1989 und die Außenpolitik Bruno Kreiskys

kreisky-preisAnfang Juli konnte ich gemeinsam mit dem früheren Bundeskanzler Alfred Gusenbauer den Bruno Kreisky Preis für das Politische Buch an Erhard Stackl und an Elisabeth Röhrlich übergeben. Frau Röhrlich war allerdings in letzter Minute verhindert, an der Übergabe teilzunehmen. Dennoch habe ich als Vorsitzender der Jury einige Sätze zur Begründung des Anerkennungspreises gesagt. Nicht zuletzt angesichts des Namens des Preises und des Ortes der Preisverleihung in der Bruno Kreisky Villa in der Wiener Ambrustergasse.

Die Kreiskysche Außenpolitik

Die Arbeit von Elisabeth Röhrlich beleuchtet die Kreiskysche Außenpolitik sowohl vor dem persönlichen als auch dem geopolitischen Hintergrund. Die jugendliche Prägung durch den Zerfall der Monarchie, die Wirren der Zwischenkriegszeit und die persönlich erlittene, politische Verfolgung und Gefangenschaft hatte sicher einen bedeutenden Einfluss auf die Persönlichkeit des späteren Politikers. Ebenso kann man das vom schwedischen Exil sagen. Hier formte sich seine Unterstützung für die Neutralität, die Bruno Kreisky allerdings nie als gesellschafs- und wertneutrale Haltung verstand.
Seine Außenpolitik war durch die Akzeptanz des europäischen und globalen Gleichgewichts gekennzeichnet. Darin fand das neutrale Österreich seinen Platz, bekannte sich aber gesellschaftspolitisch eindeutig zum Westen. Europapolitisch bekannte sich demgemäß  Kreisky zur wirtschaftlichen, aber nicht zur politischen Integration. Aber er war einer der Wenigen, der sich auch für die Entwicklungsländer engagierte – aus moralischen Gründen, aber auch um der Friedenssicherung willen.

Verhandlungen und Diplomatie

Generell war Kreisky ein Anhänger der Lösung von Konflikten durch Verhandlungen und Diplomatie und nicht durch Gewalt. Das drückte sich in so unterschiedlichen Konflikten wie dem Südtirolkonflikt und dem Nah-Ost Konflikt aus. Was den ersteren betrifft, so ging es um Autonomie und Verhandlungen mit Italien und nicht um eine Abspaltung und Wiedervereinigung mit Österreich. Was den Nahen Osten betrifft, so warb Kreisky für die Anerkennung der palästinensischen Rechte und der PLO mit Arafat an der Spitze. Das brachte ihm viel Kritik und Hohn ein, aber heute sehen wir, wie Recht er hatte.

1989 – Sturz der Diktaturen

Den diesjährigen Hauptpreis erhielt der Standard-Journalist Erhard Stackl für sein Buch „1989 – Sturz der Diktaturen“. Das besonders Verdienstvolle an diesem Buch ist, dass Stackl nicht nur dem Sturz der osteuropäischen Diktaturen nachgeht, sondern auch dem der lateinamerikanischen. Von Polen bis Chile, von Argentinien bis zur Tschechoslowakei, Ungarn und Rumänien. Für all diese Länder und deren Regime waren das Jahr 1989 und die Jahre zuvor Schicksalsjahre. Ob es einen Zeitgeist gibt, der mit unsichtbarer Hand die verschiedenen Diktaturen hinwegfegte, entscheidend ist die parallele Betrachtung der verschiedenen totalitären Regime und deren Auflösungsprozesse.
Entscheidend aber ist auch, dass in und aus diesen Ländern von Menschen Widerstand gegen die Regime geleistet wurde, der die Freiheit und  die Achtung der Menschenrechte zum Ziel hatte. Für Ronald Reagan allerdings ging es nur um das Niederringen des Kommunismus und der Sowjetunion. In Chile hatten die USA andere Zielsetzungen, und vor allem die Rolle eines Henry Kissingers ist höchst zweifelhaft. In Chile war auch die Haltung der Katholischen Kirche äußerst widersprüchlich. Einerseits gab es Priester, die eindeutig auf der Seite der Unterdrückten und Gefolterten standen. Aber ein Teil des Klerus hatte ein Naheverhältnis zu den Machthabern und zu denen, die gefoltert haben.

Drei persönliche Schlüsse

Für Bruno Kreisky konnte „die Sympathie der Demokraten nur auf der Seite derer sein, die Widerstand leisten“. Anderseits hatte er Angst um das Kräftegleichgewicht in Europa und fürchtete ein Aufheizen des Kalten Krieges. Vielleicht hatte die Sozialdemokratie zu viel Angst davor und zeigte nicht genügend Unterstützung für den Widerstand.
Ich persönlich ziehe aus den Beschreibungen und Analysen von Erhard Stackl drei Schlüsse:
Erstens: Es gilt immer und überall auf der Seite des Widerstands gegen totalitäre Systeme und Regime zu stehen. Es gibt keine guten (linke) und schlechten (rechte) Diktaturen.
Zweitens schließt diese Position nicht den Verhandlungsweg auch mit solchen Regimes aus. So waren auch KSZE und dann die OSZE, also die Konferenz und die Organisation für Europäische Zusammenarbeit und Sicherheit, kein Widerspruch zur Ablehnung totalitärer Systeme. Im Gegenteil, diese schufen die Voraussetzung dafür, dass sich auch die Kritiker der Regime in Osteuropa auf allgemein akzeptierte Menschen- und Freiheitsrechte berufen konnten. Man muss auch mit totalitären Regimen Verhandlungen führen, aber man muss eindeutig ein emanzipatorisches Ziel vor Augen haben.
Und zuletzt ist auch heute noch der Kampf für die Freiheit selbst in Europa nicht zu Ende geführt. Die jüngsten Mediengesetze, von Italien bis Ungarn und Rumänien, sind äußerst bedenklich und erfordern eine große Wachsamkeit. Die Umbrüche von 1989 führten keineswegs ins Paradies. Nur Illusionisten konnten dies erwarten. Aber auch in europäischen Staaten, die nicht unter dem Kommunismus gelitten haben, gibt es antidemokratische Bewegungen und Tendenzen. Als Demokraten müssen wir daher wachsam bleiben, insbesondere in Zeiten einer Wirtschaftskrise.

Wien, 4.7.2010