Den Ausweg aus der Krise zusammen meistern

Hannes SwobodaEuropäisches Wirtschaftspaket

Nach der Phase, in der die Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise analysiert und erklärt wurden, folgten in der letzten Zeit immer mehr Vorschläge, was zu tun sei, um die Krise bzw. besser die Krisen zu bewältigen. Dabei geht es einerseits um Maßnahmen, die eine Wiederholung einer Finanzkrise dieses Ausmaßes verhindern sollen und anderseits um ein Paket von Maßnahmen zur Linderung und zuletzt zur Behebung der Wirtschaftskrise. Diese hat aber unterschiedliche Ausprägungen und Facetten. Dennoch ist das Dilemma der Budget- und Wirtschaftspolitik in allen Mitgliedsländern gleich oder zumindest ähnlich.

Budgetdefizit verringern

Es gilt, in allen Staaten ein Budgetdefizit zu verringern, das angesichts der Wachstumsschwächen und der gestiegenen Arbeitslosigkeit nicht auf längere Sicht zu finanzieren ist. Es würde die einzelnen Staaten in große Schwierigkeiten bringen, die die Marktkräfte, insbesondere die spekulativen, zu ihren Gunsten ausnützen würden. Aber auch ohne die spekulativen Bewegungen würden viele Mitgliedsländer an die Finanzierungsgrenzen stoßen.
Anderseits würde eine radikale Sparpolitik im Sinne der „austerity“ den langsam beginnenden Wachstumsprozess abwürgen und sich damit erst wieder negativ auf die Budgetsituation auswirken. Zusätzlich würden die sozialen Probleme und Spannungen zunehmen – und gerade für SozialdemokratInnen ist das nicht akzeptabel.

Teufelskreis

Wir müssen den provokanten Teufelskreis, in dem wir uns befinden, unter- bzw. abbrechen. Die ungehemmten Spekulationen und Blasenbildungen, ausgehend von den Finanzmärkten, haben eine fundamentale Wirtschaftskrise bewirkt. Die Staaten mussten reagieren und zwar durch eine Erhöhung der Staatsausgaben und damit der Defizite: kurzfristig zur Rettung der Banken, langfristig zur Abstützung der Konjunktur. Die erhöhten Defizite – jedenfalls die in einigen Ländern – haben nun wieder die Finanzmärkte ausgenützt, um gegen die betreffenden Staaten zu spekulieren. Und damit zwingen sie genau diese Staaten, allerdings nicht nur die, in die Rezession.
Gewiss, das ist nur die eine Seite der Geschichte. Strukturelle Wirtschaftsprobleme und eine Ausdehnung der Staatsausgaben, die nicht auf einen Konjunktureinbruch vorbereitet war, sind grundlegende Faktoren, die auch bei Ausbleiben der Spekulation nicht verschwinden würden.

Paket der Finanzmarktregulierung

Es ist nicht einfach, auf all diese Probleme gleichzeitig und angemessen zu reagieren. Und natürlich gibt es auch in Europa unterschiedliche ideologische Auffassungen über die Rolle des Marktes und die Möglichkeiten und Erfolgschancen staatlicher Interventionen.
Der erste Teil der Maßnahmen besteht sicherlich in einem Paket der Finanzmarktregulierung. Dabei geht es einerseits um eine Eindämmung der Spekulationen, nicht zuletzt durch Verbot von Leerverkäufen. Selbstverständlich braucht eine moderne Wirtschaft Möglichkeiten der Risikoabsicherung. Aber wo kein Risiko vorhanden, da kein Besitz von entsprechenden Werten vorhanden ist, braucht es keiner „Versicherung“ und damit können Leerverkäufe ohne Schaden für die Volkswirtschaft verboten werden. Es bedarf zusätzlich einer besseren und zwar auch europäischen Finanzmarktaufsicht und eines verbesserten Konsumentenschutzes und vor allem mehr Transparenz für die schwächeren Teilnehmer auf den Finanzmärkten, also den „normalen“ Käufern von Wertpapieren etc.

Europaweite Risikoabsicherung

Zweifellos bedarf es auch einer volkswirtschaftlichen, europaweiten Risikoabsicherung, wenn trotz aller Finanzmarktregulierungen eine Bankenkrise entsteht. Da die Staaten – individuell bzw. gemeinsam als EU oder als Euroländer – letztendlich die Verluste abdecken müssen, sollten diese auch die Einnahmen aus einer europaweiten Bankenabgabe bekommen. Außerdem hätten sie dann auch das Interesse an einer effizienten Finanzmarktregulierung, um das Geld nicht wieder ausgeben zu müssen.
Und wie wir oben gesehen haben, hat die von den Finanzmärkten inklusive der Banken verursachte Krise die staatlichen Budgets ohnedies extrem belastet. Also sind Finanzflüsse von den Banken an die Staaten – entweder direkt an die einzelnen Staaten oder über die EU bzw. Eurogruppe – nur recht und billig. Dabei geht es nicht um eine individuelle Schuld einzelner Banken, sondern um ein systematisches Fehlverhalten und notwendige Korrekturen, die langfristig durch den Wirtschaftskreislauf den Banken wieder zu gute kommen.
Unabhängig von einer solchen Bankenabgabe ist die Finanztransaktionssteuer zu sehen. Sie würde alle Finanztransaktionen treffen, sollte vor allem die spekulativen Aktionen vermindern und ebenfalls der Konjunkturstützung dienen. Natürlich muss sie mir der Bankenabgabe abgestimmt werden, um die Belastung der Banken in einem vernünftigen und vertretbaren Ausmaß zu halten.

Eurobonds anlegen

All diese Finanzierungsinstrumente und zusätzliche Steuern auf Vermögen und Vermögenszuwächse machen Sparmaßnahmen bei den Budgets nicht hinfällig. Aber sie können sie in einem erträglichen Ausmaß halten. Und das ist sowohl im Interesse der sozial Schwachen als auch im Interesse der Wachstumspolitik.
Um die Budgets auch zu vernünftigen Kosten (Zinsbelastungen) finanzieren zu können und auch zur Finanzierung langfristiger europäischer Investitionen sollten die EU bzw. die Eurostaaten endlich dazu übergehen, Eurobonds aufzulegen, das heißt gemeinsam auf den Finanzmärkten aufzutreten. Dabei ist es höchst an der Zeit. aus den jüngst aus der Not heraus ergriffenen kurzfristigen Maßnahmen die Lehren zu ziehen und neue langfristige Finanzierungsstrukturen im Euroraum zu schaffen.

Der Sozialen Marktwirtschaft gerecht werden

Bei all dem bleiben aber immer noch die Fragen der langfristigen Wirtschaftsstrukturen und die damit im Zusammenhang stehenden Reformmaßnahmen. Einerseits sind die einzelnen Mitgliedsländer für die Durchführung der jeweils länderspezifischen Reformen zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich. Vor allem geht es um eine moderne nachhaltige Forschungs-, Entwicklungs- und Industriestruktur. Nachhaltig müssen diese Strukturen im doppelten Sinn sein: ökonomisch und ökologisch. Der Tourismus allein kann es nicht bringen.
Aber sicherlich muss auch auf der europäischen Ebene einiges geleistet werden. Dazu hat der ehemalige Kommissar Mauro Monti im Auftrag von Kommissionspräsident Barroso im Rahmen einer Studie zur Vollendung des Binnenmarktes einiges gesagt. Vor allem hat er klar und deutlich zu Ausdruck gebracht, dass der Gemeinsame Markt der EU einer sozialen Absicherung bedarf, unter anderem durch die Unterstützung öffentlicher Dienstleistungen. Wir brauchen den europäischen Binnenmarkt als Lernfeld für die internationalen Märkte. Von diesen können und sollen wir uns nicht abschotten und mit China, Indien, Brasilien etc. hat sich dieser Markt wesentlich erweitert. Und damit hat sich de facto auch der Arbeitsmarkt erweitert. Aber der Binnenmarkt muss auch der Sozialen Marktwirtschaft gerecht werden bzw. mit ihr in Einklang gebracht werden. Vor allem, insofern Lohn- und Sozialdumping verhindert wird, die öffentlichen Dienstleistungen sichergestellt werden und ein Minimum an Steuerharmonisierung vereinbart wird, um ein Steuerdumping zu vermeiden.