Zwei Sterne am südamerikanischen Himmel

Es war nicht leicht für mich und meine Kollegen nach Bogotá zu kommen und rechtzeitig das Flugzeug von Bogotá zurück nach Frankfurt zu erwischen. Auf dem Flug von Frankfurt mussten wir auf halbem Weg über dem Atlantik umkehren, da beide Bordcomputer den Geist aufgegeben haben. Und der Rückflug von Lima nach Bogotá hatte einige Verspätung und landete im „Nowhere“ und wir mussten erst mit einem klapprigen Bus zum Terminal fahren, so dass wir wenige Minuten vor Abflug in den Flieger nach Frankfurt stiegen.

 

Aber jenseits dieser Aufregungen war es ein spannender politischer Besuch in den Hauptstädten von Kolumbien und Peru. Ausgangspunkt waren die beiden Handelsverträge, denen wir in der Woche zuvor im Plenum des EU Parlaments zugestimmt haben. Sie waren über Jahre umstritten, vor allem das Abkommen mit Kolumbien. In Kolumbien gab es viele ungesühnte Morde nicht zuletzt auch an Gewerkschaftern. Der lange Kampf zwischen der Guerilla Truppe FARC und dem Militär, sowie die mörderischen Aktivitäten von paramilitärischen Gruppen hat das Land unter eine Welle von Gewalt gebracht. Und lange Zeit merkte man kaum einen Willen dieser vielfachen Gewalt ein Ende zu bereiten.

 

Als Präsident Santos an die Macht kam, hat sich das politische Klima geändert. Fragen der Menschenrechte und der ArbeitnehmerInnenrechte wurden ernster genommen und 13.000 Leute wurden unter staatlichen Schutz gestellt, da ihr Leben bedroht scheint. Vom neuen Präsidenten wurde ein Vizepräsident ernannt, ein ehemaliger Gewerkschafter, der sich in Menschenrechtsfragen sehr engagiert. Und zuletzt hat Präsident Santos Friedensgespräche mit der FARC eingeleitet. Keineswegs ist alles in Ordnung – es gibt noch immer viele ungeklärte Morde- aber die Lage und vor allem die politische Einstellung führender PolitikerInnen hat sich doch wesentlich verbessert.

 

In Peru war die Lage in den letzten Jahren nicht so gespannt und durch Gewalt gekennzeichnet. Der terroristische „Leuchtende Pfad“ hat nicht mehr diese Bedeutung und auch hier gibt es zu sozialen Rechten und der Armutsbekämpfung eine viel positivere Einstellung als früher.

 

In beiden Ländern trafen wir etliche Regierungsmitglieder und andere offizielle Vertreter wie den Ombudsmann in Lima und den Chef einer öffentlichen Organisation zur Armutsbekämpfung in Bogotá. Wir trafen Abgeordnete und Spitzenbeamte und vor allem Vertreter der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften. Naturgemäß gaben die Gespräche unterschiedliche Bilder und Erzählungen über den sozialen Fortschritt und die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten.

 

Wichtig waren auch die ausführlichen Gespräche mit den beiden Präsidenten Santos von Kolumbien und Umala von Peru. Beide scheinen mir einen neuen Typ von Politikern in Südamerika zu vertreten. Sie sind nicht großspurigen Populisten, sondern pragmatische Männer der politischen Mitte. Ich glaube, dass ihr Bekenntnis zu sozialen Reformen und zur sozialen Absicherung der wirtschaftlichen Entwicklung ernst gemeint ist. Als Sozialdemokrat wünsche ich mir natürlich mehr und ein stärkeres Engagement in diesen Fragen, aber viele die sich in Lateinamerika auskennen, sprechen von deutlichen Akzentverschiebungen in der Art und Weise, wie an die wirtschaftliche Entwicklung in diesen beiden Ländern herangegangen wird.

 

Und beide Länder könnten in ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik beispielgebend sein. So wie die ausgehandelten Handelsabkommen, für die mein deutscher, sozialdemokratischer Kollege Bernd Lange hauptverantwortlich ist, beispielgebend für andere Handelsabkommen sein könnten. Denn wir drängten vom europäischen Parlament aus auf ein umfangreiches Programm von Menschen- und insbesondere ArbeitnehmerInnenrechten die von Kolumbien und Peru zu verwirklichen sein würden. Nur unter Annahme dieser Programme waren wir als SozialdemokratInnen bereit diesen Abkommen zuzustimmen.

 

Und unsere Reise hatte auch den Zweck die Ernsthaftigkeit unserer „Bedingungen“ zu unterstreichen. Auch nach den Annahmen der Handelsverträge im Europäischen Parlament wollten wir klarmachen, dass wir auf die Zusagen der Regierungen beider Länder nicht vergessen werden. Natürlich ist es nie leicht anderen Regierungen etwas aufzuzwingen und es dann auch noch von vielen tausenden Kilometer entfernt zu überwachen. Aber wir vereinbarten auch mit den kritischen VertreterInnen der Zivilgesellschaft einen regelmäßigen Dialog und wir werden auch wenn notwendig wiederkommen. Und dabei werden wir auch die verschiedensten Elemente der Demokratie beobachten, so auch die Rolle der Militärs. Da scheint es in Peru eine Schwächung der zivilen Überwachung des Militärs zu geben und das halte ich für eine gefährliche Tendenz.

 

Trotzdem glaube ich, dass es absolut richtig war, den beiden Handelsabkommen unter den Bedingungen des europäischen Parlaments, und vor allem unserer Fraktion zuzustimmen. Kolumbien ist – nach Brasilien- das zweitgrößte Land Südamerikas, Peru weist ein hohes Wirtschaftswachstum aus. Beide besitzen große Rohstoffreserven. Beide wissen zumindest, dass dies auch die Gefahr einer einseitigen Wirtschaftsentwicklung birgt. Und beide haben vor, massiv für eine ausgeglichene, diversifizierte Wirtschaft mit einem starken Sektor von Klein- und Mittelbetrieben zu wirken. Und beide sehen die großen Differenzen zwischen Reich und Arm und wollen vor allem den Anteil der extremen Armut (verfügbare Mittel pro Tag unter 1,5 bis 2 Dollar pro Kopf) deutlich absenken.

 

Wenn Kolumbien und Peru umsetzen, was sie versprochen haben und vorhaben und wenn die weltwirtschaftliche Entwicklung mit ihrer Nachfrage nach Rohstoffen wieder durch Wachstum gekennzeichnet ist, dann können sich beide Länder zu südamerikanischen Tigern entwickeln. Und es ist auch nicht ehrenrührig oder unmoralisch wenn europäische Unternehmen an diesem wirtschaftlichen Aufschwung teilnehmen wollen und unter anderen, neue Technologien in diese Länder importieren. Wichtig ist, dass sie sich hinsichtlich ArbeitnehmerInnenrechten, Schutz der Umwelt korrekt und fortschrittlich verhalten. Gerade bezüglich der „extractive industries“ also im Bergbau und bei der Öl- und Gasförderung verletzen oftmals auch europäische – und natürlich auch andere wie US amerikanische und chinesische – Unternehmungen die Grundregeln anständiger Investitionspolitik. Dieser Problematik möchte ich übrigens mit meiner Fraktion generell in der nächsten Zukunft mehr Aufmerksamkeit widmen.

 

Aber es steht Kolumbien und Peru nicht nur eine erfreuliche Zukunft bevor, sondern sie können auch von der Vergangenheit profitieren. Denn die Kulturen und Kunstwerke des täglichen Lebens – aus oft weit zurückliegenden Epochen – die man in beiden Ländern zu sehen bekommt sind atemberaubend. In unserem dichten Besuchsprogramm versuchte ich zwei kurze, allzu kurze Museumsbesuche hinein zu quetschen. In Bogota besuchten wir das „Goldmuseum“ und in Lima das „Museo Larco“. Ich habe kaum je so beeindruckende und außerordentlich faszinierend gestaltetes Museen gesehen. Sie zeugen von kulturellen Errungenschaften, die jede kulturimperialistische Überheblichkeit zunichte macht. Auch wenn die ausgestellten Werke Ausdruck „primitiven“ Glaubens sind, man geht angesichts der sichtbaren Kunstfertigkeit bescheiden aus diesen Museen in unsere heutige Welt zurück.