurden diese Erfolge allerdings relativiert. Nun, dass sie die Entwicklungen kritischer sehen und ungeduldig sind, ist verständlich. Und genauso sehen das mehrere Kulturschaffende. So erschien am Tag unseres Besuches in der NZZ ein Beitrag des Schriftstellers und früheren Botschafters Serbiens in Wien. Dragan Velikić. Unter dem Titel „Der letzte Zug nach Brüssel“ meinte er:“ In Serbien hat die Schattenwirtschaft die Macht. Es gibt viel zu viele, die daran interessiert sind, dass das Land möglichst lange vor den verschlossenen Schaltern der EU steht, dass der Status quo erhalten bleibt. Dass die staatlichen Institutionen auch weiterhin unfähig bleiben, Gesetze zu verabschieden, die Serbien näher an Europa bringen würden. Dass die Exekutive nicht in die Reservate der Tycoons eindringt.“

Auch das ist eine Seite des heutigen Serbiens. Das Regime Milošević und die Sanktionen haben sicher ihren Teil zum Entstehen dieser „Armee von Schmarotzern“ beigetragen. Und sie ist sicherlich noch nicht ganz verschwunden, wenn gleich einige hinter Gitter gebracht wurden. Ich übersehe diese unguten und gefährlichen Strukturen des heutigen Serbiens nicht. Aber nur der Weg nach Europa und der Druck zu Reformen und klaren Maßnahmen gegen Kriminalität und Korruption auf Druck der EU können hier relativ rasch Abhilfe schaffen. Und so ist es auch folgerichtig, dass die Verhandlungen zum Beitritt nun generell mit jenen „Kapiteln“ beginnen, die Justiz und Inneres betreffen.

Am Rande meines Aufenthalts besuchte ich auch den jüdischen Friedhof in der Mije Kovačevića, in dem der frühere Belgrader Bürgermeister Bogdan Bogdanović begraben ist. Er wurde von Milošević aus dem Amt gedrängt und ich verschaffte ihm und seiner Frau in Wien Quartier und verhalf ihm zu einer Betätigung als Künstler und Architekt, seinem angestammten Beruf. Auf dem Jüdischen Friedhof in Belgrad hatte er ein Mahnmal errichtet und an der Seite dieses Mahnmals ist er nun begraben. Auf dem Friedhof zeigte mir aber auch ein Angestellter der Friedhofsverwaltung eine Gedenktafel an die vielen Wiener Juden, die hier in Belgrad ermordet wurden. So schoss sich jedenfalls für mich der Kreis der Verfolgung zwischen Wien und Belgrad. Ich hoffe die Beziehungen zwischen diesen beiden Städten werden niemals wieder von solchen katastrophalen Ereignissen und solchen „tödlichen“ Beziehungen gekennzeichnet sein. Auch aus diesem Grund bin ich ein glühender Europäer.