Bruno-Kreisky-Preis 2010 an Kurt Rothschild, John Bunzl, Farid Hafez und den „Passagen-Verlag“ verliehen

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Gusenbauer, Rothschild, Swoboda (© Franz Johann Morgenbesser auf Flick.r)

„Die heutigen Preisträger stehen in ganz engem Zusammenhang mit dem politischen Lebenswerk Bruno Kreiskys“, betonte Bundeskanzler a.D. und Präsident des Karl-Renner-Instituts Alfred Gusenbauer in seiner Rede am Donnerstagabend im Rahmen der Verleihung des Bruno-Kreisky-Preises für das politische Buch 2010 im Festsaal der Universität Wien. Die Annerkennungspreise setzen sich zum einen mit der Außenpolitik Bruno Kreiskys auseinander, zum anderen werde die Frage der Islamophobie in Österreich analysiert, so Gusenbauer, der erklärte: „Dabei kommt deutlich zum Vorschein, wie internationale und nationale Fehlentwicklungen zu Geisteshaltungen und Vorurteilen beitragen können, die letztendlich eine friedliche Konfliktlösung und das Zusammenleben erschweren.“ ****

Den „Sonderpreis für verlegerische Leistungen“ erhielt der „Passagen-Verlag“ für seine langjährige und konsequente Arbeit. „Der ‚Passagen-Verlag‘ ist so zu sagen prototypisch, für das, was wir als besondere Leistung von kleinen Unternehmen sehen: Gelebte soziale und kulturelle Verantwortung, wirtschaftliches Engagement, Kultur möglich und Wissenschaft zugänglich zu machen und Menschen, die Gedanken anderer als Produkt näher zu bringen“, betonte der Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband und SPÖ-Finanzsprecher Christoph Matznetter, der hofft, mit diesem Preis den „Passagen-Verlag“ anzuregen, noch breiter und noch mehr zu produzieren.

Mit großer Freude und Stolz nahm Peter Engelmann Verleger des „Passagen-Verlags“ den Bruno-Kreisky-Preis entgegen, da es neben zahlreichen Ehrungen im Ausland der erste österreichische Preis für den Verlag ist. „Dieser Preis ist eine willkommene Stärkung für unser Konzept und bestätigt, dass wir unseren Weg weitergehen müssen“, so Engelmann.

Zwtl.: Wenn man die Welt verändern will, muss man die Wirtschaft ändern

Den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch 2010 erhielt der Ökonom Kurt Rothschild für sein publizistisches Gesamtwerk. Die Aussage „Wenn man die Welt verändern will, muss man die Wirtschaft ändern“ drücke nicht nur eine gesellschafts- und wirtschaftspolitische Regel aus, sondern auch den Willen zur Veränderung, der bei Kurt Rothschild immer klar zum Ausdruck kommt, so der Leiter der Jury des Bruno-Kreisky-Preises und SPÖ-EU-Abgeordneter Hannes Swoboda. „Kurt Rothschild hat uns im Laufe seines produktiven Lebens ein umfangreiches ökonomisches Werk geschenkt. Er ist kein Träumer und Illusionist. Aber wie so viele von uns sieht er in der gegenwärtigen Krise eine Chance, ein ‚window of opportunity‘, aber so fügt er hinzu, „dieses Fenster wird immer kleiner, wenn nicht rasch grundsätzliche Veränderungen in der Finanzwirtschaft stattfinden“, betonte Swoboda und unterstrich: „Rothschild wird nie müde, ein faires und gerechtes Wirtschafts- und Sozialsystem einzufordern.“

Kurt Rothschild zeigte sich überaus erfreut über den Preis und den Ort der Veranstaltung, da er in der Universität Wien zum ersten Mal als Student mit der Nationalökonomie in Berührung kam. „Damals habe ich mir gedacht, wenn meine berufliche Lebensaufgabe darin bestünde, mich mit Fragen der Wirtschaft zu beschäftigen, wäre das schön“, so Rothschild.

Zwtl.: Swoboda: Müssen Autoren für Aufarbeitung des Antisemitismus dankbar sein

Hannes Swoboda durfte neben Kurt Rothschild, auch den Autoren John Bunzl und Farid Hafez den Bruno-Kreisky-Preis für die Herausgabe des Buches „Islamophobie in Österreich“ überreichen. Ausgangspunkt des Buches ist ein furchtbarer und furchterregender Spruch, der im Februar 2009 auf die Außenmauer des ehemaligen KZ Mauthausen geschmiert wurde: „Was unseren Vätern der Jud, ist für uns die Moslembrut, seid auf der Hut! 3. Weltkrieg – 8. Kreuzzug.“ In dem Sammelband wird das Phänomen Islamophobie durchleuchtet und analysiert, wobei im Vordergrund jedoch der Antisemitismus steht. „Umso dankbarer müssen wir den Autoren sein, diesem schrecklichen und gefährlichen Phänomen nicht auszuweichen, sondern es für uns aufzuarbeiten“, betonte Swoboda, dessen besonderer Dank den beiden Herausgebern galt, die in ihrem Vorwort feststellen: „Diese exemplarische Negierung des Vorhandensein des Hasses gegenüber Musliminnen und Muslimen in der österreichischen Öffentlichkeit ist ein Grund für die Veröffentlichung dieses Buches.“

Farid Hafez nahm, auch in Vertretung seines kranken Kollegen John Bunzl, den Bruno-Kreisky-Preis entgegen und verdeutlichte: „Angst haben wir vor Feinden, die wir so sehr brauchen. Die wir brauchen, um mittels Abgrenzung eine eigene Identität zu schaffen und von den eigenen Missständen abzulenken, anstatt soziale Gerechtigkeit und den sozialen Frieden in die Debatte zu stellen.“ Dass dem Phänomen Islamophobie beinahe keinerlei Beachtung in der Wissenschaft geschenkt wird, war für Hafez und Bunzl Anlass, dieses Buch zu verfassen. Ein weiterer Grund war jedoch auch, dass das Thema „Islam“ auch in den Reihen politischer Parteien Beachtung findet.

Zwtl.: Rothschild zur Finanzkrise: Gibt viele gute Ideen, aber Mangel an politischen Möglichkeiten

In einem anschließenden Gespräch zur aktuellen Finanzkrise mit der österreichischen Wirtschaftsjournalisten Eva Pfisterer erklärte der Preisträger Kurt Rothschild: „Es ist wesentlich, dass man politisch anerkennt, dass das System mit Deregulierungen, Privatisierungen und den Effekten der Globalisierung ein sehr störungsanfälliges System ist.“ Diese Schwächen würden immer wieder zum Ausdruck kommen, denn die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise sei bei weitem nicht die erste Krise gewesen. Zur Bewältigung der Krise meinte Rothschild: „Es gibt einen ganzen Katalog von guten Ideen, aber einen Mangel der politischen Möglichkeiten und Kräfteverhältnisse, um diese durchzuführen.“

Wien, 5.3.2010