Albanische Vermittlungsgespräche

11-03-09 Swoboda 8Auf meine Initiative hin haben sich die beiden Fraktionsvorsitzenden im EU-Parlament, Joseph Daul von der EVP und Martin Schulz von den Sozialdemokraten, bereit erklärt, im innenpolitischen Streit in Albanien zu intervenieren bzw. zwischen den dortigen Konservativen und den Sozialisten zu vermitteln. Die Idee war, dass einige von uns vor Ort eine entsprechende Vermittlungstätigkeit aufnehmen. In Gesprächen mit dem Erweiterungskommissar Stefan Füle kam dann die Idee auf, beide Seiten nach Strassburg einzuladen und unter Teilnahme von Kommissar Füle einen Versuch der Streitbelegung zu machen. Und so luden wir den albanischen Ministerpräsidenten Berisha und den Vorsitzenden der Sozialisten und Bürgermeister von Tirana, Edi Rama zu entsprechenden Gesprächen ein. Überraschend sagten beide zu, zwei Tage später nach Strassburg zu kommen.

Unstimmigkeiten

Der Streit zwischen Regierung und Opposition bezieht sich auf die letzten Parlamentswahlen vor ungefähr neun Monaten. Die Wahlen waren nach Einschätzung von internationalen Beobachtern besser als die früheren Wahlen organisiert, aber bei einem Drittel der Wahllokale gab es nicht unbedeutende Probleme. Die Regierung behauptet, dass im wesentlichen alles gut gelaufen sei, die Opposition vermutet hingegen Unregelmäßigkeiten größeren Ausmaßes und zum Teil Wahlfälschungen, die nur durch eine Sichtung der aufbewahrten Stimmzettel und einen Vergleich mit den Protokollen belegt oder widerlegt werden könnten.

Das lehnt die Regierung mit Hinweisen auf die Verfassung ab. Vermittlungsvorschläge, wie sie auch Außenminister Illir Meta gemacht hatte, wurden von Berisha unmittelbar danach zurückgezogen. Inzwischen boykottierten die Sozialisten das Parlament. Bei meinem letzten Besuch konnte ich sie zur Rückkehr ins Parlament bewegen. Allerdings begannen kurz darauf einige Abgeordnete mit einem Hungerstreik. Dieser wurde allerdings unmittelbar nach unserer Einladung abgebrochen, und das war ja auch eine Vorbedingung unsererseits für die Vermittlungsgespräche.

Die Gespräche verliefen äußerst schwierig. Wir hatten uns seitens der Parlamentarier und mit dem Kommissar gut vorbereitet. Gemeinsam mit einem Kollegen versuchte ich, auch Edi Rama zu einer konstruktiven und überlegten Haltung während der Gespräche zu bewegen. Aber von der Öffnung zumindest einiger Wahlurnen, um stichprobenartig die Frage der Korrektheit der Wahlen zu überprüfen, wollte er nicht abgehen. Allerdings hatte Edi Rama schon zuvor erklärt, dass er das Ergebnis der Wahlen jedenfalls anerkennt und keine generelle neue Auszählung verlangt. Er erkenne die Regierung als legitim an.

Auf der anderen Seite bemühten sich die Vertreter der EVP, einen entsprechenden Einfluss auf Ministerpräsident Berisha zu nehmen. Aber der dieser konzentrierte sich mehr auf die Vergangenheit und die Vorwürfe der Sozialisten gegen ihn. Konkrete Lösungsvorschläge kamen kaum. Er hat allerdings das generell positive Urteil der Wahlbeobachter und eine Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, der eine Öffnung der Wahlurnen ablehnte, auf seiner Seite. So konnten wir uns zwar auf das Prinzip der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses mit einer de facto Mehrheit für die Opposition einigen. Aber für das Mandat dieses Ausschusses gab es keine einheitliche Meinung. So schlug ich vor, dass die EU-Kommission einen juristischen Experten nominieren sollte, der mit den Experten von Regierung und Opposition ein verfassungskonformes Mandat für den Untersuchungsausschuss formulieren solle. Dann sollten wir uns wieder in der gleichen Runde treffen und noch andere ausständige Fragen wie zum Beispiel die notwendige Parlamentsreform diskutieren.

Europäische Kompromissbereitschaft verlangen

Üblicherweise sollten wir uns als europäische Parlamentarier nicht in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einmischen, auch wenn es sich um ein „potentielles“ Beitrittsland handelt. Aber die Lage in Albanien war derart zugespitzt und mir war klar, dass die Streitparteien selbst keine Lösung finden können, so dass eine Intervention von dritter Seite notwendig wurde. Und da schien mir eine Vermittlung durch die beiden Fraktionen die den Streitparteien jeweils nahe stehen die beste Lösung zu sein. Und es war auch gut, dass der Erweiterungskommissar an den Diskussionen als „Beobachter“ teilnahm.

Im Übrigen nahmen an den Verhandlungen von parlamentarischer Seite neben den beiden Fraktionsvorsitzenden und mir auch drei ehemalige Außenminister teil: Adrian Severin aus Rumänien auf unserer Seite und Iannis Kassoulidis aus Zypern sowie Edvard Kukan aus der Slowakei auf der Seite der EVP. Also wir waren eine durchaus prominent besetze Runde mit vielen Erfahrungen auf dem internationalen Parkett. Dennoch, eine rasche Einigung war nicht möglich. Aber es bleibt zu hoffen, dass in wenigen Wochen deutliche Fortschritte erzielt werden können. Abgesehen von den Details der Auseinandersetzungen müssen wir von den politisch Verantwortlichen aus Beitrittsländern eine europäische Kompromissbereitschaft verlangen. Die scheint mir in Albanien noch nicht ausreichend vorhanden. Die jetzige Situation und unsere Gespräche sind ein Test für die europäische Orientierung der politischen „Klasse“ in Albanien.

Wien,25.5.2010